Der Tod kam dazwischen

Drei Angeklagte. Drei Stunden Verhandlung. Zwei Rottacher und ein Grünwalder standen gestern wegen schweren Betrugs vor Gericht. Ging der „kriminellen Energie“ ein Mord voraus, wie eine Zeugin in Betracht zog?

Das Amtsgericht in Miesbach.

Auf der Anklagebank sitzen eine 58-jährige Rottacherin, ihr 56-jähriger Bruder aus Grünwald und ein 82-jähriger Bekannter, ebenfalls aus Rottach-Egern. Die Anklage: gemeinschaftlicher Betrug. Wie kam’s? Die Angeklagte lebte zusammen mit ihrem recht wohlhabenden Lebensgefährten in einer Wohnung. Als sie am 23. Mai 2014 vom Einkaufen nach Hause kommt, findet sie ihren Partner schwerverletzt in der Badewanne vor. Sie ruft den Notarzt. Doch noch am selben Abend verstirbt er im Krankenhaus.

Ein Selbstmord sei für den psychisch labilen und unter Angstzuständen leidenden Partner der Rottacherin nicht auszuschließen gewesen, erklären die Ärzte später. Weil die Angeklagte den Rettungskräften aber verschwiegen hatte, dass sie einen Föhn in der Badewanne vorfand, wie eine als Zeugin geladene Miesbacher Hauptkommissarin vor Gericht aussagt, ermittelte die Polizei wegen des Verdachts auf Mord gegen sie. So erklärte die Polizistin bei der gestrigen Verhandlung:

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Die Angeklagte hatte das Kabel des Föhns aufgerollt, und den Föhn in einen Blumentopf gelegt.

Die Polizei lässt daraufhin ihr Telefon überwachen. Tags drauf stellt sie fest, dass die Rottacherin ihren Bruder beauftragt, bei dem im niederbayerischen Ort Bodenmais wohnenden Freund ihres Lebensgefährten anzurufen. Er soll den Freund dazu bewegen, ihr den BMWX5 auszuhändigen, den der Verstorbene hinterlassen hatte.

Als dieser sich weigert und eine schriftliche Vollmacht anfordert, kommt der 82-jährige Rottacher ins Spiel. Auch er wird von der Angeklagten beauftragt, auf die Herausgabe des Wagens zu drängen. Beide – sowohl Bruder als auch besagter Freund – sagen vor Gericht aus, sie hätten der Frau lediglich einen Gefallen tun und keinen persönlichen oder finanziellen Vorteil aus ihrer Hilfe ziehen wollen.

Eine Beziehung garantiert keine Erbschaft

Doch beide verschweigen am Telefon, dass der Lebensgefährte der 58-Jährigen tags zuvor bereits verstorben ist. Stattdessen reden sie sich damit raus, der Lebensgefährte sei „krank und deshalb nicht zu sprechen“.

Warum die Schwester nicht selbst beim Freund angerufen habe, will Richter Leitner vom Bruder wissen. „Sie war durch den Tod ihres Lebensgefährten emotional angegriffen“, gibt dieser an. Was bis zu diesem Zeitpunkt keiner der drei Angeklagten wusste: Der Lebensgefährte hatte genau diesen Freund ein Jahr zuvor per Testament als Alleinerben eingesetzt. Weil sich der Lebensgefährte jedoch zuletzt „von seinem Freund betrogen gefühlt” habe, wie Leitner aus den Akten zitiert, habe dieser kurz vor seinem Tod eigentlich vorgehabt, seinem Freund die Vollmacht entziehen.

Selbst er sei davon ausgegangen, dass seine Schwester Alleinerbin sei, erklärt der Bruder der Angeklagten vor Gericht. Schließlich habe sie eine längere Beziehung mit dem Toten gehabt. Angeblich habe ihr Lebensgefährte gewollt, dass der Wagen nach Rottach-Egern komme. Der Grünwalder – von Beruf Chauffeur – hätte den Wagen dann auch ohne Probleme nach Rottach-Egern überführen können, da seine Schwester keinen Führerschein besitzt.

Einfach Geld vom Konto abgehoben

Weil die Angeklagte über die EC-Karte und PIN-Nummer ihres Lebensgefährten verfügte, versuchte sie – nach dessen Tod – mithilfe ihres Bruders Geld vom Konto abzuheben. Ihn habe sie deshalb mit ins Boot geholt, weil sie sich mit der Technik am Geldautomaten nicht auskenne, so der Bruder.

