Auf dem Jodbad-Areal in Bad Wiessee soll ein nobles Gesundheitshotel mit 110 Zimmern und einem angegliederten medizinischen Zentrum entstehen. Zumindest werkelte zuletzt ein kleines Bohrgerät vor Ort. Im Auftrag der Sports Medicine Excellence Group (SME) prüfte die Firma „Blasy und Mader“ aus Eching am Ammersee die Bodenbeschaffenheit des Areals.
Zwar ließ im vergangenen Jahr auch die Gemeinde Probebohrungen vornehmen, doch diese genügten offenbar nicht den Ansprüchen von SME, wie deren Geschäftsführer Florian Kamelger auf Anfrage mitteilt. Man habe zusätzliche Probebohrungen in Auftrag gegeben, „da der Untergrund in Seenähe nur mit einer detaillierten Bodenanalyse verstanden werden kann und beplanbar ist. Auf der Basis der Resultate können wir die technische Planung fortsetzen“.
Bürgermeister zeigt sich überrascht
Eine Planung, die durch die Verschiebung des Jodbad-Abrisses terminlich über den Haufen geworfen wurde. Statt Anfang dieses Jahr soll nun erst im Herbst mit dem Abruch begonnen werden. Diese Verlegung geschehe aus Artenschutzgründen. Vögel und Fledermäuse müssten geschützt werden, so Kamelger im November vor dem überraschten Gemeinderat.
Dabei bezog sich der Mediziner auf ein Gutachten des Biologen Ralph Hildenbrand. Der aber hielt einen Abriss bereits auch im Sommer für möglich. „Allerdings mit erheblichem fachlichem Aufwand“, wie Pressesprecher Birger Nemitz vom Landratsamt mitteilt. Erforderlich dafür wäre eine Ausnahmegenehmigung gewesen. Doch bis diese komme, „wäre es ebenfalls Herbst geworden. Wir hätten durch dieses Vorgehen also keine Zeit gewonnen“, begründet Kamelger die Verschiebung durch das Gutachten. Ein Gutachten, das aber nicht SME in Auftrag gab, sondern laut Kamelger die Gemeinde. Die bekam es auch zuerst.
Daher verwundert es etwas, dass sich Bürgermeister Peter Höß vor seinem Gemeinderat völlig überrascht über die Verschiebung des Abrisses zeigte, denn er kannte als Auftraggeber das Gutachten vorab. Ein Dokument, mit dem Höß offenbar leben kann:
Durch die Verschiebung des Rückbaus wird auch vermieden, dass von März bis Herbst eine große Grube da liegt, ohne dass es mit den Bauarbeiten vorangeht.
Den Rückbau führt zwar SME durch, doch die Kosten übernimmt die „Jodschwefelbad GmbH“, eine Tochter der Gemeinde. „Diese ist aber in die Ausschreibung eng eingebunden“, betont der Rathauschef auf Nachfrage. Eine ungewöhnliche Konstruktion, denn im Geschäftsleben gilt: wer zahlt, schafft an. Hier aber verlässt sich Höß ganz auf Florian Kamelger und dessen Partner Andreas Bänziger (54).
Luftnummern auf der SME-Homepage
Beide Ärzte werben auf ihrer Homepage, dass sie an den Standorten von SME „in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien mit herausragenden Orthopäden und Unfallchirurgen zusammenarbeiten, für die sie Strukturen und Prozesse aufbauen und optimieren konnten“, um seit der Gründung 2007 über 50.000 operative Eingriffe auf medizinisch höchstem Niveau durchzuführen. Soweit die eigenen Angaben.
Doch bei genauerem Hinsehen stößt man auf wenig Konkretes. Die aufgeführte „Sportsclinic Austria“ in Innsbruck gibt es schon seit Frühjahr 2015 nicht mehr, genauso wenig offenbar auch die „Sportsclinic Italy“ in Bozen. Dabei konnte Kamelger auf Anfrage keine Adresse des Südtiroler Ablegers nennen. Ganz dubios wird es mit der „Sportsclinic Germany“ in München und Hannover, die beide nicht existieren, zumindest nicht als Kliniken, wie man sich landläufig ein Krankenhaus vorstellt.
Eine Sportsclinic ohne eigene Ärzte?
Bestenfalls hat es in Hannover eine Zusammenarbeit mit Ärzten gegeben. Auf Anfrage teilen die beteiligten Orthopäden dort mit: „Wir haben uns zum 31.12.2014 von der „Sportsclinic Germany“ getrennt und zur „go:h Gelenkchirurgie Orthopädie“ umfirmiert. In unserem Fall hatte die „Sportsclinic Germany“ ausschließlich reine Management-Aufgaben“.
Mit anderen Worten: SME hatte weder eigene Ärzte noch eine eigene Klinik. „2014 verfolgten wir ein Konzept als Management-Franchise-Geber für niedergelassene Orthopäden. Diesen stellten wir im Rahmen des Franchise „Sportsclinic“ verschiedenste Services zur Verfügung, darunter insbesondere Marketing, Kontakt zu Krankenkassen, Verhandlungen mit Krankenkassen, Verhandlungen mit Belegspitälern und Finanzreporting. Die niedergelassenen Ärzte übernahmen die Versorgung der Spitäler“, begründet Kamelger die Firmenphilosophie.
Millionen für Nobelkarossen
Zumindest in der Schweiz könnte demnächst mehr vorhanden sein. In Rehetobel (Kanton Appenzell), dem Firmensitz von SME, soll in diesem Jahr mit dem Bau einer Klinik für 14 Millionen Franken auf gepachtetem Grund begonnen werden. Doch die Dimension ist überschaubar. Statt 110 Zimmer wie in Wiessee soll dort nur ein Gebäude mit 20 Zimmern entstehen. Auf der Homepage wird noch mit 40 Zimmern geworben.
Die abgeänderte Größe sei an „die dortigen Rahmenbedingungen“ angepasst worden, erklärt Kamelger. Richtig investiert dagegen haben die beiden Rennfahrer Kamelger und Bänziger in eine andere Sparte, in Nobelkarossen. In St. Gallen weihten sie im April letzten Jahres ihren exklusiven Aston-Martin-Händlerstützpunkt für 13 Millionen Franken ein.
„Die beiden Mediziner haben ihren Visionen freien Lauf gelassen“, schrieb damals das St. Galler Tagblatt. „Zwischen SME und dem Aston Martin Stützpunkt gibt es übrigens eine verbindende Komponente“, begründet der 40-Jährige seine viele Millionen teure Investition, „bei beiden Engagements geht es uns darum, unseren Gästen eine Erfahrung auf höchstem Qualitätsniveau zu bieten. Die beiden Unternehmen sind 100{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63}ige Tochtergesellschaften derselben Gruppe, die uns beiden gehört“.
Dazu gehören ein AF Cars AG und eine AF Racing AG. An beiden Firmen hängt offenbar Kamelgers und Bänzingers Herz. „Dies ist eine gemeinsame Passion, welche wir im Rahmen unseres automobilen Engagements optimal in das Unternehmen einbringen können“, so Kamelger.
Derweil vertraut Höß darauf, mit SME den richtigen Partner gefunden zu haben: „Wir sind sehr froh, die SME als Investoren in Bad Wiessee zu haben. Trotz der erfreulichen Rahmenbedingungen ist es nicht einfach, gute Investoren zu gewinnen“. Vielleicht sind die abgeschlossenen Probebohrungen ein Indiz für eine reale Investition in Bad Wiessee. Ende des Jahres wird man klüger sein.
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