Auslöser dieser Situationsschilderung ist der Antrag, die Wochenstunden der Sozialarbeit an der Grundschule zu verdoppeln. Wegen der „großen Nachfrage“, so die Begründung. Seit 2015 leistet diese Kindersozialarbeit Christine Einert von der Diakonie. Bislang sind es zehn Wochenstunden.
Doch man hätte schnell bemerkt, dass das Stundenkontingent „hinten und vorne nicht ausreicht“, so Geschäftsleiter Michael Herrmann. Denn an die Pädagogin würden sich schon Kinder aus den ersten Klassen mit ihren Nöten wenden. Nach Rücksprache mit Direktorin Gertraud Pfaffenberger berichtet Herrmann:
Bereits in der 1. Klasse sind Themen wie Gewalt, Aggression und Anstiftung zu Bandenstrukturen auffällig.
In der zweiten Jahrgangsstufe gebe es sehr temperamentvolle Kinder, „die sich auch wieder zusammenschließen und auf das schwächste Glied der Kette draufhauen“. Die 3. und 4. Klassen stehen wegen des Übertritts auf weiterführende Schulen unter einem enormen Leistungsdruck. Dies aufzuarbeiten schaffe eine Pädagogin mit zehn Wochenstunden an zwei Arbeitstagen nicht.
Migrationsanteil von über 30 Prozent
Bisher wendet die Gemeinde 17.500 Euro für diese Maßnahme auf. Jetzt komme aber hinzu, „dass wir an der Grundschule in Bad Wiessee einen relativen hohen Migrationsanteil von 33,96 Prozent haben“. Da reiche die bisher geleistete Sozialarbeit einfach nicht mehr. Deshalb schlage die Verwaltung eine Verdoppelung der Stundenzahl vor. Diese würde den Bedarf einigermaßen decken.
Als Mehrkosten nannte Herrmann 16.000 Euro, die Wiessee letztlich nicht tragen müsste. Denn bei der Regierung von Oberbayern und dem Landkreis gebe es das Projekt „Jugendsozialarbeit an Schulen“. Über diesen Titel würden der Gemeinde die Mehrkosten wieder erstattet werden.
Als Gründe für das auffällige Verhalten in den unteren Jahrgangsstufen nennt Herrmann den Anteil an Trennungskindern, der enorm nach oben geschnellt sei und den Migrationshintergrund, der eher zunehmen werde. Auch die Lehrer könnten sich an die Pädagogin wenden, wenn sie mit ihrem Latein am Ende seien. „Es ist ein ganzheitliches Angebot an die Schule“, so Herrmann.
Mobbingprävention
„Gibt es einen Hintergrund zu der Migrationsquote von über 30 Prozent“, fragte Klaudia Martini (SPD). Überwiegend gehe es um Kinder aus osteuropäischen Staaten. Ihre Eltern würden im Tal meist im Hotel- und Servicebereich arbeiten, erklärt Birgit Trinkl (FWG). Bernd Kuntze-Fechner (FWG), fachkundig als Anwalt für Ehe- und Familienrecht, fügte hinzu:
Wir haben hier durch die gastronomischen Betriebe eine besondere Familienstruktur.
Das Geld sei hier „sinnvoll“ eingesetzt, „denn es gibt Probleme an der Schule“. Türkische Schüler gebe es laut Herrmann dagegen kaum. 33 Prozent Migrationsanteil in Grundschulen seien der Trend in Deutschland, so Florian Sareiter (CSU). „Aber das funktioniert“, weiß Trinkl. Da ihre Tochter vergangenes Jahr in der 4. Klasse war, kenne sie die Arbeit von Frau Einert. „Da werden Drittklässler zu Streitschlichtern ausgebildet“.
Ein anderes Thema sei „Mobbingprävention“. Auch die Rektorin der Schule sei überrascht, so Herrmann, dass bereits Kinder der 1. Klassen den Kontakt zur Sozialarbeiterin suchen. „Die meisten Fallkonstellationen kommen von den Kindern selbst“. Aber auch die Lehrkräfte würden die Defizite weitermelden. „Dies ist eine ganz wichtige Unterstützung der pädagogischen Arbeit der Lehrkräfte“, so Bürgermeister Peter Höss (Wiesseer Block). So sah es auch einstimmig der Gemeinderat.
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