Rund 70 Rottacher Bürger sind gestern Abend in die Gebirgsschützenhütte gekommen, um zu erfahren was die Gemeinde baulich in den nächsten Jahren so vor hat. Die Neugier bei den Anwesenden war groß.
„Gegen eine weitere Nachverdichtung des Ortskerns können wir uns nicht wehren“, sagt Bauamtsleiter Walter Hübsch. Auch haben einige Bausünden der Vergangenheit schwerwiegende Auswirkungen auf die aktuelle und zukünftige Entwicklung in der Gemeinde.
Wenn es nach Hübsch geht, soll Rottach außenherum relativ unverändert bleiben. Lediglich am Enterrottacher Gewerbehof könne er sich eine Erweiterung vorstellen. Grundsätzlich jedoch „tasten wir keine Außenbereichsflächen an“, sagte uns der seit 45 Jahren im Bauamt tätige Leiter bereits vor einigen Wochen.
Dies bestätigt nun auch Bürgermeister Franz Hafner und meint: „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich auch lieber hier bauen als im Flachland. Aber die Natur im Tegernseer Tal ist unser schützenswertestes Gut“, so der Bürgermeister und fügt an: „Wer anderer Meinung ist, sollte lieber auf ein politisches Amt verzichten.“
Verlorener Prozess
Über dem Willen des Gemeinderats stehe aber nicht nur die Stimme des Landratsamtes, sondern auch das Bundesbaugesetz. Dort heißt es in Paragraph 34 sinngemäß: Fügt sich ein geplanter Baukörper in die Nachbarschaft ein, so ist das Vorhaben innerhalb von zusammenhängend bebauten Ortsteilen zulässig. Folglich kann auch Gemeinderat oder ein anderes kommunales Gremium ein Vorhaben nicht verhindern.
In einigen Teilen Rottachs, wie in der Kisslingerstraße oder der Karl-Theodor-Straße, gebe es Bausünden, die sich immer weiter fortpflanzen würden. Da reden Hübsch und Hafner gar nicht lange um den heißen Brei herum. Diese stammen noch aus den 60er und 70 Jahren. Man hätte sich zwar als Gemeinde zum Teil vor dem Verwaltungsgericht dagegen gewehrt, den Prozess aber verloren.
Da diese überdimensionierten Gebäude nun das Ortsbild mitprägen, sind sie auch Bezugspunkt für neue Häuslebauer. Architekten leiten über das Baugesetzbuch ein „kommerziell maximales“ Recht ab. „Die alten Bausünden machen heute das Tor auf für Neue“, sagt Hübsch und fügt an: „Das springt fast über wie ein Krebsgeschwür.” Eine Gebietsabgrenzung oder Grenze könne man, trotz mehrfacher Versuche, vor dem Landratsamt nicht geltend machen.
Bringen Kapazitätsgrenzen der Kläranlage neuen Baustopp?
Was die bauliche Zukunft Rottachs und des Tals angeht, sind aber nicht nur Baugesetze mitbestimmend. Auch die begrenzten Kapazitäten der Kläranlage sind wichtig. Denn diese gingen in den 70er Jahren zu Rande und führten zu einem Baustopp.
Wenn man von der Kläranlagenkapazität spricht, sind die Einwohnergleichwerte (EWG) gemeint. 60.000 solcher EWGs hat die Kläranlage in Gmund, die 1965 in Betrieb genommen wurde. Damit man die europaweit erste Ringkanalisation um einen besiedelten See gegenfinanzieren konnte, setzte die Politik damals verstärkt auf Wachstum. Der 1967/68 aufgestellte Rottacher Flächennutzungsplan war zu dieser Zeit zum Beispiel auf eine Einwohnerzahl von rund 10.000 Bürgern ausgelegt.
Doch wenig später intervenierte der Abwasserzweckverband Tegernseer Tal und bremste nicht nur die Rottacher Bauabsichten ein. „Alle zu diesem Zeitpunkt eingereichten Bauanträge mussten zurückgestellt werden“, berichtet Bürgermeister Hafner. Und er stellt klar, dass im Anschluss die Abwasserkapazitäten nach anerkannten Methoden neu bewertet und berechnet worden seien. Die Konsequenz waren neu enstandene Kapazitäten um zu bauen.
“Auch diese sind endlich”, erklärt Hafner auf Nachfrage eines Zuhörers. Doch wieviel Abwasserkapazität Rottach noch übrig hat, wollte Hafner nicht sagen. “Ich will keine Spekulanten auf den Plan rufen.” Das Kontingent für Wohnungsbau sei aber im Grunde genommen leer. „Es gibt jedoch ein nicht zweckgebundenes Kontingent für Wohnungsbauten.” Auf dieses so Hafner, könne man derzeit noch zurückgreifen.
„Natur ist unser Kapital“
Dabei ist der Rottacher Bürgermeister froh, dass die Gemeinde seit den 80er Jahren grundsätzlich nicht mehr auf baulichen Wachstum setzt.
Die damalige Mangelverwaltung durch den Zweckverband hätte ein Umdenken im Tegernseer Tal bewirkt: „Dadurch hat sich das Bewusstsein in den politischen Gremien geändert“, sagt Hafner.
Nicht massenhafte Ansiedlung, sondern der Erhalt der Landschaft seien im Anschluss verstärkt in den Mittelpunkt geraten. „Die Natur ist unser Kaptial. Wenn es verbraucht ist, ist nichts mehr da“, sagt Hafner.
Stimmen aus dem Publikum
Dies ist auch Josef Maier ein Anliegen: „Die bestehenden Grünflächen müssen unbedingt erhalten bleiben“, so der Rentner. Dieser Meinung schlossen sich auch die Eheleute Gitta und Lutz Schowalter an. Dabei finden die beiden es schade, dass wenn gebaut wird, nur noch Luxusvillen entstehen und dass es die Einheimischen seien, die ihre Grundstücke an die Meistbietenden verkaufen würden. „Es werden immer mehr Fremde. Die Alten sterben langsam weg und die Jungen können es sich nur noch schwer leisten, am Tegernsee zu leben.“
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