Discounter machen kleine Läden kaputt – Mythos oder Realität?

Erst durfte der Aldi in Weissach. Und demnächst wird wohl auch der Lidl in Tegernsee um 200 auf dann 1.000 Quadratmeter vergrößert. Zulasten des Lagerraums wohlgemerkt. Denn das Sortiment soll – laut Aussagen der Verantwortlichen – nicht größer werden.

Die Stadt Tegernsee hat trotzdem die anderen Tal-Gemeinden zu Stellungnahmen aufgefordert. Die meisten hatten keine Einwände, und nur Bad Wiessee möchte auf Antrag von Gemeinderat Hartwig Bayerschmidt darüber in der Sitzung diskutieren – “Wegen dem Schwund der kleinen Läden”, wie Bayerschmidt betont. Grund genug für uns, einmal die Kunden zu Wort kommen zu lassen.

Der Aldi in Weissach wurde schon vergrößert. Nun will auch der Lidl in Tegernsee-Süd.
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Das größte Argument der großen Discounter scheint der Preis zu sein. Sie nehmen einfach größere Mengen ab und drücken damit die Einkaufskonditionen oder besitzen Eigenmarken. Den Preisvorteil geben sie an die Kunden weiter. Eine Win-Win-Situation?

Nicht ganz. Denn durch die höheren Einkaufspreise kann der Laden um die Ecke dann nicht lange mithalten und muss früher oder später schließen. Dafür könnten “Tante Emma” oder der Dorfladen um die Ecke dann aber auch mit Qualität und Service punkten und so verlorene Kunden wieder zurückholen. Soweit zu den vermeintlich bestätigten Vorurteilen.

Frischere Ware im Supermarkt?

Deswegen waren wir auch einigermaßen überrascht über die erste Aussage einer Supermarktkundin: „Ich gehe hierhin, weil ich immer frische Qualität haben will. Letztens war ich bei meinem Laden um die Ecke. Da gehe ich nie wieder hin. Alles war überreif oder sogar faul“, beschwert sich die Frau gestenreich.

Auch der nächste Befragte, ein Urlauber aus Chemnitz, sieht nicht den Preis als vorrangiges Entscheidungskriterium: „Die Kette kenne ich einfach von zu Hause. Da weiß ich, was ich kriege“, meint er auf unsere Frage.

Der Wiedererkennungswert ist scheinbar ein großes Plus, begegnet er uns doch immer wieder bei unserer Reportage. Trotzdem hat ein Kunden – ebenfalls Tourist – eine Lösung parat, die seiner Meinung nach die kleinen „Tante Emma“-Läden profitabler machen würde:

In unserem Wohngebiet in Norddeutschland haben sich 20 Rentner zusammengetan und einen Laden aufgemacht, um ihre Rente aufzubessern. Das spart Personalkosten, und die Betreiber sind mit Engagement dabei.

Ein Modell, das auch im Tegernseer Tal funktionieren würde? Einen Versuch wäre es zumindest mal wert.

Frische und Service bekomme ich nicht bei Aldi oder Lidl

Fragt man nun die Kunden der kleinen Läden, stellt sich die Situation wieder aus einer anderen Sichtweise dar. Hier stehen die kundennahe Beratung sowie die Qualität an erster, Stelle und viele glauben auch nicht, dass man Vergleichbares beim Discounter erhält.

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Viele lobende, aber auch einige kritische Aussagen zu Discountern und „Tante Emma“-Läden konnten wir sammeln. Eine eindeutige Meinung war jedoch nicht herauszuhören. Am Ende bleibt es wohl einfach jedem selbst überlassen, wo er am liebsten einkauft.

Supermarkt, Markthalle, Bauernmarkt oder Dorfladen. Im Tegernseer Tal gibt es – zumindest für die meisten – viele Möglichkeiten in erreichbarer Nähe. Auf Discounter bezogen geht aus einer GfK-Studie hervor, dass deutschlandweit neun von zehn Haushalten in gerade einmal zehn Minuten einen solchen erreichen können. Diese hättten sich Discounter in den letzten Jahren durch etliche Investitionen “erkauft” – was wiederum auch auf das Tegernseer Tal abzuleiten ist.

Ist die Größe der Verkaufsfläche das K.o.-Kriterium?

Letztlich ist ganz objektiv betrachtet eines Fakt: Kritisch für die kleinen Läden ist nicht alleine die Größe der Verkaufsflächen von Discountern. Vielmehr ist für “Tante Emma” der Umstand entscheidend, dass Discounter wie Aldi und Lidl neben den traditionellen “Billigartikeln” zunehmend auch hochwertige Waren und frische Produkte ins Angebot aufgenommen haben.

Discounter schließen dadurch immer mehr eine bis vor Kurzem noch existente Nische von kleinen Läden. Die Geschäftsmodelle verändern sich. Ein Umstand, der auch in der politischen Diskussion verstärkt in den Mittelpunkt rücken sollte. Vor allem aber ein Fakt, dem sich die “Tante Emmas” im Tal stellen müssen. Mit Kundennähe und Frische ist es eben nicht mehr “nur” getan.

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