Die Energiewende und das damit verbundene Ziel des Landkreises Miesbach ist es bis 2035 energieautark zu sein. Ein allzu visionäres Vorhaben?
Norbert Kruschwitz, Vorsitzender des E-Werks Tegernsee meint: „Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, müssen sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern und zusätzliche fossile Kraftwerke entstehen. Auch am Tegernsee.“
Kruschwitz ist davon überzeugt, dass Privathaushalte zukünftig den Energiebedarf für Strom und Wärme autark und umweltfreundlich mit regenerativen Ressourcen produzieren werden. Doch der E-Werk-Chef sagt zugleich: „Der Gesamtenergiebedarf des Tegernseer Tals und des Landkreises Miesbach kann nicht alleine über regenerative Energien gedeckt werden.“
Ein entscheidender Haken?
Leider gebe es bei regenerativer Energie nämlich einen entscheidenden Haken, führt er aus: „Das Problem ist und bleibt, dass sie nicht kontinuierlich abrufbar ist und es bisher nur Ansätze zur Energiespeicherung gibt.“
Außerdem fehlt der Gleichzeitigkeitsfaktor. Im Sommer wenn der „Energiehunger“ deutlich geringer ist als im Winter, scheint beispielsweise die Sonne und es gibt einen Energieüberschuss. Nachts und im Winter ist es genau umgekehrt. Dann wird viel Energie für das Heizen benötigt.
Anteil erneuerbarer Energie hat sich seit 2001 vervierfacht
Insgesamt beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland mittlerweile 11 Prozent. Dies geht aus den Zahlen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorschutz hervor. 2010 kamen dabei über 16 Prozent des von Endenergieverbrauchern genutzten Stroms und fast zehn Prozent der Wärme von erneuerbaren Energiequellen.
Bei der Stromerzeugung ist Windenergie (6%) Spitzenreiter, gefolgt von Biomasse (5,5%) und Wasserkraft (3,3%). Bei der Wasserkraft gebe es bei uns aber kaum noch zusätzliches Potential und geeignete Standorte seien laut Kruschwitz weitgehend ausgeschöpft.
Das E-Werk selbst hat zwei Wasserturbinen. Weil zuweilen zu wenig Wasser in den Bächen ist, müssen die Turbinen allerdings auch mal vom Netz genommen werden oder können nur mit einer geringen Auslastung betrieben werden.
Photovoltaik sei trotz Milliardenförderung mit zwei Prozent am Gesamtstromverbrauch die regenerative Stromquelle mit dem geringsten Anteil. „Für mich ist die Subventionierung der Photovoltaiktechnik durchaus fragwürdig“, sagt Kruschwitz.
Biomasse, dazu gehören Holzschnitzelanlagen wie die in der Naturkäserei in Kreuth, liegt mit 9 Prozent bei der umweltfreundlichen Wärmegewinnung an erster Stelle vor Solar- und Geothermie (je 0,4%). Über die Energiegewinnung durch Geothermie wird derzeit in Holzkirchen nachgedacht. Dafür sind Bohrungen bis zu einer Tiefe von vier Kilometer nötig. „Dieses Verfahren hat aber durchaus Risiken und ein wirtschaftlicher Betrieb ist heute noch nicht immer sichergestellt.“
Bewusster Umgang mit Energie
Der Gesamtstromverbrauch rund um den Tegernsee ist über die letzten Jahre mit etwa 100.000 Megawattstunden (MWh) relativ konstant geblieben. Das liege laut Kruschwitz trotz Wirtschaftswachstums vor allem daran, dass viele energieeffiziente Geräte eingesetzt werden und Verbraucher bewusster mit Energie umgehen.
Der Anteil der Privatverbraucher am Gesamtstromverbrauch im Landkreis Miesbach (500.000 MWh) liegt bei annähernd 50 Prozent. Dieser hohe Prozentwert ergibt sich aus einem einfachen Grund: In der Region gibt es wenige „stromfressende“ Industrieunternehmen.
Im Tegernseer Tal sei beispielsweise der Anteil an Industriebetrieben, die eine sehr hohe Energielast verursachen, gering ausgeprägt. Die beiden nennenswertesten produzierenden Unternehmen sind die Papierfabriken im Louisenthal. Daher gibt es im Stromnetz des E-Werk Tegernsees auch keine ungewöhnlich hohen Ausschläge bei der Stromlast.
