Politik im sozialen Netz? Zwei Ausnahmen aus dem Tegernseer Tal

Sucht man in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter nach unseren Gemeindepolitikern, ist derzeit kaum einer zu finden. Die Gründe sind vielschichtig, wie uns einige Gesprächspartner erzählen.

Doch wäre es heutzutage nicht eher “normal”, sich beispielsweise auf Facebook zu präsentieren und so den Kontakt mit den Bürgern zu suchen. Überwiegen bei der Nutzung Chancen oder Risiken?

hermann ullbricht beim stabhochsprung im sommer 2011
Hermann Ulbricht (rechts) ganz privat beim Stabhochsprung-Event im Sommer diesen Jahres. Eines von vielen Bildern in seinem Facebook-Profil.
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Rottach-Egerns zweiter Bürgermeister Hermann Ulbricht ist bei Facebook und im Business-Netzwerk Xing aktiv. Für ihn hat es verschiedene Gründe, warum so wenige seiner Kollegen die sozialen Netzwerke nutzen:

Viele sind nicht internetaffin, zu alt oder sehen einfach keinen Nutzen, bei den bekannten Plattformen vertreten zu sein.

Da fehlt es an geeigneten Strategien.

Bad Wiessees Geschäftsleiter Michael Herrmann trennt grundsätzlich „Privat und Geschäft“. Er selbst nutzt Facebook privat. In seiner offiziellen Funktion jedoch noch nicht. Den Gemeinden fehlt es hier an geeigneten Öffentlichkeitsstrategien. Absolut ist die Haltung Herrmanns aber nicht, wie er betont:

Bei Bewerbungen für Jobs in der Verwaltung, suche ich schon ab und zu bei Facebook nach zusätzlichen Informationen.

Im Vorteil sei dann sicherlich jemand, wer dort durch ein ansprechendes Profil, eine gute Präsentation auffällt. Ganz wie im „echten Leben“. Wer hingegen nur „Blödsinn“ absondert oder Bilder ausschweifender Parties veröffentlicht, erweckt womöglich einen gegenteiligen Eindruck.

Genau so sicher ist aber auch, dass man als Politiker an dem Phänomen soziale Netzwerken nicht vorbei kommt. Allein Facebook nutzen weltweit über 800 Millionen Menschen. Viele davon privat. Jedoch sind Geschäftsleute, Firmen, Sportler und Prominente – sprich „öffentliche Personen“ – schon fast standardmäßig vertreten.

Öffentlichkeitsscheu oder Risikobewusst?

Doch wieso sind ausgerechnet Kommunalpolitiker so „öffentlichkeitsscheu“? Müssten die Bürgermeister und Gemeinderäte nicht die ersten sein, die auch hier den Kontakt zu den Bürgern, ihren Wählern suchen?

Die Vorteile liegen auf der Hand: Man erfährt, was die Menschen bewegt, ist direkt „ansprechbar“, zeigt, dass man auf der Höhe der Zeit ist und erreicht tendenziell auch jüngeres Publikum.

micheal herrmann bei der jagd
Michael Herrmann bei der Jagd mit seinem Hund.

Klar ist aber auch, bei sozialen Plattformen gibt es rechtliche Herausforderungen. Datenschutzfragen sind ein ständiges Ärgernis. Und zu laxer Umgang mit den Nutzerdaten kann ein potentielles Risiko bedeuten.

Doch Risiken lauern überall. Man muss sich darüber bewusst sein und sich damit auseinandersetzen. Oft wird so die Sorge, man wolle über sich keine privaten Informationen preisgeben, als Grund angeführt sich mit Facebook nicht auseinandersetzen zu wollen. Dabei hat es der Nutzer selbst in der Hand, welche Informationen er öffentlich macht.

Mit dieser Thematik haben sich Rottach Zweiter Bürgermeister Hermann Ulbricht und Bad Wiessees Geschäftsleiter Michael Herrmann natürlich auseinander gesetzt. „Man kann den Zugang für Dritte beschränken oder komplett unterbinden. Was über mich bei Facebook zu lesen ist und/oder mir „gefällt“ würde ich aber auch jedem im echten Leben mitteilen“, so Ulbricht.

Medien, die zum Leben und zur Politik gehören

Ulbricht spricht aus, was für viele Nutzer sozialer Netzwerke mittlerweile konsens ist: Facebook gehört zum „echten Leben“ – so wie Handy, Telefon Fernsehen. Es sind Medien, die man bewusst nutzt.

Michael Herrmann ist ein typisches Beispiel: Sinn und Zweck von Facebook waren ihm zunächst fremd. Dann holte ihn das „echte Leben“ ein: „Seit Jahren kicke ich in meiner Freizeit. Die Terminabsprachen liefen nur noch über Facebook. Um keine Treffpunkte und Terminabsprachen mehr zu verpassen, „musste“ ich mich anmelden.“ Heute möchte er Facebook nicht mehr missen und nutzt es täglich. “Es vereinfacht vieles,” so Herrmann.

Auch Ulbricht schätzt das Netzwerk wegen des sozialen Mehrwerts:

So kann ich mit Bekannten aus aller Welt am besten in Kontakt bleiben. Und alleine das ist schon eine gute Sache.

Doch darüberhinaus bieten die großen Netzwerke für die lokalen Politiker weitere Chancen. Die klassische Wahrnehmungsformel “Bild + Artikel in der lokalen Zeitung = Öffentlichkeit” verschwindet zusehends. Der Grund ist simpel: immer weniger Menschen abonnieren Zeitungen, immer mehr nutzen dagegen das Internet, um sich zu informieren.

Der Schritt hin zu den “Orten”, an denen man als Politiker seine Wähler direkt erreicht, wird daher auch in Zukunft wichtig sein. Und auch hier gilt; der erste Schritt ist meistens der schwierigste.

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