Kein Landhaustanker in Wiessee

Der Hammer kam zum Jahresende: Den Ladenbesitzern des Hauses am Lindenplatz 9 gekündigt. Mundschenk, Filzladen und der Dönerladen verschwinden. Eine Wohnwabe soll her. Ein Bauantrag für das ehemalige Haus Ursula vorgelegt. Ein echter Brocken, fanden die Wiesseer Gemeinderäte und reagierten – einmütig!

Das Gebäude am Lindenplatz soll abgerissen werden. Jetzt liegen der Gemeinde Pläne für einen Neubau vor.
Das Gebäude am Lindenplatz soll abgerissen werden. Jetzt liegen der Gemeinde Pläne für einen Neubau vor.

GP-Fashion, Mundschenk, Sport Estner, Heimatschön, Raiffeisenbank, Hotel Ursula und der City Grill Döner Kebap – sie alle hatten bisher ihre Räumlichkeiten in dem Gebäude am Lindenplatz 9. Das gesamte Haus wurde Anfang Oktober an die Münchner Baufirma Bavaria Wohnbau GmbH verkauft.

Wohnungen und mehrere Läden geplant

Doch was genau mit dem Gebäude im Wiesseer Ortszentrum passiert, blieb bisher unter Verschluss. Auch die Gemeinde wusste lange nichts Konkretes: „Alle Informationen über diesen Hausverkauf hatten wir aus der Tegernseer Stimme“, erklärte Florian Sareiter (CSU) vor einigen Wochen. Doch in der gestrigen Gemeinderatssitzung kam das Thema erstmals offiziell zu Sprache. „Jetzt liegt uns ein Bauantrag vor“, erklärte Bauamtsleiter Helmut Köckeis und stellte die geplanten Dimensionen mit nüchterner Art am Tageslichtprojektor vor. Vielen im Rat blieb nur Kopfschütteln.

Anzeige

Optisch bleibt alles beim Alten: Klassischer Landhausstil mit viel Balkon. Da wurde aber schon nachgebessert. Die ersten Vorschläge des Architekten zeigten, wie wenig man sich seitens des Bauträgers mit den örtlichen Gegebenheiten auseinandergesetzt hatte.

Im Erdgeschoß soll es Verkaufsflächen geben. Darüber plant der Bauträger in zwei Stockwerken bis zu 23 Wohneinheiten. „Die Wohnungen haben verschiedene Größen. Es sind 19 kleinere Apartments geplant und einige Mehr-Zimmer-Wohnungen“, erklärt Köckeis. Zusätzlich soll der Dachstuhl als Ergänzungsfläche ausgebaut werden.

Vor allem das Parken entlang der Bundesstraße ist bei der Planung ein Problem.
Im Erdgeschoss sollen sechs Läden untergebracht sein.

Viele Wiesseer hatten befürchtet, dass mit dem neuen Gebäude die beliebten Läden im Ortszentrum verschwinden. Zwar wurde den bisherigen Pächtern gekündigt, doch laut dem eingereichten Bebauungsplan sollen künftig im Erdgeschoss sechs Läden auf einer Fläche von 500 Quadratmetern untergebracht sein. An sich bisher keine schlechten Ideen, findet Köckeis:

Das würde das Ortsbild positiv aufwerten.

Was dann jedoch folgte, versetzte die Wiesseer Gemeinderäte teilweise in Entsetzen. Denn das Gebäude soll um einiges länger werden als das noch bestehende Haus. An der Freihausstraße soll das Gebäude demnach 41 Meter lang und 12,85 Meter breit werden. Auf der anderen Seite soll es dann eine Länge von knapp 25,5 Metern haben – Dimensionen eines Landhaustankers.

Die Höhe des Neubaus unterscheidet sich zwar nur um zwei Zentimeter vom alten. „Das ist an sich aber kein Problem, da im Umkreis beispielsweise das Hotel Zur Post und das Hotel Ritter wesentlich höher sind“, so Köckeis. Außerdem seien die beiden anderen Hotels auch größer als der geplante Neubau. „Problematisch ist eher der sehr geringe Abstand von teilweise 1,5 Metern zwischen der 41 Meter langen Hauswand und der Freihausstraße.“ Aber auch hier gebe es im Umkreis ähnliche Fälle.