Durch gut isolierte Häuser lässt sich sehr viel Geld sparen
Haushaltsgeräte (9%) und Licht (2%) zusammen machen beim Energieverbrauch im Privathaushalt den geringsten Teil aus. Das Heizen macht laut einer Studie der Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch mit 77 Prozent den mit Abstand größten Anteil aus. 12 Prozent der Energie werden für Warmwasser benötigt.
Für Kruschwitz ist daher die Stellschraube effizientes Heizen am sinnvollsten. Dazu gehört es auch in eine gute Wärmedämmung von Häusern zu investieren, um bei den Heizkosten zu sparen. Hier gebe es immer noch großes Potential und die Energieeffizienz kann bei vielen Hausbesitzern noch gesteigert werden. Gemeinden bieten hierfür kostenlose, teilweise auch individuelle, Energieberatungen an.
Auch die vielen Betriebe am Tegernsee achten wie die Privatverbraucher laut Kruschwitz sehr auf Energieeffizient und leisten dadurch einen Beitrag zur Energiewende: „Zunehmend setzen Unternehmen auf Erdgas als Heizquelle“, so Kruschwitz: „Über das Prinzip der Kraftwärmekopplung wird auch Strom erzeugt.“
In einigen Hotels kommen bereits Kraftwärmekopplungen zum Einsatz. Ende Februar wird es eine Informationsveranstaltung für diese Art der Energiegewinnung geben: „Kraftwärmekopplungen eignen sich mittlerweile auch für Kleinst- und Durchschnittsverbraucher wie Ein- und Mehrfamilienhäuser.“ Die Investition in eine solche Anlage kann sich nach etwa zehn Jahren amortisieren.
Ohne Zusatzkraftwerke ist keine Energieautarkie möglich
Unabhängig von den vielen Möglichkeiten, die individuell umgesetzt werden können um die Energiewende zu forcieren bedarf es einer übergeordneten Gesamtlösung für die Energiepolitik, die bisher in weiter Ferne scheint.
Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) bestätigte in einem Artikel des Münchner Merkur vom 19. Januar ein Problem das Kruschwitz längst erkannt hat: „Um im Lokalen komplett energieautark zu werden, braucht man fossile „Backup Kraftwerke“. Ein politischer Vorstoß Zeils, der die Sache scheinbar auf den Punkt bringt.
In Bayern sind sechs neue Gaskraftwerke geplant. Dafür stimmen allerdings die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht. Wenn ausreichend regenerative Energien zur Verfügung steht, müssen derzeit die fossilen Kraftwerke, wozu auch Gaskraftwerke gehören, gedrosselt oder gar abgeschaltet werden.
Einen geeigneten Standort und eine sinnvolle Nutzung für ein größeres Gaskraftwerk mit integrierter Kraftwärmekopplung im Tegernseer Tal kann sich Kruschwitz durchaus vorstellen. Wo genau dieser Standort sein könnte, will Kruschwitz nicht verraten und weicht mit einem Zitat des Politikers Straußs aus: „Das Kapital ist geil wie ein Bock, aber scheu wie ein Reh.“
Ist Windkraft eine Lösung fürs Tegernseer Tal?
Unabhängig von fossilen Kraftwerken, könnten Windkraftwerke eine Lösung für die Energiewende im Landkreis Miesbach darstellen und scheinen geeignet, um einen großen Teil des Strombedarfs zu kompensieren.
Und wir sprechen hier nicht von Windkraftimporten aus Mecklenburg-Vorpommern, von Nord- und Ostsee oder von Nordbayern. Autarkie sieht anders aus. Dazu ist der Bau von Strom erzeugenden Anlagen hier vor Ort nötig.
Ein heikles Thema zu dem Kruschwitz eine klare Meinung hat: „Wir am Tegernsee leben vom Tourismus. Und ich kann mir nicht recht vorstellen, dass die Landschaft durch Windräder verunstaltet wird – bei zweifelhaftem Erfolg. Sie können den Energiehunger unserer Gegend nicht mit ein paar Windrädern stillen. Sie können die Landschaft verschandeln, für den Energiebedarf reicht es aber trotzdem nicht. Letztlich vermute ich, dass das Tegernseer Tal keine Windräder bekommen wird.“
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