Wie Überwachungskameras bestätigten, wollte sie zunächst 2.000 Euro bei der Hypo-Vereinsbank in Grünwald abheben. Da das Wochenlimit von 1.500 Euro allerdings bereits überschritten war, waren nur 90 Euro verfügbar. Der Staatsanwalt beziffert diesen Computerbetrug als „besonders schweren Fall.“ Allerdings räumt der Bruder der Angeklagten ein, der Lebensgefährte seiner Schwester habe ihr die EC-Karte freiwillig übergeben: „Wenn Du Geld brauchst – heb’s ab“, soll er zu ihr gesagt haben. Die Rottacherin schweigt zu den Vorwürfen.

Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe

In seinem Schlussplädoyer forderte Staatsanwalt Moker aufgrund der Motivlage und des hohen Werts des Autos von geschätzten 59.000 Euro folgende Gesamtfreiheitsstrafen: Die 58-Jährige soll elf Monate samt 1.000 Euro Geldstrafe bekommen, ihr Bruder neun Monate und eine Geldstrafe von 2.000 Euro und der 82-Jährige, der bei der Geldabhebung nicht mit beteiligt war, eine Freiheitsstrafe von acht Monaten zuzüglich einer Geldstrafe von 1.000 Euro.

Der Tegernseer Rechtsanwalt Frank Zahnert, kann dieser Auffassung überhaupt nicht folgen. Er beantragt Freispruch:

Die Aussagen der Staatsanwaltschaft sind mir schleierhaft. Meine Mandantin wusste überhaupt nicht, ob und was sie erbt. Ihr Lebensgefährte habe ihr vor seinem Tod mündlich zugesichert, sie könne das Auto haben. Deshalb war sie dazu berechtigt, das Auto nach Rottach zu holen. Eine Abholung bedeute nicht, man würde sich des Autos bemächtigen.

Auch den Vorwurf der unberechtigen Geldabholung kann Zahnert nicht nachvollziehen: „Eine EC-Karten-Vollmacht erlischt nicht mit dem Tod. Sie wusste nicht, dass sie dazu nicht berechtigt war.“ Dieser Meinung schließt sich der Anwalt des Grünwalders – Mathias Grasel – an. Er fügt noch hinzu, dass sein Mandant seiner Schwester einfach nur einen Gefallen getan habe. Was daran strafbar sein soll, erschließe sich ihm nicht.

Außerdem verstehe er nicht, warum die Polizei den genauen Wert des Autos nicht habe ermitteln können, zumal der Zeuge – als Erbe des Wagens – den genauen Kilometerstand zum Zeitpunkt des Todes auf 7.000 Kilometer beziffert habe. Wie Richter Leitner in seinem Urteil erklärt, sei aus den Berichten der Ärzten hervorgegangen, dass sich das Verhältnis des Toten zu seinem Freund im Laufe der Zeit verschlechtert habe. Er habe sich von ihm ausgenutzt gefühlt und wollte nun seiner Lebensgefährtin den Wagen überlassen. „Dann kam der Tod dazwischen.“

Die Angeklagte Rottacherin, die so viele Jahre eine gute Freundin für ihren Lebensgefährten war, wollte nun etwas vom Kuchen abhaben, ist sich Leitner sicher. Deshalb habe sie die beiden anderen Angeklagten dazu gebracht, den Wagen nach Rottach zu holen.

Mit Geldstrafe davongekommen

Der Betrug sei mit der Lügerei losgegangen, so die Sicht des Richters. Nicht nur, dass der Tod verschwiegen worden sei, die Angeklagten seien am Folgetag auch recht aktiv gewesen, um Geld vom Konto des Toten abzuheben. Da die 58-Jährige einzig und allein treibende Kraft der Aktion war, wie der Richter erklärt, verurteilt er sie zu 230 Tagessätzen à 15 Euro.

Ihr Bruder bekam 110 Tagessätze à 30 Euro aufgedrückt und der 82-Jährige erhielt eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 15 Euro. Als mildernden Umstand bewertete das Gericht die Tatsache, dass sich das Auto in Niederbayern keinen Kilometer in Richtung Rottach-Egern bewegt hatte.

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