Bislang waren Strafzinsen zumindest für die Einlagen von Privatkunden ein Tabu. Doch nun prescht die Raiffeisenbank Gmund mit ihren vier Filialen und zwei weiteren Geldautomaten im Tal vor. Sie verlangt ab 1. September ein „Parkgebühr-Geld“ von 0.4 Prozent für Einlagen von mehr als 100.000 Euro auf Giro- und Tagesgeldkonten, so Vorstandsmitglied Josef Paul gegenüber der Tegernseer Stimme.
“Wir haben etwa 140 Großanleger im Tegernseer Tal, mit denen wir 40 Millionen Euro bewegen, gezielt angeschrieben und ihnen empfohlen, sich Gedanken zu machen”, erklärt Bankchef Paul. “Wenn man keine Anreize schafft, etwas zu verändern, verändert sich auch nichts. Wir gehen nur an Kunden ran, die sehr hohe Einlagen auf dem Giro-Konto haben“.
Für sie werden nun Strafzinsen bittere Realität. Dies gelte aber nicht für Spareinlagen, wie Paul betont. Die Raiffeisenbank Gmund zählt mit einer Bilanzsumme von 145 Millionen Euro zu den kleineren Genossenschaftsbanken in Deutschland.
Gebühren werden erhöht
Ähnlich wie ihr geht es vielen Geldinstituten: Sie suchen nach Wegen, mit den niedrigen Zinsen fertig zu werden. Sie schaffen kostenlose Girokonten ab oder erhöhen die Gebühren für Kontoführung und Kreditkarten, wie zuletzt im Landkreis Miesbach die Kreissparkasse. Dort greift man den Kunden ab 1. September bei den Gebühren für das Giro-Konto tiefer in die Taschen.
Hier wie dort ächzt die Branche unter der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt, die selbst 0,4 Prozent Negativzins verlangt, wenn Banken überschüssige Einlagen über Nacht bei ihr parken.
Die Konsequenz: Kunden verlagern ihr Geld
Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), dem die 269 Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat angehören, äußert Verständnis für den Tabubruch in Gmund. “Der extreme geldpolitische Kurs der EZB verursacht bei allen Banken erhebliche Kosten”, sagte ein Sprecher. Auf Dauer könnten die Banken das nicht selbst tragen, sie suchten nach Auswegen.
“Dazu kann es in letzter Konsequenz auch gehören, einen Auslagenersatz für Einlagen ins Auge zu fassen.” Der GVB kenne aber keine Bank mit solchen Plänen. Auch ein Sprecher des Sparkassen-Verbandes DSGV sagte, ihm sei unter den 408 Sparkassen keine bekannt, die eine Verwahrgebühr von Privatkunden verlange.
Bank in Gmund als Vorreiter
Doch offenbar zeigt die Hiobsbotschaft in Gmund schon Wirkung. “Ein Teil der Kunden, die wir informiert haben, hat sich für alternative Anlagen entschieden, andere haben ihr Geld zu anderen Banken verlagert“, so Paul. Eine Ausweitung auf weniger wohlhabende Kunden sei nicht geplant.
Doch die Alternativen für größere Bankguthaben werden immer geringer. Selbst eine Direkt-Bank, wie die Royal Bank of Scotland, hat für ihre 1,3 Millionen Kunden bereits Strafzinsen angekündigt. Finanzexperten gehen davon aus, dass die Genossenschaftsbank Gmund hier nur der Vorreiter unter den Volksbanken sei. Weitere würden folgen.
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