Bislang waren im Rottacher Rathaus die Kriterien für ein Bauvorhaben meist nur, was oberhalb der Grundmauern geschieht: Passt die Dachneigung, die Höhe des Hauses, der Abstand zum Nachbarn, die Fassadengestaltung und – sind genügend Stellplätze vorhanden?
Doch seit Mittwochnachmittag macht sich parteiübergreifend deutlicher Unmut breit, was in den Untergrund geklotzt werden soll und vor allem, was bereits genehmigt wurde: flächendeckend wasserdichte Tiefgaragen, die das Grundwasser verdrängen und anderswo zu Überschwemmungen führen können.
„Das Wasser muss doch irgendwo hin“, hinterfragte Florian Baier (CSU) einige Planungen, die dem Rottacher Ortsplanungsausschuss vorlagen. Parteifreund Josef Kaiser erachtete die Thematik ebenfalls als besorgniserregend:
Wo führt das hin? Wir müssen dem Einhalt gebieten.
Obwohl Vize-Bürgermeister Josef Lang (CSU) keine „Grundsatzdiskussion“ wollte, kam sie doch auf. Immer mehr Ausschussräten schwante, dass sie sich bereits in einer „Quadratur des Kreises“ befinden, so Lang. Die Autos müssen und sollen auf den dicht bebauten Seegrundstücken in den Tiefgaragen verschwinden, „damit sie die Landschaft nicht verschandeln“, erklärte Lang.
Beispiele dafür, bei denen der Ausschuss zunächst keine Bedenken hatte, seien massive Tiefgaragen „unmittelbar im Überschwemmungsgebiet an der Seepromenade“, so Bauamtsleiterin Christine Obermüller im September zu einem Mehrfamilienhaus in der Forellenstraße.
Der „Wahnsinn“ am Ufer
Unweit von dem Mehrfamilienhaus in der Forellenstraße, scheiterte die Bebauung des 6.000 Quadratmeter großen Seegrundstücks in der Werinherstraße wegen des Baustils, der nicht in die Landschaft passe. Doch die Tiefgarage im Uferbereich mit 44 Stellplätzen samt Kellerräumen und zweigeschossigem Swimmingpool wurde im Oktober weniger kritisch gesehen.
Zwar äußerte Josef Appoltshauser (SPD) damals auch hier Bedenken gegen die „übermäßige unterirdische Bebauung“, die für ihn inakzeptabel sei, „da die Nachbargrundstücke bei einem Hochwasser dann noch mehr überflutet werden“. Und auch Bürgermeister Christian Köck (CSU) befand damals, „dass die Nachbarn plötzlich Wasser haben, wo sie bisher keines hatten“.
„Kasernen am See“
Doch letztlich scheiterte das Projekt mit zwei Einfamilien- und zwei Mehrfamilienhäusern, weil „der Baustil nicht hierher passt“. Aber die „W2 Verwaltungs GmbH“ als Bauherr gab nicht auf und legte gestern „Austauschpläne“ zur Fassadengestaltung vor. Zwar hätten die Fenster nun Sprossen, doch für Thomas Lamm (FWG) waren es nach wie vor „Kasernen am See. Das ist Wahnsinn. Für mich geht das gar nicht“.
Dem müsse man Einhalt gebieten, forderte Kaiser. „Hier entsteht eine Dichte, die mir nicht gefällt“, meinte auch Architekt Andreas Erlacher (FWG). Deshalb wurde das Vorhaben der Münchner Firma zunächst einstimmig zurückgestellt, bis geklärt ist, ob sowohl eine Veränderungssperre als auch die Aufstellung eines Bebauungsplans noch möglich sind.
Dieser Bannstrahl traf auch das Nachbargrundstück in der Werinherstraße 4 bis 10, auf dem ebenfalls eine massive Wohnbebauung mit drei Häusern am See geplant ist. Eigentümer Alfred Hurnaus will damit die Probe aufs Exempel machen, wie weit die Gemeinde bei der Verdichtung des Untergrunds im Uferbereich mitgehen würde.
Was der kann, kann ich auch…
Sein Argument: Was auf dem Nachbargrundstück im Tiefgeschoss bis an seine Grundstücksgrenze möglich sei, müsse die Gemeinde dann auch bei ihm genehmigen. Denn der Mündungsbereich der Weissach mache nicht an Grundstücksgrenzen halt.
Hurnaus befürchtet für die Tiefgaragen massive Grundwasserprobleme. Dennoch hält er an seinen drei Doppelhäusern mit gut 1.000 Quadratmetern Wohnfläche fest, schließlich habe ihm der Antrag auf Vorbescheid schon viel Geld gekostet. „Ich will sehen, was die Gemeinde dazu sagt“, erklärte Hurnaus gegenüber der Tegernseer Stimme. Doch ihm erging es nicht anders, als dem Bauantrag des Nachbargrundstücks: Wiedervorlage.
Ähnlich wurden auch zwei Bauvorhaben im Uferbereich der Rottach beschieden. Bei einem Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage am Kalkofen, das zwar laut Obermüller nicht im Überschwemmungsgebiet stehe, befürchtete Vize-Bürgermeister Lang dennoch Schlimmes:
Wenn hier die Rottach über die Ufer geht, dann können wir einpacken, wenn das Wasser durch die Tiefgarage steigt.
Ein Retentionsraum, in dem sich das Hochwasser ausbreiten könne, „ist dort nicht möglich“, stellte Fachmann Erlacher fest. Abgelehnt wurde der Vorbescheid aber nur, weil das Haus mit 6,60 Metern Wandhöhe zu hoch geraten sei.
Richtig im Überschwemmungsgebiet der Rottach dagegen steht das Vorhaben von Bernd und Roswita Pfatischer. Sie wollen ihr 30-Betten-Gästehaus in der Ludwig-Thoma-Straße abreißen und durch drei Mehrfamilienhäuser mit 19 Wohnungen und einer Tiefgarage ersetzen.
Auch hier müsste ein Retentionsraum geschaffen werden. Bei einer Ortsbesichtigung soll dies zunächst geklärt werden. Bis dahin wurde das Vorhaben einstimmig auf Eis gelegt. Womöglich zu spät macht sich in Rottach-Egern die Befürchtung breit, dass eine Verdichtung der Bebauung im Uferbereich zwar technisch möglich ist, sie aber das Ortsbild nachhaltig verändert.
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