Kruschwitz geht, Pfeiler kommt

Eine Ära geht zu Ende. Der langjährige Chef des Tegernseer E-Werks, Dr. Norbert Kruschwitz, geht Ende September in den Ruhestand und übergibt sein Amt an den bisherigen kaufmännischen Leiter Manfred Pfeiler. Wir führten ein letztes Gespräch mit dem 69-Jährigen.

Der alte und der neue Direktor des Tegernseer E-Werks: Dr. Norbert Kruschwitz und Manfred Pfeiler. In der Mitte: E-Werk Gründer Carl Miller.
Der alte und der neue Direktor des Tegernseer E-Werks: Dr. Norbert Kruschwitz und Manfred Pfeiler. In der Mitte: E-Werk Gründer Carl Miller.

Tegernseer Stimme: Herr Dr. Kruschwitz, mit 69 Jahren hören Sie als Direktor des E-Werks auf, weil Sie in den Ruhestand gehen. Oder haben Sie wirklich die „Schnauze voll“, wie Sie spaßeshalber sagten?

Dr. Norbert Kruschwitz (lacht): Natürlich nicht, aber es ist an der Zeit, die Aufgaben in jüngere Hände zu legen.

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Worauf sind Sie in Ihrer über 20-jährigen Amtszeit besonders stolz?

Kruschwitz: Auf die erfolgreiche Entwicklung des E-Werks und der angeschlossenen Betriebe. Und besonders auf meine tüchtige Mannschaft. Dann natürlich auf unseren Mut – wir waren zum Zeitpunkt der Liberalisierung des Strommarktes die ersten, die diese Möglichkeiten nutzten. Wir konnten seinerzeit so günstig einkaufen, dass wir geraume Zeit die preiswertesten Stromanbieter in Deutschland waren.

Welche Aufgaben haben Ihnen dabei besonders Spaß gemacht?

Kruschwitz: Reizvoll waren die äußerst unterschiedlichen Tätigkeiten. Von der Stromerzeugung, über den Handel und Netzausbau bis hin zum Erdgas-Ausbau. Mir hat die Vielfältigkeit der Aufgabe Spaß gemacht. Unter anderem die Beteiligung an der Tegernsee-Bahn, der Bau der Seesauna sowie der Umbau des alten Hallenbads in ein Sport- und Gesundheitszentrum.

Gehörte es auch zu Ihren Aufgaben, für die immer gleiche Menge Strom zu sorgen?

Kruschwitz: Nein. Die Stromzuführung läuft nach Bedarf über entsprechende Verträge.

Wie hat sich das E-Werk in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Kruschwitz: Recht gut, glaube ich. Das E-Werk war ein problematisches Unternehmen und hatte nur geringes Ansehen in der Öffentlichkeit. Personell und organisatorisch war es ungünstig aufgestellt. Mein Vorgänger hatte bereits mit der Sanierung begonnen als ich das Amt des Direktors übernahm. Ich stieß also damals bei der Weiterführung der Sanierung auf weniger Widerstand, da ich versuchte, diese so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.

Wie war es denn früher?

Kruschwitz: Aus Sicht der benachbarten Stadtwerke war das E-Werk damals eine „Beschäftigungsgesellschaft“. Es waren überproportional viele Leute beschäftigt, insbesondere in der Technik. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich das Ansehen des E-Werks gewandelt. Als ich 1996 nach Tegernsee kam, begann gerade die Liberalisierung auf dem Strommarkt. Meine größte Aufgabe war es, die Kosten zu senken und aus dem einst ertragsschwachen Monopol-Unternehmen ein wettbewerbsfähiges zu machen, um die vernachlässigten Reinvestitionen und künftige Investitionen stemmen zu können.

Konnten Sie immer so agieren wie Sie wollten?

Kruschwitz: Ich hatte ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Aufsichtsorganen, den jeweiligen Bürgermeistern und dem Stadtrat. Ein solches Hand-in-Hand-Arbeiten über einen derartig langen Zeitraum ist keine Selbstverständlichkeit. Diese enge Zusammenarbeit hat es mir ermöglicht, aufgabengerecht zu gestalten. Ansonsten wären die Erfolge nicht möglich gewesen. Bemerkenswert war auch nach anfänglichen Reibungen ein Wechsel in der Betriebsratsführung. Fortan war man stets auf Interessensausgleich bedacht.

Welche Vorhaben konnten Sie nicht umsetzen?

Kruschwitz: Aus einigen Kreisen kam der Vorwurf, wir hätten mehr auf erneuerbare Energien setzen können. Aber das ist hier im Tal sehr schwierig. Windkraft ist ein Ausschlußgebiet bis zur Kreuzstraße. Photovoltaik ist in den Bergen nur bedingt effektiv. Eine Biogas-Anlage haben wir geprüft, aber aus logistischen und wirtschaftlichen Gründen wäre eine Umsetzung unter den hier herrschenden Rahmenbedingungen nicht möglich gewesen. Unsere Stärke sind die beiden Wasserkraftanlagen, die wir auf den neuesten Stand der Technik gebracht haben.

