Ungefähr eineinhalb Jahre lang suchte das Reifengeschäft Hösl in Rottach-Egern nach einem KFZ-Mechaniker. Selbst das Arbeitsamt und die geschalteten Anzeigen brachten nur wenig ein. Die spärlichen Bewerbungen, die in die Werkstatt flatterten, erwiesen sich als heiße Luft, wie Kathrin Hösl erzählt:
Ein KFZ-Mechaniker muss Bremsen machen können. Einige waren gar nicht qualifiziert. Manche, die vom Arbeitsamt kamen, wollten überhaupt nicht in dem Bereich arbeiten.
Seit Juli 2014 hat die 29-Jährige das elterliche Reifengeschäft als Betriebsleiterin übernommen. Gemeinsam entschließen sich Eltern und Tochter, bei der Gemeinde um Unterstützung zu bitten. Und sie haben Glück. Zwei afghanische Flüchtlinge dürfen im Rahmen eines Förderprogramms ein dreimonatiges Praktikum bei ihnen absolvieren.
Dann droht die Abschiebung
Einer der beiden ist Rajab Ali Sakhidad (23). Im Dezember letzten Jahres – nach Ablauf der drei Monate – bekommt er von Katrin Hösl die Chance auf eine Ausbildung und damit die Möglichkeit, in Deutschland zu bleiben. Zumindest für die Lehrzeit – und eventuell noch zwei Jahre danach.
Wir mussten uns für einen der beiden entscheiden. Rajab hat gut gearbeitet und den Ausbildungsplatz verdient. Der andere wollte lieber Krankenpfleger werden.
Ihrer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Rajab am 30. Dezember die Genehmigung vom Landratsamt in seinen Händen hält. Doch Anfang Januar kommt unvermittelt der Schock für Rajab und seine neue Arbeitgeberin.
Der 30-Jährige wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgefordert, Deutschland bis Ende Januar zu verlassen. Afghanistan gelte inzwischen als „herkunftssicheres Land“, so die Begründung. Für Kathrin Hösl ist vor allem die zeitliche Überschneidung irritierend:
Der Bescheid ist auf den 1. Dezember datiert. Rajab hat ihn aber erst am 6. Januar erhalten. Mich hat das Datum deshalb gewundert, weil er zwischenzeitlich schon die Genehmigung vom Landratsamt für die Ausbildung hatte.
Kathrin Hösl holt sich Hilfe und legt Widerspruch ein. Ex-Bürgermeister Peter Janssen, der sich als Rechtsanwalt ehrenamtlich für die Flüchtlinge einsetzt, unterstützt sie dabei und stellt einen Antrag auf Ausbildungsduldung. Obwohl sie sich gerade mitten im Betriebsurlaub befindet, setzt sie alles daran, Rajab bei den Behördengängen zu helfen.
Mitte Februar dann die Erleichterung: Rajabs bekommt die Genehmigung und damit die Zusage, seine Ausbildung fortsetzen zu dürfen. Für Papa Walter Hösl ist diese Art der Politik trotz allem nicht nachvollziehbar:
Erst will man die Flüchtlinge integrieren und schreit: „Wir helfen euch und sind für euch da“, und dann hängen die Menschen in der Luft.
Hösls Team in Rottach-Egern besteht nun aus einem KFZ-Meister, einem KFZ-Elektriker aus Polen und eben Rajab. Jetzt wuchtet sie nicht nur täglich mehrere hundert Räder, sondern kümmert sich auch noch darum, mit Rajab donnerstags und freitags die beruflichen Dinge aus der Berufsschule durchzugehen. Lächelnd sagt sie: „Da müssen wir eben durch.“
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