Besucherstrom zur Traglufthalle

Viel wurde in den vergangenen Monaten in Rottach-Egern über die Flüchtlingspolitik diskutiert und auch offen ausgetragen. Heute war es soweit. Viele Einheimische kamen ins Birkenmoos, um sich einen persönlichen Eindruck von der Notunterkunft für 120 Flüchtlinge zu machen.

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Von links: Alexander Radwan, Christian Köck, Wolfgang Rzehak und Hubert Hörterer.

Die Eckdaten der Traglufthalle sind hinlänglich bekannt. Auf 36 mal 36 Metern Grundfläche werden in den nächsten zwei bis drei Wochen 120 Asylbewerber leben müssen. Nach dem Eintritt durch eine Luftschleuse erwartet den Besucher ein freundlicher Aufenthaltsraum, die „Lounge“, so Bauleiter Roland Meyer von der Herstellerfirma Paranet. Zu sehen sind mehrere Sitzgarnituren, Tische und Stühle. Ein Flachbildschirm soll noch kommen, ebenso ein WLAN-Anschluss. Rechts steht ein Container mit acht Waschmaschinen und acht Trocknern.

Im Anschluss geht es zu dem 22 „Boxen“, den Schlafräumen für jeweils sechs Bewohner. Im Raum, der durch einen Vorhang abgetrennt werden kann, stehen Spinde und zwei Kühlschränke. Abgewandt vom Aufenthaltsraum sind getrennt für Männer und Frauen jeweils 12 Toiletten und sechs Duschen. Das Konzept von Paranet für seine Care Domes sei, erklärt Meyer, großer Raum, aber eingegrenzter Intimbereich. Außerhalb der Halle stehen noch Kochcontainer und ein Essensraum.

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„Nicht das Gelbe vom Ei“

Bei einem Presserundgang mit Landrat Wolfgang Rzehak, dem CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan, Bürgermeister Christian Köck und Dr. Hubert Hörterer als Vertreter des Helferkreises, wird aber auch klar, dass dies auch nur eine Notunterkunft sein kann. „Das ist sicher nicht das Gelbe vom Ei“, betont Rzehak (Die Grünen), der erklärt:

Es ist sicher auch nicht angenehm, hier über mehrere Monate leben zu müssen. Aber es ist ein deutlicher Fortschritt zur Turnhalle in Tegernsee.

Denn man sei hier etwas abgegrenzter und nicht so aufeinander gepfercht. Männer und Frauen haben ihre eigenen Bereiche. „Wir werden alles tun, das ist auch politisches Ziel, dass wir die Tegernseer Notunterkunft bald freibekommen“, versichert Miesbachs Grüner Landrat. Es schaue auch ganz gut aus. Einen Zeitpunkt will Rzehak heute allerdings nicht nennen. „Wenn die Holzkirchner Traglufthalle Ende März steht, haben wir einen gewissen Puffer. Denn länger als drei Monate sollten die Asylbewerber hier nicht wohnen“.

Statt 33 kommen nun 24 Flüchtlinge pro Woche

Oberstes Ziel müsse es sein, die Asylverfahren auf längstens drei Monate zu verkürzen, unabhängig von den hohen Zugangszahlen. „Solange auch die Ausreise nicht geregelt ist, werden solche Notlösungen leider mittelfristige Lösungen sein“. Den einzige Lichtblick, den Rzehak verkünden kann: Die wöchentlichen Zuweisungszahlen seien von der Regierung von Oberbayern von 33 auf 24 gesenkt worden. Dies bringe eine gewisse Entlastung.

Mit den 50 Asylbewerbern, die am Montag von Tegernsee in die Traglufthalle verlegt werden, so Rzehak, wolle man erst einmal den Betrieb ins Laufen bringen und den Bewohnern zeigen, wie das hier so funktioniere. „Nach und nach werden wir dann in den nächsten zwei bis drei Wochen die Halle mit Flüchtlingen aus dem ganzen Landkreis auffüllen“, verdeutlicht Rzehak, „wir wollen hier nicht nur alleinstehende Männer unterbringen. Unser Ziel ist eine gemischte Belegung mit Familien und Kindern“.

