Sehnsuchtsort Tegernseer Tal

Wenn jetzt, wie zuletzt in Rottach-Egern, die Bauwut im Tal beklagt wird, so hat dieses Lamento schon Tradition. Bereits Anfang der 50er Jahre wurde „dem Bauboom freien Lauf gelassen“, schrieb einst Hans Halmbacher in seiner Chronik „Das Tegernseer Tal“ und mahnte bereits vor Jahrzehnten vor tiefgreifenden Veränderungen.

Zahlreiche Promis leben am Tegernsee. Ein Grund für die hohen Immobilienpreise.

Nun ist nach Sylt die teuerste Meile in der Republik ausgemacht: der Tegernsee. Seit Wochen wird das Tal als „der neue, alte Sehnsuchtsort der Reichen und Mächtigen“ ausgemacht, so jüngst das renommierte Handelsblatt. Drei Wochen zuvor titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Deutschland, deine Reichen – die Oberschicht am Tegernsee. Und wo ballt sich mehr Wohlstand als am Tegernsee?“ Es scheint in Mode gekommen zu sein, eine „skurrile Welt zwischen Biedermeier und Avantgarde“ (FAZ) zu besuchen.

Als wäre dieser Trend neu, „dass selbst die Zugezogenen aus dem gottlosen Norden, die Industriellen aus dem Sauerland und Ostwestfalen, den bayerischen Herrgott loben, wie der alles so herrlich hingestellt hat“, so die FAZ weiter. Verkannt wird dabei, dass schon wenige Jahre nach Kriegsende „der Drang nördlich lebender Menschen begann“, notierte Chronist Hans Halmbacher, „sich im südbayerischen Raum anzusiedeln.“ Durch den Zuzug der „Fremdansiedler“ hätten die „Kommunalbevollmächtigten“ Aufwind gewittert und teilweise „kräftig mitgewirkt, Baugrund an Fremde zu vermarkten“.

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„Fremde werden sich ansiedeln“

Ehe man sich versah, sei ein „Großteil unserer herrlichen ländlichen Landschaft ausverkauft“ gewesen, schrieb Halmbacher 1982 im Vorwort zum 2. Band seiner Chronik. Die Einsicht, dass es so nicht weitergehen könne, sei den Verantwortlichen „zu spät“ gekommen. „Unverstand und kommunale Arglosigkeit gaben mit Beginn der 50er Jahre dem Bauboom freien Lauf. Der Grundstücksmarkt im Tegernseer Tal hatte Hochkonjunktur, die Baulandpreise stiegen fortwährend und maßlos“, beklagte Halmbacher schon vor über 35 Jahren. Geändert hat sich nichts.

Ein früher Ruderbootsausflug auf dem Tegernsee / Foto: Reitmayer-Archiv

Geld diktierte damals wie heute die Preise des immer knapper werdenden Baugrunds. Wenn Rottachs Bürgermeister Christian Köck kürzlich in der Bürgerversammlung davon berichtete, dass Baulöwen im Ort mit Millionen im Geldkoffer unterwegs seien, so ist dies kein Novum. Halmbacher sichtete vor Jahrzehnten schon „geldschwere Käufer“ aus dem nord- und westdeutschen Raum, von denen es „mehr als genug gab“. So sei es zur Verbauung der Bergflanken der östlichen Uferlandschaft des Tegernsees gekommen.

Dort wurden von ortsfremden Wohnungsbaufirmen schöne, alte und stilechte Landhäuser aufgekauft und niedergerissen“. Stattdessen seien zum „Zwecke der Vermarktung stilfremde, teilweise scheußliche und für den einheimischen Geschmack untragbare Wohnkasernen errichtet worden.

Dies alles sei vor den Augen der Verantwortlichen geschehen, denen „jegliches ethische Gefühl für Natur und Schönheit“ abhanden gekommen sei. „Nachdem nun der größte Teil unseres Tegernseer Landschaftskapitals verschachert ist, beginnt das große Jammern“. Stadt und Gemeinden hätten es versäumt, an die Zukunft ihrer eigenen Bürger zu denken. Schon in den 80ern sei den Einheimischen ein Hausbau in den meisten Flurbereichen unmöglich geworden. Es sei denn, man würde wieder einmal auf die Außenbereiche „zurückgreifen“.

Doch Halmbacher ahnte schon, was passieren würde: „Aber auch dann werden sich dort in erster Linie Fremde ansiedeln können“. Wie recht er doch hatte. So sieht nicht nur die FAZ die Tallage: „Reiche treffen hier auf Schöne, Zementkönige auf Immobilienentwickler, Topmanager auf noch besser bezahlte Fußballstars“.

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