Im Tegernseer Bräustüberl sitzen sie alle an einem Tisch: Alt und jung, arm und reich, bekannt und weniger bekannt. Die Faszination der Gegensätze ist es, die wir zusammen mit einer Tegernseer Fotografin in unserer neuen Reihe “Originale am See” festhalten wollen. Heute: Hans Huber.
Die Tegernseerin Bommi Schwierz ist Juristin und Fotografin. In ihrem Buch “Der Tegernsee und seine Gesichter” hat sie die Menschen im Tal mit ihrer Kamera festgehalten, denen sie ein Denkmal setzen wollte.
Er ist quasi mit seinen drei roten Zapfsäulen groß geworden. Hans Huber, inzwischen stolze 86 Jahre alt, betreibt die letzte Freie Tankstelle im Ortsteil Gasse von Gmund und eine der letzten im Tegernseer Tal. Seinen blauen Mechaniker-Kittel hat er bis heute nicht abgelegt.
Er weiß, wie man Geschäfte macht. „Wozu ist mein Alter wichtig?“ Wie eine Frau beim ersten Date ziert er sich, sein Alter zu nennen. Erst nach einigem Hin und Her und meinem Versprechen, das Auto bei ihm vollzutanken, gibt er nach. Deal. Sein Treibstoff wird zu meinem. Das Gespräch kann starten.
200 Liter Fässer Treibstoff
Die Tankstelle hat Huber selbst gebaut, erzählt der 86-Jährige, und dabei blitzen zwei perfekt sitzende weiße Zahnreihen auf. Während des Krieges, so Huber, habe sein Vater damit begonnen, Landmaschinen – wie Traktoren und Mähwerke – auf dem Bauernhof zu verkaufen und alte Autos zu reparieren. Die Maschinen, die er veräußerte, brauchten Treibstoff. Also ließ man sich diesen in 200 Liter Fässern anliefern. Der Beginn der Kraftstoff-Lagerung.
Huber führte den Betrieb seines Vaters weiter. Irgendwann lohnte sich der An- und Verkauf der Maschinen nicht mehr. Immer mehr große Betriebe entstanden, mit denen man konkurrieren musste. Maschinen mit 100 PS kosteten teilweise um die 100.000 DM. Um mithalten zu können, wären Außendienstmitarbeiter nötig gewesen. Zu teuer für den Einmann-Betrieb.
Diesel. Benzin. Super.
Anfang der 60er Jahre stand Huber vor der Wahl, entweder aufzugeben oder eine Tankstelle zu bauen. „Ich bin fast dazu gezwungen worden“, so der Gmunder. Da der damalige Bürgermeister ihm gut gesinnt war, wie Huber sagt, hätte es keine Probleme mit der Genehmigung gegeben. Zunächst gab es nur Diesel, später auch Benzin. Irgendwann kam auch die dritte Zapfsäule mit Super hinzu.
Mittlerweile kann man kein Benzin mehr bei ihm tanken, sondern nur noch Super – wegen der besseren Oktanzahl. „Wir sind eine private Freie Tankstelle und deshalb von Haus aus billiger als übliche Tankstellen“, freut sich der Rentner. Früher sei alles viel einfacher gewesen. Da hatte man einen Preis, der monatelang gleich geblieben ist. „Da musste man nicht so aufpassen wie heute.“ Jetzt gebe es zweimal täglich eine Preisänderung. Es sei ihm schon passiert, dass er das Benzin teuer eingekauft habe und Tage darauf sei der Benzinpreis gefallen.
Da haben wir dann das Benzin billiger verkauft, als wir es eingekauft haben.
Dieses Risiko habe er immer gehabt, zieht er Bilanz. Die Tankstelle allein reiche eben zum Leben nicht, sagt er, „nicht einmal für die Marmelade aufs Brot.“ Früher lag der Benzinpreis weit unter einer Deutschen Mark (DM). Huber erinnert sich, dass es damals hieß:
Wenn Benzin erst eine Mark kostet, dann fährt niemand mehr Auto.
Die Autos sind geblieben. Und mit ihnen die drei Zapfsäulen. Für Huber nur ein Hobby. Sein Geld hat er in seiner Werkstatt verdient, die er aber zur Euroeinführung 2002 verpachtete. Warum er trotzdem so viele Jahre in seine Zapfsäulen investiert hat? „Damit ich auch was tue. Sonst ist das Leben so langweilig.“
Auftanken gegen Vertrauen
Sein Leben hat der 86-Jährige seinen Kunden gewidmet. Ihnen hat er immer vertraut. Die Abrechnung funktioniert bei ihm ganz einfach: Betriebe aus der Umgebung leisten eine Vorauszahlung und können dann tanken, ohne zu bezahlen. Das, was gezapft wird, tragen sie dann in eine Kundenkarte ein. Abgerechnet wird, wenn der hinterlegte Betrag verbraucht ist. „Praktisch, da muss ich nicht da sein“, so Huber.
Huber legt für seine Kunden selbst Hand an. Besonders die Frauen genießen den Service, von ihm bedient zu werden, ohne aussteigen zu müssen. Sogar wenn es nieselt. Dann nimmt Huber seinen blauen Regenschirm – passend zu seinem Kittel – in die eine und die Zapfpistole in die andere Hand.
Aus der Schublade kramt er nach Zeitungsartikeln. „Schauen Sie hier – Consul Weyer hat auch mal bei mir getankt. Oder Werner Rom. Der, der vom Bürgermeister zum Landrat aufgestiegen ist, in der Fernsehserie „Dahoam is dahoam“.
Auch heute noch kann man bei ihm von sieben Uhr morgens bis spätabends tanken. Nachts ist die Anlage abgeschaltet. Schmunzelnd sagt er: „Theoretisch können Sie von montags bis sonntags bei mir durchtanken. Nur kann es ihnen passieren, dass am Sonntag niemand da ist.“
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