“Der Tegernsee ist kein einfaches Pflaster”

Ob Schwarzbau, Beschwerden gegen Baupläne oder Kleinkrieg am Gartenzaun – Richterin Cornelia Dürig-Friedl hat schon über einige Streitigkeiten im Landkreis entschieden. Sie verrät uns, warum es vor allem am Tegernsee zu so vielen Klagen kommt.

Richterin Cornelia Duerig-Friedl (Mitte) ist seit 20 Jahren am Münchner Verwaltungsgericht tätig – und reist immer wieder für Vor-Ort-Termine an den See.

Baurecht und Nachbarschaftsstreitigkeiten sind ihr Steckenpferd. Seit 20 Jahren ist Cornelia Dürig-Friedl Richterin am Münchner Verwaltungsgericht. Seither muss sie sich entscheiden. Entweder dafür oder dagegen. Für ein gerechtes Urteil, reist die 61-Jährige immer wieder in den Landkreis Miesbach, um sich vor Ort ein Bild von den dortigen Streitfällen zu machen.

Tegernseer Stimme: Frau Dürig-Friedl, sind Sie schon einmal bestochen worden?

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Cornelia Dürig-Friedl: (fast bedauernd) Nein, das hat noch nie einer probiert.

Als Richterin tragen Sie eine große Verantwortung – wird Ihnen das manchmal zuviel?

Dürig-Friedl: Nein. Wir sind immer zu dritt. Mit drei hauptamtlichen Richtern besprechen wir uns vor jeder Verhandlung. In der Verhandlung sind noch zwei ehrenamtliche Richter dabei. Dadurch teilt sich die Verantwortung auf.

Wollen Sie damit sagen, Sie wissen schon vorab, wie Sie entscheiden?

Dürig-Friedl: Natürlich nicht. Das Ergebnis weiß man vorher nicht. Im Vorfeld werden nur die Meinungen der anderen angehört. Ich halte mich an die Fakten und entscheide im Zweifel immer zugunsten der Rechtslage. Im Baurecht ist sowieso keine Vorabentscheidung möglich. Deshalb komme ich ja so oft an den Tegernsee. (lacht).

Wie meinen Sie das?

Dürig-Friedl: Im Baurecht bietet es sich an, dass man sich die Umgebung, das Grundstück und das Gebäude anschaut. Dann fällt es leichter, abzuwägen, welche Vorschriften in Betracht kommen, um eine Entscheidung zu treffen. Viele Rechtsprobleme lösen sich, wenn man davor steht.

Am Tegernsee haben Sie schon über einige Rechtsstreitigkeiten entschieden. Sei es, ob es sich um die Bauerweiterung der Kreuther Klinik Alpenpark handelte, den Abriss des Höß-Stadls, um die Genehmigung des geplanten Dürnbacher Asylhauses von Peter Horst, oder aber um die Nachbarschaftsklagen gegen Dr. Andreas Greither und seine Hotelpläne. Welches war ihr schwierigster Fall?

Dürig-Friedl: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Schwierig sind Fälle, bei denen es um Abriss-Sachen geht, auch wenn diese eher selten vorkommen. Hier weiß man einfach, was es für den Kläger bedeutet, wenn er den Rechtsstreit verliert.

Haben Sie vielleicht ein Beispiel?

Dürig-Friedl: Es gab mal einen Photovoltaik-Anlagen-Fall. Schwierig war der deshalb, weil es die unterschiedlichsten Meinungen zu den technischen Dingen gab. Dafür brauchten wir Gutachter, die uns die Thematik so lange erklärt hatten, bis wir sie richtig verstanden haben.

Wieviele Fälle haben Sie denn am Tegernsee pro Jahr?

Dürig-Friedl: Wir waren selbst überrascht: Die Zahl der Fälle hat sich im Vergleich zum Vorjahr auf 40 verdoppelt. Durch die rege Bautätigkeit gibt es relativ viele Klagen. Der Tegernsee ist kein einfaches Pflaster, wenn man bauen will.

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Können Sie das Zitat bestätigen?

Dürig-Friedl: Es ist ja so: Jemand baut was, streicht um oder ändert die Nutzung. Dann kommt der Nachbar und sagt: „Das mag ich nicht.“ Insofern trifft das Sprichwort schon zu.

Wie schaut so eine „typische Nachbarschaftsklage“ aus?

Dürig-Friedl: Die typische Nacharschaftsklage richtet sich gegen Bauherren, die in einem Baugebiet mit freien Grundstücken, auf denen vielleicht noch alte Häuser stehen, bauen wollen.

Hat man als klagender Nachbar überhaupt eine Chance zu gewinnen?

Dürig-Friedl: Nur, wenn man in den eigenen Rechten verletzt ist. Solange aber die Imissionswerte und die Grundstücksabstände eingehalten werden, haben Nachbarn so gut wie keine Chance. Nur ganz wenige kommen mit ihrer Klage durch.

Wie man am Beispiel vom Westerhof sieht. Auch da sind die Nachbarn größtenteils gescheitert.

Dürig-Friedl: Das ist ein ganz spezieller Fall. Es ist nicht typisch, dass eine Nachbarschaft über einen so langen Zeitraum in Ablehnung verharrt. Ich glaube, beim Groll gegen den Westerhof spielten noch andere Faktoren eine Rolle.

Ganz nach dem Vier-Augen-Prinzip: Gerichtssprecher Florian Huber (links) verfolgte das Interview mit Richterin Cornelia Dürig-Friedl (rechts).

Wie muss man sich das vorstellen? Wie läuft so eine Klage ab?

Dürig-Friedl: Wenn eine Klage erhoben wird, wird dem Kläger vier Wochen Zeit eingeräumt, seine Klage zu begründen. Der Beklagte hat ebenfalls vier Wochen Zeit, darauf zu reagieren. Wenn wir alle Akten vorliegen und durchgeschaut haben, wird ein Termin bestimmt und die Parteien geladen.

Und was macht eine gute Richterin aus?

Dürig-Friedl: Man muss über solide Rechtskenntnisse verfügen – und über gutes Deutsch. Wichtig ist, dass man sich klar ausdrücken und vor allem entscheiden kann.

Und charakterlich?

Dürig-Friedl: Auf jeden Fall darf man nicht vor Aktenarbeit und Menschen erschrecken. Und man sollte Geduld mit den Parteien haben. Die meisten haben ein echtes Anliegen, in das sie sich reingehängt haben. (Sie überlegt). Was braucht man denn noch? Vielleicht Sitzfleisch.

Kommt Ihnen Ihre Entscheidungsfreudigkeit auch im Privatleben zugute?

Dürig-Friedl:(lacht) Das weiß ich nicht. Man lernt zumindest als Richter, dass man privaten Streitigkeiten – und Nachbarschaftsstreitigkeiten – besser aus dem Weg geht.

Da haben Sie wohl Recht. Vielen Dank für das Gespräch.

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