Kommentar von Mirja Tsioumanis:
Seit gestern haben wir die traurige Gewissheit. Es war menschliches Versagen. Oder wie es Oberstaatsanwalt Branz formulierte: „Was wir momentan haben, ist ein furchtbares Einzelversagen.” Wir sind in Gedanken bei den elf Opfern und ihren Angehörigen. Was mögen sie jetzt durchstehen? Wie geht es Ihnen? Wie fühlen sie sich mit diesem Wissen?
Wir sind aber in Gedanken auch beim Fahrdienstleiter, jenem bemitleidenswertem Mann, der diesen einen, sekundenschnellen und nicht rückgängig zu machenden Fehler begangen hat. Der sein Leben, das seiner Familie, das der Opfer und deren Angehörigen für immer zerstört hat.
Ob er je wieder zum Alltag zurückkehren kann, ist fraglich. Lachen, Freude, Glück – diese Emotionen wird er wohl nur bei seinen Mitmenschen beobachten können. Dabei ist er erst 39 Jahre alt.
Fehler sind menschlich
Ich mache auch Fehler. WIR machen Fehler. Jeden Tag. Gott-sei-Dank sind es meist Kleinigkeiten, die keine gravierenden Folgen haben. Manchmal bemerken wir Fehler auch gar nicht. Oder erst Jahre später.
Und manchmal haben wir auch Schutzengel, die Schlimmeres verhindern und uns nicht schuldig werden lassen. Der Fahrdienstleiter hatte an jenem Dienstagmorgen aber keinen Schutzengel an seiner Seite. Und leider war sein Fehler auch keine Kleinigkeit. Er löste mit diesem fehlgeleiteten Ersatzsignal eine Katastrophe aus.
Fahrdienstleiter trägt große Verantwortung
Aber machen wir uns nichts vor. Es gibt immer und zu jeder Zeit jede Menge Fehleinschätzungen im Leben. Wir alle können ein Lied davon singen. Die Lehrerin, die ihren Schüler als Störenfried sieht und nicht die Hochbegabung erkennt. Auch das kann ein Leben nachhaltig beeinflussen. Sogar zerstören. Oder der Pianist, der im Konzert den Ton nicht richtig trifft. Blamabel ja. Für ihn persönlich vermutlich ebenfalls eine totale Schmach.
Viele Berufsgruppen tragen Verantwortung für das Wohl anderer Menschen: Erzieher, Piloten, Zugführer zum Beispiel. Über Fahrdienstleiter haben wir uns vermutlich noch nie viele Gedanken gemacht – bis jetzt. In der Pressekonferenz haben wir schockiert zur Kenntnis genommen, dass er seinen Fehler noch bemerkt und Notrufsignale abgesetzt habe. “Diese liefen jedoch ins Leere“, so der Staatsanwalt.
Wir wissen, dass es dem Mann nicht gut geht. Das hat der Staatsanwalt gestern auf der Pressekonferenz bekannt gegeben. Kann das für die Hinterbliebenen eine Genugtuung sein? Ich glaube nicht. Doch Schuld zu tragen kann Strafe genug sein. Am Ende entscheiden die Gerichte.
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