Seit knapp zehn Jahren gibt es ein eindeutig geregeltes Nachfahrverbot für den Schwerlastverkehr über 7,5 Tonnen für das Tegernseer Tal. Doch keine Regel ohne Ausnahmen. 20 Firmen dürfen dieses „Verbot“ bereits durchkreuzen. Nun lag dem Gemeinderat in Rottach-Egern der 21. Antrag zur Lockerung des Nachtfahrverbots auf dem Tisch. Besonders prekär und „diffizil“: Die Firma Stettner als Antragsteller ist im Ort ein angesehener Baustoffhändler und entsprechender Gewerbesteuerzahler.
Zudem habe ihn die Gemeinde „bewusst im Birkenmoos ansiedeln lassen“. Das Argument Gewerbesteuer wollte Bürgermeister Christian Köck (CSU) nicht gelten lassen.
Steuern zahlen alle im Ort. Dies ist nicht automatisch mit Sonderrechten verbunden.
Für ihn sei die Entscheidung alternativlos, da man sich sonst das Nachtfahrverbot schenken könne. Hier gehe es um die Interessen einer einzelnen Firma. „Wir sind aber gewählt, um die Interessen aller Bürger zu vertreten. Wir sind ein Tourismusort und deshalb hat die Nachtruhe unserer Gäste und Bürger einen übergeordneten Stellenwert. Auch wenn ich Verständnis für das Anliegen der Firma Stettner habe“, machte Köck deutlich.
Stettner führt Geschäftsverluste ins Feld
Wolfgang Stettner begründete seinen Antrag damit, dass ein bedeutender Teil der Geschäfte auf Baustofflieferungen für Kunden zu bestimmten Terminen beruhe. Die Abholzeiten seien oft schon sechs Uhr morgens. Wenn der Fahrer um diese Zeit nicht vor Ort sei, werde später nicht mehr beladen. Bei verzögerter Auslieferung drohten hohe Regresskosten. Die Fahrten seiner beiden Lkws müssten daher spätestens vier Uhr morgens beginnen.
Stettner verwies in seinem Schreiben an Köck auf die bereits bestehenden 20 Sondergenehmigungen an nicht ortsansässige und österreichische Unternehmen in Achenkirch. Diese würden das Tegernseer Tal durchqueren, um sich die Nutzung der Inntalautobahn zu sparen. „Wir als einziges ortsansässiges Unternehmen haben überhaupt keine Ausweichmöglichkeit“, zitiert Köck aus Stettners Brief. Sollte der Gemeinderat nicht seinem Wunsch entsprechen, müsse der Baustoffzug verkauft und dieser Bereich eingestellt werden.
Doch bei Köck verfing diese leise Drohung nicht. Er verwies auf die Stellungnahme von Tegernsee, die eine Lockerung des Nachtfahrverbots zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens „ganz klar ablehnt“. Auch die Herzogliche Brauerei hätte sich dies schon gewünscht. Doch auch hier sei eine Ausnahme vom Stadtrat abgelehnt worden, „weil sie kein Fass aufmachen wollten“. Man wollte damit auch keine Begehrlichkeiten anderer Firmen wecken. Auch die Polizei, so der Rathaus-Chef, habe sich gegen eine „Aufweichung“ des Nachtfahrverbots ausgesprochen. Gleichlautende Post kam auch vom Landratsamt.
Wer hat bereits Ausnahmeregelungen?
Köcks Lösungsvorschlag: Wie andere Firmen könnte auch Stettner seinen Hängerzug bereits vor der Kreuzstraße nahe der Krottenthaler Alm abstellen. Von dort seien die Terminvorgaben zu realisieren und der Lkw müsste nicht verkauft werden. „Wir können als Verwaltung dieses Nachtfahrverbot jedenfalls nicht lockern“, betonte Köck. Hermann Ulbricht und Andreas Erlacher (beide FWG) erkundigten sich nach den 20 Ausnahmeregelungen. Wer und warum dürfen die fahren?
Solange dies nicht geklärt sei, sollte der Antrag zurückgestellt werden. Köck räumte ein, dass er die Ausnahmen im Einzelnen nicht kenne. Er wisse nur von der Spedition Egger in Achenkirch, die seit Jahren diese Sondergenehmigung habe und von Edeka, die am Dienstag und Donnerstag ihre Filialen im Tal beliefere. Dies sei aber im allgemeinen Interesse, da die Kunden im Tal mit Lebensmitteln versorgt würden. Bei der Firma Stettner bestehe das Problem, dass die Fahrt vom Lager in Birkenmoos an einigen Beherbergungsbetrieben vorbeiführe. Dies könne nicht im Sinne der Gastgeber sein.
Alternativen gefordert
Johanna Ecker-Schotte (FWG) gab zu bedenken, dass die Lkws inzwischen ja viel leiser seien und sie wünsche sich nicht, dass hier ein Fass aufgemacht werde, da es möglicherweise zu Wettbewerbsverzerrung führen könne, wenn ohnehin schon Ausnahmeregelungen bestünden. „Ich will weder die 20 Ausnahmen, noch die 21. Sonderregelung. Wir sind ein Kurort“, machte Thomas Tomascheck (Grüne) geltend. Er plädierte auch für die Lösung hinter der Kreuzstraße.
Die Firma Stettner sollte erklären, ob diese Alternative funktionieren könne, forderte Georg Höß (FWG) „Insgesamt müssen wir da ganz vorsichtig sein“, mahnte Josef Lang (CSU). So ein Einzelfall müsse wirklich begründet sein. Jakob Appoltshauser (SPD) verärgert: „In jedem Schreiben, das wir bekommen, wird immer gleich mit dem Verlust von Arbeitsplätzen gedroht. Für mich ist das ganz schlechter Stil“.
Die Firma Stettner solle die Arbeitsabläufe nochmals auf den Prüfstand stellen, um das Nachfahrverbot nicht zu tangieren, schlug Köck vor der Abstimmung vor. Zudem müssten die 20 bisherigen Ausnahmegenehmigungen hinterfragt werden. Bis zur nächsten Sitzung am 13. September erhoffe man sich hier mehr Aufklärung, auch von der Firma Stettner. Aufgeschoben sei nicht aufgehoben, so das einstimmige Votum des Gemeinderates.
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