Vergangene Woche wurde der Gemeinderat von der Nachricht überrascht, dass der Abriss des betagten Jodbades aus „Naturschutzgründen“ um mindestens ein dreiviertel Jahr verschoben wird. Wie berichtet, verkündete Florian Kamelger, Geschäftsführer der Sports Medicine Excellence Group (SME) als Investor des Gesundheitshotels, den Rückbau des Jodbad-Komplexes von Januar auf Oktober nächsten Jahres zu verschieben.
Wer geglaubt hatte, diese Meldung würde viele Wiesseer elektrisieren und motiviert, Informationen aus berufenem Mund zu hören, sah sich am Montagabend getäuscht. Obwohl der SPD-Ortsverein mit drei Gemeinderäten zu einem Bürgerforum geladen hatte, waren die Teilnehmer an zwei Händen abzuzählen.
Mehr Zuspruch hatte an diesem Abend der Haus- und Grundbesitzerverein Tegernsee mit seiner Jahreshauptversammlung im Postsaal und etwa 70 Besuchern. Während es dort um „das richtige Ausfüllen von Mietvertragsformularen“ ging, brannte die Themenstellung der Genossen den Talbewohnern offenbar nicht so auf den Nägeln.
Denn für viele ist unstrittig, dass „das Jodbad für Wiessee unverzichtbar ist“, wie der SPD-Ortsvorsitzende Robert Kühn zur Begrüßung im Resistüberl erklärte. „Das Jodbad war immer eine emotionale Diskussion“. Davon war beim Bürgerforum wenig zu spüren.
“Die Quellen sind das Herz des Ortes”
Womöglich lag es an der langen Geschichte des Jodschwefelbades, die vom Gemeinderat Bernd Kuntze-Fechner in jedem Detail aufgedröselt wurde, von der Blüte bis zum Verfall des Gebäudes. Schon 2002 sei im Gemeinderat das Ende des Jodbades diskutiert worden, doch letztlich kaufte Wiessee 2011 das über 10.000 Quadratmeter große Areal von den Holländern. Weil „die Quellen das Herz des Ortes sind“, so Kuntze-Fechner.
Nun soll dies im neuen „kleinen aber feinen“ Badehaus weiter schlagen, das vom Mailänder Architekten Matteo Thun konzipiert wurde. Hier hakte dann auch der anwesende ranBW-Sprecher Rolf Neresheimer nach und das Bürgerforum wurde so zur Ersatzbühne für den Gemeinderat:
Wir haben in dem neuen Bad nicht mehr die ganze Infrastruktur und werden nur noch ein kleines Segment von Leistungen und Bädern mit den Krankenkassen abrechnen können.
„Thuns Konzept ist stimmig“, entgegnete Kuntze-Fechner, „aber wir werden kein Kassenbad. Lass uns nicht die Uhr zurückdrehen, sondern nach vorne schauen“. Klaudia Martini betonte: „Der Auftrag der Gemeinde an die Planer war, dass die Bäder, die im neuen Badehaus verabreicht werden, von den Kassen bezuschusst werden müssen“.
Matteo Thun sei ein Architekt für das Auge. Ob er denn die Befähigung habe, wie man ein medizinisches Zentrum errichte, wollte ein Zuhörer wissen. „Matteo Thun hat in Mailand ein Architekturbüro mit 50 Planern“, entgegnete Vize-Bürgermeister Robert Huber. In diesem „Imperium“ seien Spezialisten für solche Aufgaben. Die letzten „Leistungsstufen“ würden ohnehin von „ortsnahen“ Planern übernommen werden, so Kuntze-Fechner.
Den Ort nicht „schlechtreden“
Auch die Entwicklung Wiessees kam zur Sprache. „Unser Angebot für den Kurgast ist nicht so prickelnd“, kritisierte Neresheimer. Für Martini war dies Anlass für einen Appell an diesem Abend. Sie warnte davor, den Ort schlechtzureden, denn die Gemeinde drehe gerade bei verschiedenen Projekten „an richtig großen Rädern“. „Wenn man nichts tut, macht man Fehler und wenn man was tut, auch“, so Martinis Credo.
Bad Wiessee habe sich in vielerlei Hinsicht auf den Weg gemacht, so Huber. „Andere Gemeinden würden sich die Finger abschlecken über die Projekte, die wir gerade auf den Weg bringen“. Auch der Gemeinderat würde sich wünschen, dass manches Vorhaben schneller umgesetzt werde. „Doch diejenigen, die das Geld haben, geben das Tempo vor. Aber jetzt passiert was, jetzt sind wir in der Spur“, engagierte sich Huber, „auch wenn wir Drei von der SPD die Richtfeste als Gemeinderäte vielleicht gar nicht mehr erleben“.
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