For you. Vor Ort. Vorbei?

Nach Bekanntwerden der Insolvenz der Drogeriekette Schlecker herrscht große Unsicherheit – bei Kunden und bei Mitarbeitern. Welche Filialen bleiben bestehen, wo gibt es Schließungen, wer verliert seinen Job? Auch das Tegernseer Tal könnte betroffen sein.

Die Schlecker-Pleite kostet deutschlandweit vermutlich 30.000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Ob auch am Tegernsee ist derzeit offen. In den letzten Jahren gab es Filialschließungen in Rottach-Egern und in Bad Wiessee.

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Ungewiss ist die Zukunft der Mitarbeiter der drei noch existenten Schlecker-Märkte in Tegernsee, Gmund und Bad Wiessee. Um uns ein genaueres Bild von der Lage vor Ort machen zu können, haben wir auch die Filialen persönlich besucht.

Presse nicht erwünscht

Nirgends rund um den Tegernsee war man zu einer aussagekräftigen Stellungnahme bereit. „Rufen Sie bei der Pressestelle an, bekommen wir als kurze Antwort.”

Eine Mitarbeiterin in Gmund ist um die 40 Jahre alt. Sie räumt gerade Regale ein. Fragen möchte sie keine beantworten. Eine andere jüngere Mitarbeiterin sieht verstohlen zu uns herüber. Antworten gibt es hier keine, bis auf diese: “Wir dürfen Ihnen nichts sagen. Anweisung von oben.”

Die Schlecker-Filiale in Gmund. Doch wie lange gibt es den typischen kleinen Schleckermarkt vor Ort noch?

Ähnlich die Reaktion in Tegernsee. Antworten? Fehlanzeige. Die Nummer der Pressestelle könne man uns geben. Diese Auskunft gibt es zwischen Tür und Angel. Von einem Fax oder Brief schreibt die Mitarbeiterin die Nummer ab. Sie reicht einen kleinen Zettel mit einer Handynummer und einer Festnetznummer darauf.

Auf Nachfrage, ob man denn schon etwas zum Schicksal der Filiale weiß, verweist man uns mit einem Lächeln und Augenzwinkern an den Pressesprecher. “Netter Versuch!”, soll das wohl heißen.

Verunsicherte Kunden

In Bad Wiessee antwortet eine Mitarbeiterin. Die Frau scheint besorgt. Von der Insolvenz habe sie in den Medien erfahren. Viele Kunden seien verunsichert, würden nachfragen, ob die Filiale erhalten bleibt.

Von einer möglichen Schließung weiß man hier aber noch nichts. „Das weiß die Unternehmensleitung vielleicht konkret noch nicht einmal selbst“, macht sich die Frau selbst ein wenig Hoffnung.

Vier Straßen weiter in Richtung Wiesseer Seestraße ist der zweite Drogeriemarkt von Schlecker schon vor einiger Zeit geschlossen worden. Eine Apotheke hat kurze Zeit später den Laden gepachtet. „Damals bin ich von der alten in die jetzige Filiale gewechselt. Wenn die jetzt auch noch dicht macht, wer weiß, ob ich in meinem Alter dann überhaupt noch mal einen neuen Arbeitsplatz finde.“

Ein Passant erzählt uns, die Filiale schon immer anderen Supermarkten vorgezogen zu haben:

Das ist das einzige gute Geschäft direkt hier im Ortskern! Naja. Vielleicht übernimmt ja ein Investor die komplette Schleckerkette. Wer weiß das schon.

Viele ältere Menschen wohnen in Bad Wiessee. In Zukunft müssen diese womöglich in die umliegenden Orte fahren, um Drogerieartikel zu kaufen. Für einige zu weit und zu beschwerlich. Als wir ein Bild der Filiale machen, witzelt ein weiterer Passant: “Sie machen wohl das letzte Bild, was?”

Kaum Informationen durch die Pressestelle

Zurück in der Redaktion versuchen wir die Pressestelle in Düsseldorf zu erreichen. Mehrmalige Anrufe bleiben erfolglos. “Zu Zeit sind alle Mitarbeiter in einem Gespräch”, gibt uns eine Tonbandansage zu verstehen. Per Handy erreichen wir den zuständigen Pressesprecher Alexander Hüttler:

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen über einzelne Märkte, Städte oder Regionen treffen können. Sobald wir selbst mehr wissen, werden die Medien informiert. Ziel ist es so viele Standorte wie möglich zu erhalten. Das gleiche gilt für die Frage nach den Arbeitsplätzen.

Laut Hüttler habe das Management, die Mitarbeiter sowie die Gläubiger in vielen Punkten Einigkeit erzielt. Einer Planinsolvenz stehe also grundsätzlich nichts mehr im Wege. Ob die Mitarbeiter das ebenfalls so sehen wollen wir noch wissen. Doch plötzlich ist die Verbindung unterbrochen. Ein neuerlicher Anrufversuch bleibt ohne Erfolg.

Schlecker in Tegernsee - eine von drei Filialen im Tal

Deutschlandweite Kritik

Das Thema “Schlecker” ist zur Zeit fast überall zu finden. Die Unternehmerfamilie Schlecker steht stark in der Kritik. Auch Trigema-Chef Wolfgang Grupp geht hart mit Anton Schlecker ins Gericht.

Gegenüber der “WirtschaftsWoche” äußerte er, Schlecker habe das Geld, das er mithilfe seiner Beschäftigten verdient habe, für sich behalten. Weiter kritisierte Grupp: “Hier werden diejenigen belohnt, die dem Größenwahn und der Gier frönen, während die Anständigen die Dummen sind.”

Laut Informationen der Financial Times Deutschland (FTD) soll nun eine sogenannte Planinsolvenz in die Tat umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung. Das Unternehmen legt dem Insolvenzrichter dabei ein Sanierungskonzept vor, mit dem es entschuldet werden soll.

Die Familie Schlecker könnte so Eigentümer der Kette bleiben. Wichtig dabei ist: Der Insolvenzverwalter übernimmt nur die Aufsicht bei einem solchen Verfahren. Die Geschäftsführung bleibt weiter im Amt.

Danach würde auch die Geschäftsführung Pläne vorlegen wie es mit Filialschließungen, Stellenabbau und Kostensenkungen weitergeht, nicht der Insolvenzverwalter. Auf der Facebook-Seite des Unternehmens kommentiert eine Nutzerin das angekündigte Planinsolvenzverfahren wie folgt: “Das rettet unsere Arbeitsplätze auch nicht mehr. Danke Anton.”

Laut Spiegel geht es aber nicht nur um die Arbeitsplätze, auch die Gehälter sind in Gefahr. Mit einer Planinsolvenz kann das Unternehmen auch die bestehenden Tarifverträge mit ver.di außerplanmäßig kündigen. Schlecker wäre sonst bis Juni an einen Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag gebunden gewesen, der Entlassungen nicht möglich macht.

Seit 2010 waren die Kinder von Firmengründer Anton Schlecker für eine Neuausrichtung des Unternehmens zuständig. Sie versprachen mehr Offenheit – umgesetzt wurde die aber nicht. Das zeigen solche versteckten Schachzüge im Insolvenzverfahren ebenso, wie der mangelhafte Umgang mit Presse und Öffentlichkeit.

Kundennähe und unternehmerische Verantwortung für die Mitarbeiter geht anders.

Hinweis der Redaktion:
Dieser Artikel stammt im Original von unserem Istlokal-Partner Rheinneckarblog.de.
Autor ist Jörg Theobald.

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