So mancher Wiesseer reibt sich verwundert die Augen, vor der Wandelhalle und dem inzwischen geschlossenen Jodbad stehen seit gestern ein riesiger Baukran und Container. Sind das schon die Vorarbeiten für den auf Herbst verschobenen Abriss? Setzt sich die Gemeinde Bad Wiessee über die Bedenken der Naturschutzbehörden hinweg und beginnt, wie ursprünglich einmal geplant, nun doch mit der Planierung des Areals?
„Keinesfalls“, betont Thomas Holzapfel vom Bauamt, „die Quelle wird schon lange nicht mehr benutzt“. 1972, nach einer Gasexplosion, sei die Jodschwefelquelle stillgelegt worden. Die Explosion verursachte aufsteigendes Paraffin, wie Bürgermeister Peter Höß auf Nachfrage erklärt. Dennoch sei das Gas noch viele Jahre genutzt worden.
Doch für die inzwischen hochtechnischen Geräte ist das Gas nicht mehr geeignet. Eine vernünftige Nutzung war nach Meinung von Fachleuten nicht mehr gegeben.
Da aber nach der Gasexplosion die Quelle nicht ordnungsgemäß verschlossen worden sei, geschehe dies jetzt auf Anordnung des Bergamtes. Holzapfel: „Die Quelle muss geschlossen werden, unabhängig davon, was auf dem Grundstück passiert“.
Die Kosten beziffert Höß mit 300.000 Euro. Das günstigste Angebot im Ausschreibungsverfahren stammte von der Firma H. Anger’s Söhne aus Hessen. Ein Spezialist für Tiefenbohrungen, denn das Bohrloch reicht in eine Tiefe von etwa 700 Metern. „Das Unternehmen hat auch schon mit den früheren Eigentümern gearbeitet. Die sind mit der Quelle vertraut“, versichert Höß.
„Faule Eier“ aus 700 Metern Tiefe
Auf der Baustelle ist zu erfahren, dass die Jodquelle erst vom Paraffin gereinigt werden müsse, bevor das 30 Zentimeter breite Bohrloch mit Beton aufgefüllt werden kann. Laut Holzapfel wird das Verschließen der Quelle etwa vier Wochen dauern. Was jetzt verfüllt wird, verhalf Wiessee vor über 100 Jahren zur Anerkennung als Badeort. Im „Bohrloch III“ stieß man bereits im Mai 1909 in einer Tiefe von 714 Metern nicht mehr auf Petroleum, wie etliche Jahre zuvor, sondern auf eine Jodschwefelquelle, die wie „faule Eier roch“.
Aus dem Bohrloch sprudelten in der Minute 600 Liter „stinkendes Wasser“. 1914 wurde die Quelle mit allerhöchster Genehmigung des Bayerischen Königs „König Ludwig III. Quelle“ benannt. Auch der Name der Unternehmensgesellschaft wurde geändert: von „Erste Bayerische Petroleumgesellschaft“ in „Jod- und Schwefelbad Wiessee GmbH“. Damit war die Entscheidung über die Zukunft des Ortes gefallen.
Ab 1960 begann die Blütezeit der Kuren. Behandelt wurden in Wiessee Menschen mit Herz-, Gefäß-, und Kreislaufbeschwerden, Durchblutungsstörungen, und vieles mehr. Die anderen beiden Bohrlöcher – die Adrianus- und die Wilhelmina-Quellen – sollen demnächst saniert werden. Dies sei im Zuge des Neubaus für das Badehaus „dringend notwendig“, so Höß. „Die Kosten einschließlich eines Technikgebäudes liegen dafür bei zwei Millionen Euro“.
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