Kein Parkplatzplan funktioniert

„Der schwierigste Punkt sind die Stellflächen“, so der Bauamtsleiter. Gefordert wären laut der gemeindlichen Stellplatzsatzung 63 Parkplätze. Geplant sind allerdings elf oberirdisch und 47 Parkplätze unterirdisch in einer zweistöckigen Tiefgarage. „Vier Parkplätze sollten längs der Freihausstraße entlang und die restlichen Parkplätze wie bisher auch im rechten Winkel zur Bundesstraße angeordnet sein. Allerdings ist das nicht mehr erlaubt, da die Straßenbaubestimmung sich geändert hat.“

Eine andere Möglichkeit sei es, an der Bundesstraße ebenfalls längs anzuordnen. „Die Fußgänger würden dann auf privater Fläche direkt an den Schaufenstern vorbeilaufen.“ Das Problem sei aber wiederum hier, dass laut gemeindlicher Satzung keine Längsparkplätze erlaubt sind.

Wir müssen uns eben überlegen, wem oder was man dem Vorzug gibt. Hält man an der Stellplatzverordnung fest oder wollen wir ein für den Ort aufwertendes Ambiente?

Städtebauplaner Eberhard von Angerer wurde ebenfalls miteinbezogen, da er mit der Planung des Lindenplatzes beauftragt ist und das Gebäude wesentlich Einfluss nimmt. Der Antragsteller habe laut Angerer mehrere Entwürfe gehabt, wobei wir einige Dinge angepasst haben, „damit der Neubau zum sanierten Lindenplatz dazu passt.“

Der Neubau soll entlang der Freihausstraße 41 Meter lang werden.
Der Neubau soll entlang der Freihausstraße 41 Meter lang werden.

Sollte das Landratsamt den Bau aber als zulässig einstufen, will sich Claudia Martini (SPD) wehren:

Wir haben uns viel Mühe bei der Neugestaltung des Lindenplatzes gegeben – wenn dann dieser Bau kommt, können wir gleich die Bücher zuklappen.

Die Aufgabe der Gemeinde sei es, das Ortsbild zu wahren. „Und wenn dieses Haus kommt, verlieren historische Gebäude wie das Rathaus oder das Hotel zur Post an Bedeutung.“ Dann stehe dieser Neubau für Bad Wiessee. „Und ich bezweifle, dass wir das wollen.“

Markus Trinkl weist auf die Gefahr der geplanten Tiefgarage hin: „Hier eine zweistöckige Tiefgarage zu bauen, birgt eine riesige Gefahr, die keiner stoppen kann. Man müsse dem Antragsteller daher dringend davon abraten. „Es wird Probleme mit dem Grundwasser geben und das ganze Ding könnte in sich zusammenstürzen.“

Vize-Bürgermeister Robert Huber (SPD) sieht das Problem ähnlich: „Die Planer sollten hier insgesamt ein wenig zurückschrauben, dann wäre das Gremium auch wohlwollender.“ Bernd Kuntze-Fechner (SPD) sieht die geologischen Probleme ebenfalls als Hindernis und weist auf den Vorfall in der Nachbargemeinde:

Es muss ja nicht so laufen wie in Rottach-Egern.

Letztendlich stimmte der Wiesseer Gemeinderat einstimmig gegen den Bauantrag. „Es ist aber durchaus der Wille da, dort etwas Neues zu gestalten“, betont Huber. Er hoffe nur, dass der Antragsteller sich jetzt nicht beleidigt zurückzieht. Das sei nicht der Fall, betont der Architekt Wendler auf Nachfrage der Tegernseer Stimme. „Wie wir jetzt weiter vorgehen, weiß ich allerdings noch nicht.“

Er wolle sich nochmal mit der Gemeinde in Verbindung setzen und über die gestrige Sitzung sprechen. „Das ist schon blöd gelaufen“, gibt Wendler zu. Vor allem, da die Pläne nicht dem entsprechen, was man ursprünglich geplant hatte. „Wir wollten nie eine Länge von 41 Metern und schon gar nicht so einen knappen Abstand zur Straße – laut unserer Planung sollte da eine Grünfläche dazwischen.“

Grund für die geänderten Bebauungsplan seien die Forderungen des Städtebauplaners Angerer gewesen. „Das ganze ist nicht auf unserem Mist gewachsen, wir hatten es anders geplant.“

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein