Gib Gummi, Kathrin!

Ihr Alter: 29. Ihre Berufung: Autos. Ihre Power: grenzenlos. KFZ-Meisterin Kathrin Hösl aus Hausham behauptet sich in einer Männerdomäne. Wir sind zu ihr vorgeprescht, weil sie ihre Jungs und die Schlappen im Griff hat.

Reifen und Autos sind ihre Welt: Kathrin Hösl in ihrem Betrieb Reifen Hösl in Rottach-Egern.
Reifen und Autos sind ihre Welt: Kathrin Hösl von Reifen Hösl in Rottach-Egern.

„Starke Frauen sind von unerbittlicher Konsequenz“, behauptete einmal der deutsche Schriftsteller Heinrich Laube. Man könnte auch sagen, sie beißen sich fest. So wie die 29-jährige KFZ-Meisterin Kathrin Hösl aus Hausham. Seit Juli 2014 arbeitet die quirlige Blonde als Betriebsleiterin im Reifengeschäft Hösl in Rottach-Egern bei ihren Eltern. Sie war 27, als sie ihrem Vater Walter (70) ihren Entschluss mitteilte, den Betrieb einmal übernehmen zu wollen.

Damals ging sie davon aus, der Papa würde nach einem Jahr in Rente gehen. Aber inzwischen ist sie froh, dass er doch noch mit dabei ist:

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Ich dachte, das schaff` ich locker allein, aber ich brauche ihn auf jeden Fall im Büro.

4.000 Räder – Reifen mit Felgen – lagern in dem Betrieb. Räder, die die KFZ-Meisterin jeden Tag wuchten muss. Ungefähr acht Kilogramm wiegen die kleinen, zwischen zehn und fünfzehn Kilogramm die großen Räder.

Die 20-Zoll-Reifen sowie die Reifen für Sport- und Geländewagen (SUV – Sport Utility Vehicle) haben teilweise sogar ein Gewicht von 20 Kilogramm. Die Räder zu heben kostet Schweiß.

Aber zum Glück versetzt jeder Tropfen weiblicher Anstrengung die männlichen Mitarbeiter instinktiv in einen Zustand des Tatendrangs. Egal, welche Dinge gerade wichtig waren – die Gründung einer Ein-Mann-Hilfsorganisation hat plötzlich Priorität für die Herren der Schöpfung. Von soviel Engagement profitiert Kathrin Hösl:

Natürlich lasse ich mir auch helfen. Mit der Zeit habe ich gelernt, mir auch helfen zu lassen. Weil es doch leichter geht.

Nichtsdestotrotz merkt sie nach eigener Aussage am Ende des Tages – und vor allem zum Ende der Saison hin, was sie geleistet hat. Andere Reifengeschäfte holen sich ihre Reifen entweder direkt bei ihr oder von anderen Händlern. Nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal des Betriebs. Im nächsten Jahr will Walter Hösl das Geschäft an seine Tochter übergeben:

Kathrin wird 30 Jahre alt und ich 70. Wir feiern also eigentlich 100 Jahre Reifen Hösl.

Dann ist Kathrin Hösl hier im Umkreis eine der wenigen Frauen in dieser Branche. Dass sie sich behaupten kann, hat sie bei den Männern, die für sie arbeiten, längst bewiesen.

Mit meisterlicher Hand und Geduld erklärt sie ihren Mitarbeitern täglich, was zu tun ist. Ihr Team besteht aus einem KFZ-Meister und einem KFZ-Elektriker aus Polen sowie einem Reifenmonteur aus Afghanistan. Alle drei hat sie fest angestellt.

Kathrin Hösl im Gespräch mit der TS.
Kathrin Hösl im Gespräch mit der TS.

Frauen und Autos. Seit Männergedenken unvereinbar. Vorurteile wie „Frauen haben für die Technik des Autos keine Antenne“, „Frauen nutzen den Rückspiegel nur als Schminkspiegel“ und „Frauen können nicht einparken“ haben sich in den Köpfen des männlichen Geschlechts eingebrannt. Umso verblüffter reagieren sie heute, wenn man ihnen das Gegenteil beweist und mit einem unerwarteten Fachwissen auffährt.

Eine Frau setzt sich durch

So wie Kathrin Hösl. Die junge Unternehmerin kennt sich aus. Sie weiß, wovon sie spricht, wenn sie ihre Kunden auf Fehlerquellen an deren Autos hinweist. Ihr Fachwissen ist ein Grund dafür, dass man sie ernst nimmt. Sie sagt:

Ich glaube, ich werde akzeptiert, weil ich zum einen selbstsicher auftrete und andererseits ganz normal mit meinen Mitarbeitern umgehe. Da es manchmal an der Verständigung hapert, hole ich meine Fachbücher und zeige ihnen Bilder. So wissen sie, was ich meine und verstehen die Hintergründe besser.