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Es sei ein Zweckbau, “aber trotzdem annehmbar”, so Rottachs Bürgermeister Köck (CSU). “Wir reden hier von einer Notunterkunft. Trotzdem ist es sicher angenehmer, als in der Turnhalle. Die Kochgelegenheit bietet die Möglichkeit, traditionell zu kochen. Ich bin positiv gestimmt, dass dies für einen gewissen Zeitraum eine Unterkunft ist“.

Ausdrücklich bedankt sich Köck heute beim über 70-köpfigen Helferkreis, der noch dazu „von der Grundstruktur ein hochkarätiger ist. Das hätte ich mir nicht träumen lassen“. Die große Politik sei zwar nicht sein Thema heute, so Köck mit Blick auf Rzehak, doch er betont dennoch als Christsozialer:

Um die Helfer irgendwann zu entlasten, denn für sie ist es über viele Monate eine mentale wie körperliche Belastung, muss man einen Zuzug begrenzen und Obergrenzen schaffen.

Man müsse schauen, dass der Frieden im Ort gewahrt bleibe. „Dafür müssen wir die Leute beschäftigen und sie anleiten, wie bei uns das Leben funktioniert. Dann kommt es auch unter der Bevölkerung nicht zu Missstimmungen“.

Das Stichwort „Obergrenze“ lässt Rzehak als Grüner auch nicht unerwidert. „Die Obergrenze haben wir nicht in der Hand. Für mich ist dies eine fiktive Diskussion. Jeden Freitag 24 neue Flüchtlinge, dies ist unsere Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Da jammern wir auch nicht. Bei uns funktioniert das eben ein bisschen anders, als in manch anderen Landkreisen.“

Kalte Halle, warmer Empfang

Am Nachmittag dann ist Einlass für die Besucher, die in Scharen kommen. Trotz strömenden Regens harren sie geduldig in einer langen Warteschlange aus. Mehrere Hundert wollen sich die Unterkünfte anschauen. Rechtzeitig zum Tag der Offenen Tür spielt innen auch eine kleine Combo auf, besetzt vorwiegend aus Flüchtlingen aus dem ganzen Landkreis.

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Mit Klängen aus ihrer Heimat heizen sie den Besuchern etwas ein. Das ist auch bitter nötig, denn die Heizung ist am heutigen Samstag gedrosselt. Aber man könne sie in der Traglufthalle bis zu 30 Grad hochschalten. Der Vorteil der Traglufthalle sei der Luftaustausch, betont Meyer von Paranet, „in der Stunde werden bis zu 16.000 Kubikmeter Luft durch den ständigen Turbinenlauf ausgetauscht“. Der Unterdruck gleiche dem Wohnen in einem dritten Obergeschoß.

Neben dem Landkreis Starnberg sei nun auch Miesbach Vorreiter mit den Kochgelegenheiten. So könnten die Bewohner essen, was sie möchten. Förderlich ist dies auch einer späteren Eingliederung, wenn sie dann einmal in eine Wohnung ziehen, so Meyer. „Denn mit dem Catering wie in Tegernsee kommen die Flüchtlinge später nicht klar“. Viele von ihnen wüßten gar nicht, was ein Herd ist. Meyer. „So werden sie hier bereits darauf eingewiesen und können Erfahrungen sammeln“.

Geteiltes Echo bei Besuchern

Geteilt ist der Eindruck der Besucher, von bedrückend bis komfortabel. Eine Rottacherin: „Ich glaube, in einem Gefängnis hat man mehr Platz“. Ein Ehepaar aus Tegernsee: „Sehr beengt, ich bin ein bisschen schockiert. Für eine Erstaufnahme ist es sicher zweckmäßig, aber dauerhaft ist es unmöglich“.

Anderer Meinung ist eine ältere Dame aus Rottach: „Ich finde es komfortabel“. Ein Rentner aus Rottach. „Wenn du nicht rein musst, ist der Eindruck gut, aber wenn ich hier auf die Dauer leben müsste, bekäme ich einen Kollaps. Es ist doch alles sehr eng. Für mich ist es deswegen vorprogrammiert, dass da wieder welche zusammenrumpeln. Das ist fast schon normal“.

Fotostrecke vom Tag der Offenen Tür / Alle Bilder Felix Wolf

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