Kurt Daub-Zöschinger ist ganz in seinem Element, ein Lehrer der alten Schule. Ein Berufsleben lang hat er Deutsch und Französisch am Gymnasium in Hohenburg bei Lenggries unterrichtet. Jetzt widmet er sich der Aufgabe, jungen Asylberechtigten in Holzkirchen die deutsche Sprache zu vermitteln.
Fünfzehn Schüler sitzen ihm erwartungsvoll gegenüber. Zunächst will er die Hausaufgabe vom letzten Mal besprechen. „Wer hat sie denn gemacht?“, fragt er in die Runde. Viele sind es nicht, die sich melden. Aber das kennt Kurt Daub schon. Er kann damit umgehen.
600 Unterrichtsstunden bis zur ersten Prüfung
Die Schüler kommen aus dem Irak, aus Syrien, aus Eritrea und aus dem Kosovo. Den Gesichtern nach ist keiner älter als Anfang zwanzig. Die jungen Leute haben nach ihrer Anerkennung als Flüchtlinge die Pflicht, an einem Integrationskurs über 900 Unterrichtsstunden in der Deutschen Sprache teilzunehmen. In weiteren 60 Stunden wird Ihnen das Leben in Deutschland intensiv erklärt.
Wer über 27 Jahre alt ist, bekommt nur 600 Unterrichtseinheiten Sprachkurs. Eigentlich tun sich Ältere schwerer und bräuchten mehr Zeit als die Jüngeren, erklärt Thomas Mandl, der Leiter der Volkshochschule in Holzkirchen. „Aber so ist es halt einmal.“
Die Schwierigkeiten stecken im Detail
Der Kurs ist nicht umsonst. Die Schüler müssen 1,55 Euro für 45 Minuten selbst bezahlen und das für jeweils 100 Stunden im Voraus. Nur wenn sie ihre Bedürftigkeit nachweisen, können ihnen die Kosten auf Antrag erlassen werden. Aber: Wer innerhalb von zwei Jahren den Abschlusstest besteht, bekommt die Hälfte seiner Kosten erstattet.
Die Fahrtkosten werden auch bezahlt, aber immer nur bis zum nächsten Kursort. Wenn dort kein Kursplatz frei ist, müssen die Schüler eventuell einen weiteren Weg zu einem anderen Kursanbieter auf sich nehmen. Das kostet Geld, das sie oft nicht haben.
Den richtigen Kurs zu finden, ist auch nicht ganz einfach. Ein Einstufungstest bietet eine erste Orientierung. Manche brauchen erst einmal einen Alphabetisierungskurs, weil sie entweder nie lesen und schreiben gelernt haben oder weil sie die lateinischen Schriftzeichen nicht oder nicht ausreichend kennen. Wer im regulären Deutschkurs sitzt, muss gut lesen können. Denn das vom Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, kurz „BAMF“, vorgeschrieben Lerntempo ist straff. Mancher bleibt dabei auf der Strecke.
Der Unterricht dauert rund sechs Monate und schließt mit einem Sprachtest ab, der entweder die Fähigkeiten dokumentiert, „sich in einfachen routinemäßigen Situationen verständigen“ zu können, oder, wenn man sich für die schwierigere Variante entscheidet, „die Hauptpunkte zu verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird.“
Der zusätzliche Test „Leben in Deutschland“ weist die für die Einbürgerung geforderten Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland“ nach. So steht es auf der Internetseite des BAMF.
“Wer alles verloren hat, den kann man nicht mehr bestrafen.”
Aber Unterricht ist nicht alles. Die neue Sprache muss im Alltag geübt werden, wenn sie irgendwann einmal ganz selbstverständlich gesprochen werden soll. Hier tun sich für viele Deutschschüler Schwierigkeiten auf. Thomas Mandl berichtet von der Diskussion mit einer Klasse. Die Schüler klagen, dass sie kaum mit der Bevölkerung in Kontakt kämen. Ein Kursteilnehmer wollte nach dem Weg fragen. Der Angesprochene sei wortlos ins Auto gestiegen und davongefahren.
Doch die meisten Schüler sind hoch motiviert. Das erlebt Mandl immer wieder. Von Sanktionen, mit denen man Kursverweigerer zum Deutsch lernen zwingen will, hält er nichts. “Wer alles verloren hat, den kann man nicht mehr bestrafen”, weiß er. Er plädiert für eine positive Motivierung auch jener, deren Disziplin noch nicht deutschen Standards entspricht.
SOCIAL MEDIA SEITEN