Goodbye Tegernsee

Heute mussten die in der Gmunder Seeturnhalle untergebrachten Flüchtlinge ihre Unterkunft räumen. Probleme gab es öfter – am Ende fiel der Abschied von den Helfern dennoch schwer.

Seeturnhalle_Taschen und Tüten
Alles gepackt: Der Abschied der Asylbewerber war ein echter Umzug.

Mittwochmorgen, 9 Uhr: An der alten Seeturnhalle in Gmund wartet bereits der vom Landratsamt organisierte Bus auf seine Fahrgäste. Die Aufgabe: Sechzehn Asylbewerber von der alten Seeturnhalle am Gmunder Seeufer in die Holzkirchner Traglufthalle zu befördern.

Die Regierung von Oberbayern hatte angeordnet, sämtliche Turnhallen zu räumen. Müllsäcke, Kartons und Koffer voller persönlicher Sachen stehen abfahrbereit vor der Halle. Eine der Freiwilligen vom Helferkreis hängt Zettel mit den Namen der Flüchtlinge an deren Räder, die „unbedingt mitgenommen werden müssen“, wie es heißt.

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Ein Flüchtling schiebt sein Radl Richtung Bus. Das Vorderrad hat einen Platten. „You can repair it“, erklärt ihm Benno Frisch, einer der beiden vom Landratsamt beauftragten „Kümmerer“. „I don’t like“ ist die Antwort.

Die Räder müssen mit.
Die Räder müssen mit.

Die beiden Kümmerer verteilen Müllsäcke und achten darauf, dass alles reibungslos abläuft. „So geht das nicht!“ ruft Benno Frisch plötzlich aus der Küche und fordert die Flüchtlinge auf, sauber zu machen. Dreckiges Geschirr stapelt sich neben leeren Plastikbehältern und Lebensmittelresten, Kochrückstände sind auf dem Herd erkennbar.

Der Gefrierschrank ist vereist und steht offen. Die Plastikfächer sind teilweise gebrochen. Frisch nimmt ein Messer und entfernt das Eis, um die Tür wieder schließen zu können. Mit einem Tuch sammelt er das Eis vom Boden auf.

In der Waschküche sieht es nicht besser aus. „Die Waschmaschine ist jede zweite Woche kaputt, weil zuviel Waschmittel benutzt wird“, sagt Frisch, der den Flüchtlingen Verantwortung beibringen will. „Wir versuchen, Disziplin in die Asylunterkünfte zu bringen, von der Mülltrennung bis hin zum Toilettenputzen.“ Manchmal müsse er auch Erbrochenes wegwischen, sagt er und fügt hinzu:

Man darf nicht schmerzempfindlich sein gegenüber Schmutz.

Die Aufgaben der Kümmerer sind vielfältig. Vom Glühbirnenwechseln, Dusche reparieren bis hin zum Sicherungen reindrehen machen sie alles, erklärt Frisch. Auch als Seelentröster trete man auf: „Immer, wenn wir irgendwohin hinkommen, dauert es dreimal länger als geplant. Wenn einer der Flüchtlinge nicht glücklich ist, Stress oder Probleme hat, dann sind wir als Ansprechpartner da.“

Auch Sozialberaterin Petra Kirchberger, die für die Unterbringung der Asylsuchenden zuständig ist, ist vor Ort. Sie schaut, ob sie alle sechzehn Flüchtlinge beisammen hat, die ihre Unterkunft wechseln müssen. Die übrigen der 33 verbliebenen Flüchtlinge haben dank der Hilfe des Arbeitskreises Arbeit gefunden und dürfen bleiben. Ein paar von ihnen in der vom Landratsamt angemieteten Wohnung oberhalb der Turnhalle, so Kirchberger. Den anderen würde man bei der Wohnungssuche helfen.

Aufräumaktion
Aufräumaktion

Dann die Abfahrt. Hajo Fritz nimmt seine Schützlinge zum Abschied in den Arm. „Richtig familiär geht es hier zu“ kommentiert die Polizei, die ebenfalls anwesend ist und einfach „nur mal nach dem rechten schauen wollte“. Zurück bleibt eine „fast“ leere Turnhalle mit benutzten Matratzen und Müllsäcken voll Kleidung, dazwischen Rollerblades, die keiner mehr braucht. „Die haben uns ehrenamtliche Helfer ungefragt vor die Tür gestellt“, sagt eine der Helferinnen. Was jetzt damit passiert? „Wir entsorgen das“, ist Petra Kirchbergers Antwort.

Abschied am Bus. Hajo Fritz macht letzte Bilder.
Abschied am Bus. Hajo Fritz macht letzte Bilder.

In Holzkirchen beginnt der Eintritt für die Flüchtlinge in die neue Unterkunft durch eine Art „Schleuse“. Die Tür zur Traglufthalle öffnet sich, ein bis zwei Flüchtlingen gehen hinein, die Tür schließt. Dann erst öffnet sich die zweite Tür. Beide Türen können nicht gleichzeitig geöffnet werden. Innen ist die Luft stickig.

Für den Helferkreis um Hajo Fritz, der sich vor allem für ein erträgliches Leben vor Ort für die Flüchtlingen eingesetzt hat, keine einfache Situation, seine Schützlinge ziehen zu lassen: „Holzkirchen hat einen eigenen Helferkreis. Wir müssen die Verantwortung für die Sechzehn jetzt abgeben.“

Für die Flüchtlinge bedeutet das aber nicht gleich „aus den Augen, aus dem Sinn“. Das Team vom Helferkreis hat mittlerweile eine „Teestube“ im ehemaligen Jugendtreff eingerichtet, die von den Flüchtlingen dreimal in der Woche besucht werden kann. Wiedersehen nicht ausgeschlossen.

Weitere Eindrücke vom Auszug der Asylbewerber:

Vor der Abfahr muss die Küche noch saubergemacht werden.
Vor der Abfahrt muss die Küche noch saubergemacht werden.

Erst abwaschen, dann abfahren.
Erst abwaschen, dann abfahren.

Auch das Eis muss noch weg.
Auch das Eis muss noch weg.

 Das Eis wird vom Boden gewischt.
Kümmerer Benno Frisch wischt das Eis vom Boden.

Jetzt ist die Seeturnhalle "fast" wieder leer.
Die Gmunder Seeturnhalle ist wieder “fast” leer.

Waschraum Seeturnhalle
Hier konnten die Flüchtlinge waschen.

Traglufthalle Holzkirchen
Das neue “Zuhause”: Die Traglufthalle am Moarhölzl in Holzkirchen.

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