Ist der Strommarkt härter geworden oder mussten Sie sich um Ihre Kunden nie Gedanken machen?

Kruschwitz: Auf alle Fälle. Weil jeder überall hinliefern darf. Hier im Tal haben wir noch das Phänomen, dass Bürger und Haushaltskunden eine hohe Verbundenheit zu ihrem örtlichen Energieversorger haben. Auch die örtlichen Unternehmen sind in hohem Maße loyal gegenüber dem E-Werk. Nur einige überörtliche Einrichtungen, die über keine Bindungen ins Tal verfügen, gehen bisweilen andere energiewirtschaftliche Wege.

Stichwort Nord-Süd-Trasse. Wie stehen Sie dazu?

Kruschwitz: Für die Abschaffung der Atomkraftwerke brauche ich eine Alternative. Solarstrom ist eine unzuverlässige Größe. Die Solarfelder in der Eifel beispielsweise brechen zusammen, wenn sich die Wolken vor die Sonne schieben. Nur Windkraft ist berechenbarer. Trotzdem bin ich nicht glücklich darüber, von Norddeutschland abhängig zu sein. Bayern war auch deshalb so erfolgreich, weil es weitestgehend autark mit seinem Energiemix aus Wasserkraft, Kohle und Kernkraft war.

Hat Deutschland ein Problem, wenn die Trasse nicht kommt?

Kruschwitz: Ich habe keine Glaskugel – das müssen Sie die für Energie zuständigen Wirtschaftsminister fragen. Ich war nur für das Tegernseer Tal zuständig.

Im Abschluss-Gespräch mit der Tegernseer Stimme: Dr. Norbert Kruschwitz.
Im Abschluss-Gespräch mit der Tegernseer Stimme: Dr. Norbert Kruschwitz.

Könnte sich denn das Tegernseer Tal autark versorgen?

Kruschwitz: Nein, gewiss nicht.

Welche Alternative gäbe es?

Kruschwitz: Eventuell eine Kompensation mit tschechischen und französischen Kraftwerken. Auch Österreich spielt derzeit schon eine wichtige Rolle.

Wie hätte Ihrer Meinung nach die Energiewende aussehen sollen?

Kruschwitz: Ich bin kein Gegner der Energiewende. Mir wäre nur ein schrittweises Vorgehen sympathischer gewesen als ein überhastetes.

Ihr Vorschlag?

Kruschwitz: Schauen Sie mal. Deutschland ist ein Fliegenschiss auf der Weltkarte. Wir haben einen lächerlich geringen Einfluss auf das ökologische Gesamtgeschehen. Außerdem werde ich einen Teufel tun, Ratschläge zu erteilen. Ich fühle mich in meiner Tal-Nische sehr wohl.

Was sagen Sie zum Strom-Lobbyismus?

Kruschwitz: Wie bitte? Die vier großen Konzerne haben wegen des Vorranges der erneuerbaren Energien mit der Stromerzeugung größte Schwierigkeiten. Dadurch stecken sie in einem Dilemma.

Wo wird der Strompreis ihrer Meinung nach in zehn Jahren sein?

Kruschwitz: Als ich letztens eine Privatreise in die USA unternahm, fragte mich ein dunkelhäutiger Zollbeamter: „What`s your profession?“ „Energy“, antwortete ich. Daraufhin er: „How about the prices?“ „They`ll go up.” Ich denke die Richtung ist klar.

Haben Sie eine Vision für den Energiesektor?

Kruschwitz: Ich halte es da ganz mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“

Auf welche zukünftigen Aufgaben freuen Sie sich in ihrem Ruhestand?

Kruschwitz: Auf`s dolce far niente – süßes Nichtstun. Ich werde von meiner Terrasse aus im Mühlbach fischen. Und jagern.

Und was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

Kruschwitz: Eigentlich sind es ja zwei. Unser kaufmännischer Leiter Manfred Pfeiler ist seit 16 Jahren im E-Werk. Er ist mit den Aufgaben bestens vertraut. Seitens der Bundesregierung werden neue ordnungspolitische Rahmenbedingungen auf dem Energiemarkt geschaffen. Dieser verändert sich von einem marktwirtschaftlichen in einen zunehmend administrativen. Weg von der Marktwirtschaft – hin zu mehr Gesetzen und Verordnungen. Für diese sich abzuzeichnenden Aufgaben wird der bisherige Technische Leiter, Frank Thinnes, als Stellvertreter von Herrn Pfeiler mit ins Boot geholt. Die beiden sind zur Erfüllung dieser Aufgaben besser geeignet als das „derzeitige Auslaufmodell“.

Eine Frage zum Schluss. Ganz ehrlich – wie hat Ihnen das Tegernseer Spezial mit meinem Kollegen Benno Kirschenhofer geschmeckt?

Kruschwitz: (lächelt) Das Tegernseer Spezial schmeckt mir grundsätzlich hervorragend, wobei ich aber bekennender Anhänger des Tegernseer Hellen bin.

Last but not least:
Der Tegernseer Stadtrat verabschiedet Dr. Norbert Kruschwitz bei einer Feierstunde für geladene Gäste am 29. September.

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