Wie viel Transparenz wollen Bürger?

Mehr Transparenz forderte die SPD-Fraktion in Bad Wiessee im vergangenen Jahr. Die Idee: Gemeinderatssitzungen live im Internet übertragen zu lassen. Doch sind Datenschutz und Kosten wirklich der Grund für Wiessees bislang abwehrende Haltung?

Gemeinderatssitzungen per Kamera ins heimische Wohnzimmer übertragen - im Tegernseer Tal sind dafür Überlegungen da, sie scheitern aber an der Umsetzung.
Gemeinderatssitzungen per Kamera ins heimische Wohnzimmer übertragen – der gute Wille ist da, die Umsetzung fehlt.

„Politische Entscheidungen müssen für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein“, schrieb der SPD-Ortsvorsitzende Robert Kühn im letzten Jahr an Wiessees Bürgermeister Peter Höß (Wiesseer Block). Unter Bürgernähe verstehe er, öffentliche Sitzungen möglichst zeitnah transparent zu machen. Aus diesem Grund stellte der Wiesseer SPD-Ortsverband im Oktober 2015 den Antrag, Gemeinderatssitzungen live ins Internet zu übertragen.

Bislang blieb der Versuch erfolglos. Auf Nachfrage bei Wiessees Bürgermeister Peter Höß, ob das Thema weiterverfolgt werde, antwortet dieser:

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Momentan nicht. Wir haben wichtigere Dinge zu tun. Außerdem steht der Nutzen einfach in keinem Verhältnis zu den Kosten. Wir müssen schauen, für was wir unser Geld ausgeben.

Und ob die Bürger diese Art von Nähe wünschen, sei ohnehin fraglich bei der „Handvoll Leute“, die an den Gemeinderatssitzungen teilnehmen, fügt er hinzu. Der SPD-Ortsvorsitzende Robert Kühn hat zwar Verständis dafür, dass das Thema zur Zeit nicht auf der Prioritätenliste ganz oben stehe, sagt aber auch:

Wenn man das Thema vor Jahren angepackt hätte, wäre man jetzt schon einen Schritt weiter.

Immer wieder habe die SPD-Fraktion das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Nun sei seiner Meinung nach die Gemeinde in der Pflicht, die versprochen habe, die rechtliche Komponente unter die Lupe zu nehmen und Experten zu Rate zu ziehen. Doch genau an diesem Punkt könnte die Umsetzung scheitern.

Denn eine Übertragung öffentlicher Gemeinderatssitzungen ins Internet ist nämlich nur dann möglich, wenn alle betroffenen Personen freiwillig und schriftlich dem Live-Stream zustimmen. Weder Gemeinderatsmitglieder, Verwaltungsmitarbeiter noch Zuschauer dürfen nämlich aus datenschutzrechtlichen Gründen unerlaubt aufgenommen werden. Ein Umstand, der in der Praxis hinderlich sein kann.

Das sieht Waakirchens Geschäftsleiter Franz Schweiger ähnlich. Auch hier wurde das Thema bereits diskutiert, und auch hier ist man der Meinung, dass eine Umsetzung aus rechtlichen und praktischen Gründen schwierig sei, obwohl man der Idee grundsätzlich offen gegenüberstehe. Man stelle sich ein Gemeinderatsmitglied mit Mikrofon und Kamera auf sich gerichtet vor, sagt Schweiger und fügt hinzu:

Die Diskussionen und Handlungen wären nicht mehr so wie sie sein sollten. Eine Live-Übertragung ist also nicht das richtige Instrument.

Der Bürger habe andere Möglichkeiten, die Entscheidungen der Gemeinde zu verfolgen, ist Schweiger der Meinung. Jeder könne die öffentlichen Sitzungen sowie verschiedene Fraktionssitzungen besuchen und sich im Gemeindeblatt informieren. Allerdings räumt er ein, dass der Bürger diesen zusätzlichen Service bestimmt nutzen würde, wenn er ihm zur Verfügung stünde und er dadurch keinen Nachteil hätte.

Pfaffenhofen macht`s möglich

Dass eine Live-Übertragung kostengünstig und datenschutzrechtlich funktionieren kann, zeigt das Beispiel der oberbayerischen Stadt Pfaffenhofen an der Ilm. Seit 2013 werden dort Stadtratssitzungen live übertragen. Wie der Teamleiter für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Marzellus Weinmann berichtet, gab es anfangs auch in Pfaffenhofen Diskussionen über eine mögliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch das Filmen.

Irgendwann habe der Transparenzgedanke sich aber über alle Fraktionen hinweggesetzt und man habe einer Live-Übertragung zugestimmt, erzählt Weinmann. Mit bis zu 700 Live-Zuschauern der 25.226 einwohnerstarken Stadt habe sich das Projekt bisher erfolgreich bewährt, sagt er. Aus dem Bürgerinformationsarchiv in Pfaffenhofen sei es nicht mehr wegzudenken. Wer Interesse hat, kann sich die nächste Stadtratssitzung live im Internet anschauen.

Um Kosten zu sparen, sei man in Pfaffenhofen hergegangen und habe die Medienfirma PN Medien GmbH engagiert. Anstatt den Sitzungsraum mit moderner Technik auszustatten, übernimmt die Firma das Filmen und stellt jede öffentliche Sitzung sofort ins Netz.

Die Firma stellt nicht nur die Geräte zur Verfügung, sondern auch das Know-How, indem sie die Daten gleich auf dem Server bereitstellt. Das kostet uns weniger, als wenn wir den Sitzungsraum mit der nötigen Technik ausgestattet hätten.

Eine Lösung, die man auch anderen Gemeinden vorstellen würde, die Interesse zeigen, sagt Weinmann. Neue Wege gehen, für mehr öffentliches Interesse und Transparenz an der kommunalen Politik – ein Ziel, das man im Hinterkopf behalten sollte. Nicht hinter verschlossenen Türen.

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