Samstagabend – planmäßig um 19:52 Uhr fährt die BOB in Tegernsee ab. Die Zugreisenden, darunter viele Münchner, sind guten Mutes in gut einer Stunde am Münchner Bahnhof anzukommen. Was Sie da noch nicht ahnen, ihre Fahrt ist nur wenig später für längere Zeit zu Ende. Ein Fahrgast berichtet:
Wir sind ganz normal losgefahren, aber in Tegernsee war es schon extrem überfüllt. Vor allem im vorderen Teil waren zu viele Radl.
Im hinteren Teil sei kurz vor der Abfahrt noch ein Rollstuhlfahrer zugestiegen. Als der Schaffner den Mann sah, habe er ihm laut Aussage mehrere Fahrgäste erklärt, er solle sich zu dem ihm zustehenden Platz im vorderen Zugbereich begeben. Dort hätte er als Rollstuhfahrer Vorrang vor den Radfahrern.
“Dann werden sie gewaltsam entfernt”
Beim Halt in Gmund seien dann die Radlfahrer aufgefordert worden, den Zug zu verlassen. Der Münchner erklärt: “Es sind aber nur wenige ausgestiegen. Daraufhin wurde dann die Polizei gerufen.” Kurz bevor die Beamten am Gmunder Bahnhof eintreffen, gibt es eine der wenigen Durchsagen in der Bayerischen Oberlandbahn:
Wenn die Radl in fünf Minuten nicht draußen sind, dann werden sie gewaltsam entfernt.
Die Polizei berichtet auf Nachfrage, man sei gerufen worden, weil sich Fahrgäste geweigert hätten den Zug zu verlassen. “Das war alles völlig überfüllt. Eine sichere Weiterfahrt ohne polizeiliche Hilfe nicht möglich.” Rund 30 Minuten versuchen sechs Streifenbeamte aus Bad Wiessee die Situation in den Griff zu bekommen.
Den Zug räumen müssen die Polizisten zwar nicht. Doch dafür umso mehr Überzeugungsarbeit leisten und die Kommunikationspannen der hörbar angefressenen BOB-Mitarbeiter ausbügeln. “Wenn Sie wollen, können Sie uns gerne verklagen, aber ich bin hier nicht der richtige Ansprechpartner für sowas,” so einer der Fahrdienstleiter zu einem erbosten Fahrgast.
Dabei ist in der ersten Stunde – zwischen 20 und 21 Uhr – die Stimmung noch einigermaßen gut. Viele der rund 300 Fahrgäste gehen auf dem Bahnsteig herum, einige essen Pizza, wieder andere stehen herum und trinken Bier. Was alle nervt, ist die fehlende Kommunikation. “Wir wissen gar nichts, seit über einer Stunde stehen wir hier”, so eine Holzkirchnerin.
Die Nerven liegen blank
Die ersten telefonieren mit Taxis. Immer wieder gibt es Informationen unter den Fahrgästen. Nach über einer Stunde in den vollbesetzten und überhitzten Waggons kippt die Stimmung. Kinder schreien. Viele sind sauer. Doch die BOB-Mitarbeiter wissen immer noch nicht, wann es weiter geht und vor allem wie.
Auch die Polizisten, die gemeinsam am vorderen Zugteil stehen, sind ratlos. Einer der Beamten steht in Kontakt mit der Einsatzzentrale:
Das ist hier eine einzige Katastrophe. Und jetzt kommt noch die Bundespolizei.
Zur Unterstützung der Wiesseer Streifenbesatzungen fahren zwei Einsatzwagen der Bundespolizei am Gmunder Bahnhof vor. Unter den hinzugerufenen Beamten eine Hundeführerstaffel. Das Ziel: Menschen beruhigen, Züge kontrollieren und dafür sorgen, dass es endlich irgendwie weitergeht.
Nach dem rund 50 Fahrgäste gegen 21:15 Uhr den Zug verlassen und in einen kurzfristig angeforderten Bus gesetzt werden, fährt der Zug tatsächlich um 21:26 Uhr los – mit über eineinhalb Stunden Verspätung. Nur einige Radlfahrer bleiben am Gmunder Bahnhof zurück. Der nächste Zug komme bald, sagt der mittlerweile etwas weniger angespannte BOB-Mitarbeiter. “Ganz bestimmt.”
Dabei drückt er den Radlern seine Visitenkarte in die Hand: “Rufen Sie mich an, wir schicken Ihnen eine Gratis-Fahrkarte zu.”
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Weitere Eindrücke vom heutigen Abend am Gmunder Bahnhof
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