„Ich glaube an die Macht des Bösen“

Einer der bekanntesten Teufelsaustreiber Italiens, Gabriele Amorth, starb kürzlich im Alter von 91 Jahren. Der Exorzist sah in Satan das personifizierte Böse. Tegernsees Dekan Walter Waldschütz hat seine eigene Theorie dazu und erklärt, warum Teufelsaustreibungen auch heute noch existieren.

Tegernsees Pfarrer Walter Waldschütz spricht über Exorzismus.
Tegernsees Dekan Walter Waldschütz spricht über Exorzismus.

Er hält ein Kreuz in der Hand, spricht ein Gebet und zitiert biblische Psalmen. Vor ihm bäumt sich ein ans Bett gefesselter Körper auf. Jeder Tropfen Weihwasser, den der Priester zusammen mit seinen Worten auf den angeketteten Leib sprengt, erzeugt lautes Geschrei. Das Gesicht des Getroffenen ist wutverzerrt, hasserfüllt – vor Schmerz und vom Teufel entstellt. Solche Bilder von Ausstreibungsszenen aus Filmen wie „Der Exorzist“ oder „Rosemary`s Baby“ schießen uns in den Kopf, wenn wir an Exorzismus denken.

Wenn Menschen glauben, dass sie vom Bösen besessen sind – so wie der jüngste Fall in Frankfurt zeigt – gehen sie entweder in die Psychatrie, zu Ärzten oder in die Kirche. Sie suchen Hilfe bei Seelsorgern, Priestern oder Pastoren. Einer von ihnen ist der 64-jährige Pfarrer Walter Waldschütz. Er sagt:

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Zu mir kommen viele Menschen, die davon überzeugt sind, man müsse sie vom Bösen befreien. Aber eine Teufelsaustreibung habe ich noch nie gemacht und würde sie auch nie machen.

Seit sechs Jahren ist Waldschütz im katholischen Pfarramt in Tegernsee tätig. Davor arbeitete er 23 Jahre lang in Holzkirchen. 20 Jahre war er Leiter der Notfallseelsorge. Er selbst ist ausgebildeter geistlicher Begleiter, hatte viel mit psychisch kranken Menschen zu tun und musste einige Selbstmorde miterleben. Nicht selten kommen Menschen zu ihm in die Kirche, die vom Bösen befreit werden wollen. Im Beichtstuhl packen sie ihre Dämonen aus. Für Waldschütz der richtige Weg:

Das Böse soll man nicht fürchten, sondern anspringen.

Dennoch habe er im Alter von 18 Jahren miterlebt, wie Menschen reagierten, die man von Besessenheit befreite, sagt er. Es sei nicht so wie im Film, nichtsdestotrotz hätten die Menschen geschrien und sich geschüttelt – bis die Attacke abrupt endete. Dann sei der Spuk auch schon vorbei gewesen. Ursache von Besessenheit sei oft ein übertriebener Egoismus, eine Art Wahnvorstellung, sagt er. Mit einer guten religiösen Begleitung lerne man jedoch, davon abzulassen. Noch bis in die 70er Jahre hinein durften alle kirchlichen Glaubensvertreter den Exorzismus praktizieren.

Exorzismus nur mit Erlaubnis des Bischofs

Bis der Tod der deutschen Studentin Anneliese Michel in Würzburg – auch bekannt als „Exorzismus von Klingenberg“ – Anfang Juli 1976 Aufsehen erregte: Insgesamt 67 exorzistische Sitzungen führte man an Michel durch, um sie von ihren Dämonen zu befreien. Wegen fahrlässiger Tötung wurden sowohl die Eltern als auch die Exorzisten zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Seither ist es den Pfarrern nur mit Erlaubnis des Bischofs gestattet, eine Teufelsaustreibung vorzunehmen. Eine Genehmigung bekommt man als Priester nur mit entsprechender psychologischer Ausbildung. Der Teufel oder im Griechischen auch Diabolos genannt, bedeutet soviel wie „Der Durcheinanderwirbler“. Dagegen klingt der bayerische Begriff „Hörndlseppi“ relativ harmlos. Nur leider ist bei Hörndlseppis überhaupt nichts mehr harmlos und stimmig, denn bei solchen Menschen sei das Böse stärker als das Gute, davon ist Waldschütz überzeugt.

Wie führt man Teufelsaustreibung durch?

Vor einer Teufelsaustreibung müsse man zunächst prüfen, ob überhaupt eine Besessenheit vorliegt oder ob es sich nicht vielmehr eine psychische Erkrankung sei, erklärt der 64-Jährige. Hier eine klare Unterscheidung zu treffen, sei oft nicht möglich: „Auch Posttraumatische Belastungen lösen in einem Wahnvorstellungen aus, die so weit führen, dass man in Anderen nur das Böse sieht“, so der Tegernseer. An die Existenz und Macht des Bösen glaubt Waldschütz dennoch:

Es geschehen schlimme Dinge in der Welt: Ältere Menschen werden wegen fünf Euro getötet, Kinder missbraucht. Die Terrororganisation Islamischer Staat vernichtet Traditionen und meint, durch Töten die Welt zu retten…

Doch Exorzismus könne auch einen psychisch Kranken heilen, davon ist Waldschütz überzeugt. Die Bereitschaft, Anderen mit Geduld und Verständnis zu begegnen sei der Weg zur Heilung, sagt er, denn je mehr die Menschen ihren Glauben verloren, desto mehr kam der Aberglaube.

Ablauf einer Teufelaustreibung

Eine Teufelsaustreibung beginne immer mit dem Eröffnungsgebet, erklärt der 64-Jährige, danach folge die „Anstürmung“, die direkte Ansprache des Dämonen, wie beispielsweise: „Weiche, Satan, weiche!“ Es existiere eine Exorzismus-Formel in deutscher und lateinischer Sprache, die dafür geeignet sei.

exorzismus-gebet

Der Exorzismus hat seine Wurzeln bereits in der Alten Kirche. Schon der Täufling wurde von der Macht des Bösen befreit. Auch heute noch spricht der Zelebrant bei der Taufe ein Exorzismus-Gebet. Gut und Böse – beides vereine der Mensch in sich, meint Waldschütz. Zum Bösen hat er seine eigene Theorie:

In der katholischen Kirche sagt man, jeder kommt mit Erbsünden auf die Erde. Ich glaube, „mit der Fähigkeit“ zur Erbsünde. Das Böse kann man nicht vernichten, man kann es nur veredeln, das heißt annehmen und durch das Gute in den Hintergrund drängen.

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