Und wer ihre Anweisungen nicht versteht, ungenau arbeitet und ihre lockere Art falsch deutet, der findet sich dann in ihrem Büro wieder. So kann es durchaus vorkommen, dass der eine oder andere ab und zu fachgerecht zurechtgewiesen wird und den Raum gesenkten Hauptes wieder verlässt, wie ihre Mutter ihre Führungsqualitäten zu beschreiben weiß. Kathrin Hösl lacht:

Ich sage ihnen eben, dass sie verantwortlich sind für ihre Sachen und dass sie lernen müssen, aufeinander zu schauen.

In ihrem Inneren dröhnt unermüdlich der Sound eines V8-Motors, der nur darauf wartet, sein Ziel zu erreichen. Schon als Kind hat die 29-Jährige in Papas Werkstatt ihre Räder gewechselt und Seifenkisten gebaut. Und noch heute steht im Keller ein volles Regal mit Werkzeug, das Kathrin Hösl für die Reparatur ihres alten VW-Busses benötigt.

Kathrin Hösl mit knapp 20 Jahren.
Früh übt sich: Kathrin Hösl mit knapp 20 Jahren.

In ihrer Ausbildung bei BMW in München – sie war übrigens nur eines von zwei Frauen bei insgesamt dreißig jungen Männern – habe man viel von ihr gefordert, sagt sie. Und sie leistet auch in ihrem Reifengeschäft viel. Zur Zeit ist Hochsaison, da gibt es eine Menge zu tun: Bestellungen annnehmen, Winterreifen wechseln, Angebote für Reparaturen machen, Rechnungen schreiben.

“Bis auf Verhüterli machen wir sämtliche Gummis”

Jeden Morgen sperrt Kathrin Hösl gegen sieben Uhr als erste die Tür auf, setzt sich an den Computer, richtet die Bestellungen her, organisiert den Tag und wartet schließlich auf ihre Jungs. Gegen sieben Uhr abends verlässt sie als letzte das Geschäft. Selbst samstags und sonntags steht sie ihre Frau und bereitet die Arbeiten vor, für die sie im Tagesgeschäft keine Zeit hat.

Da sich die Hauptsaison vorwiegend auf das Frühjahr und den Herbst konzentriert, kam der jungen Unternehmerin die Idee, als zusätzlichen Service Reparaturen anzubieten. Und sie hat durchgesetzt, dass der TÜV jetzt sogar zweimal in der Woche ins Haus kommt. Vater Walter ist stolz:

Sie hat mit ihren Ideen frischen Wind ins Geschäft gebracht. Außerdem kennt sie sich besser mit dem Internet aus als ich. Ich könnte mir keinen besseren Nachfolger vorstellen.

Die Sicherheit des Kunden hat in dem Familienbetrieb Priorität. Ob es nun Mütter sind, deren Kinderwagen kaputte Reifen haben oder Stammkunden, deren Autos neue Schlappen brauchen. Auf humorvolle Art und Weise zeigt der Werbe-Schlüsselanhänger der Firma inklusive Kondom, worauf es dem Familienbetrieb ankommt:

Ihre Sicherheit ist unser Job.

Kathrin Hösl hat sich vorgenommen, den Betrieb zu erweitern. Sie will ihre Werkstatt um zwei weitere Hebebühnen ergänzen, sagt sie. Rauchend steht die junge Frau vor ihrem Reifen-Geschäft. Jeder Zug ihrer Feierabend-Zigarette gleicht der Funktion eines Viertaktmotors: Er wird angesaugt, verdichtet und schwupps – in Arbeit umgesetzt.

Eine Pause will sie sich erst gönnen, wenn es ruhiger wird. Dann plane sie auch, wieder zu joggen. Eine Frau, deren Optimismus und Lebensfreude der Antrieb für ihren Weg ist:

Wenn man ein Ziel hat, an etwas glaubt, dann kann man es schaffen.

Das Team (von links): Mama Christa Hösl, Kathrin Hösl, aus Afghanistan und Papa Walter Hösl.
Das Team (von links):
Mama Christa Hösl, Kathrin Hösl, Reifenmonteur Rajab Ali Sakhidad aus Afghanistan und Papa Walter Hösl. (Der KFZ-Meister und der KFZ-Elektriker fehlen im Bild).

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