Ein Kommentar von Nicole Kleim:
„Schleichts eich, Ihr Preißn!“ Worte, die einen Zuagroastn mit der Wucht eines Tornados treffen. Und das auf einem Boden, mit dem er nicht verwurzelt ist, und der ihm weder die Zeit noch die Möglichkeit lässt, Wurzeln zu schlagen.
„Schleichts eich, Ihr Preißn!“ Das ist keine Bitte. Das ist eine Aufforderung. Ein seit Generationen in den Herzen der Bajuwaren verankertes Denken, das all jene ausgrenzt, die der bayerischen Sprache nicht mächtig sind beziehungsweise nördlich von München kommen.
Ein Denken, das ein Stück Heimat verteidigen will, welches inzwischen von Nicht-Bajuwaren und Immobilienspekulanten bevölkert wird, und welches in den Augen der Einheimischen zu einem Fass voller Bonzen überläuft.
Sicher, man will nicht verdrängt werden vom Geld der Reichen. Man will auf seinem „eigenen Boden“ lediglich Gastgeber sein, mehr nicht. Ein Talherr, der zwar mit einer perfekt weiß-blauen Kulisse für sein Millionendorf wirbt, im nächsten Moment aber einen Rückzieher macht, wenn er das bekommt, was er eigentlich nicht will: Nämlich Fremde.
Touristen, Trottel und andere Talinsassen
Freilich nerven die von Touristen überfüllten Berge und Waldfeste. Freilich blutet das bayerische Herz, wenn die bislang unberührte Natur zum niedergetretenen und ausgelatschten Pantoffel verkommt. Und freilich nervt es noch mehr, wenn alte Traditionen, Bräuche und das vertraut klingende Kuhglockengebimmel sich der harschen Kritik von Unwissenden und Andersdenkenden unterziehen müssen.
Aber sollte sich dieser Groll nicht gegen die Gesetze der Politik richten anstatt gegen die Menschen? Was wäre das Tal denn ohne die „Fremden“? Es gäbe keine Hotels, keine Spielbank-Einkünfte, keine Kohle für die Gastronomiebetriebe und Berghütten.
Der Tegernsee lebt vom Tourismus. Und alle, die inzwischen durch den Verkauf ihrer Häuser und Grundstücke an Gutverdiener von außerhalb ausgesorgt haben, haben sich vom Geruch des Geldes einnebeln lassen. Ein Geruch, der manchen nun zu Kopfe steigt und auf einmal zuwider ist.
Eine glitzernde Schatztruhe ohne Vorurteile
Das Tal ist wohlhabend. Damit es aber auch reich an menschlicher Größe bleibt und nicht zu einer hermetisch abgeriegelten Schatztruhe verkommt, auf deren Grund massenweise Vorurteile wabern, müssen die gedanklichen Fesseln aufgebrochen werden.
Jemand, der in seiner Heimat kein ruhiges Plätzchen mehr findet, weil es von „Fremden“ belagert wird, was tut so jemand, wenn er sich das Tegernseer Tal nicht mehr leisten kann und woanders hin muss? Dann kann er nur hoffen, dass die „Anderen“ ihn gastfreundlich willkommen heißen, und dass die Lüneburger Heide zwischenzeitlich nicht in den gedanklichen Besitz der Norddeutschen übergegangen ist.
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