Crowdsourcing ist einer der neuen Modebegriffe, wenn es um die Möglichkeiten des Internets geht. Crowd = Masse. Crowdsourcing = Anzapfen der Masse. Oft wird in diesem Zusammenhang über kreative Ideenfindung und Schwarmintelligenz gesprochen.
Crowdsourcing findet aber längst auch bei uns im Tal statt. Ganz ohne Modebegriff und ganz ohne, dass es jemand merkt. Einfach so. In unserem Alltag.
Fragt man Wikipedia, wird Crowdsourcing so beschrieben:
Crowdsourcing bzw. Schwarmauslagerung bezeichnet im Gegensatz zum Outsourcing nicht die Auslagerung von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen, sondern die Auslagerung auf die Intelligenz und die Arbeitskraft einer Masse von Freizeitarbeitern im Internet.
Eine Schar von Experten und Dienstleistern generiert Inhalte, löst diverse Aufgaben und Probleme oder ist an Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt. Crowdsourcing ist damit ein Prinzip der Arbeitsteilung, die mit ihren positiven Spezialisierungseffekten zu den Grundprinzipien des Wirtschaftens zählt.
Einigen wird im Zusammenhang mit Crowdsourcing die eine oder andere missratene Marketingaktion einfallen. Denn manche Firma oder Stadt hat sich bereits ganz schön in die Nesseln gesetzt beim Versuch, die “massenhafte Intelligenz der Kunden” um Ideen zu bitten. Egal, ob durch Kunden entworfene Etiketten für Spülmittel oder die Namenssuche einer Stadt für einen neuen Tunnel – nicht immer entscheidet die Masse das, was die Marketingfachleute sich wünschen.
Blitzerwarnungen der Tegernseer “Crowd”
Und trotzdem stecken in der Verknüpfung vieler Menschen, die alle an einer Sache “arbeiten”, sehr viele Chancen. Bei uns im Tegernseer Tal funktionieren beispielsweise die crowdgesourcten Blitzerwarnungen inzwischen beachtlich gut. Kaum einer macht sich darüber Gedanken, dass das, was da tagtäglich passiert, Schwarmintelligenz in Reinkultur ist.
Das gegenseitige Warnen wäre noch vor einigen Jahren auf diese Art und Weise unmöglich gewesen. Es funktioniert erst dank Mobilfunk, Internet und Smartphone. Viele Hundert Menschen aus dem Tegernseer Tal arbeiten dafür zusammen an einem gemeinsamen Ziel: nicht geblitzt zu werden. Wer einen Blitzer sieht, schreibt die Info beispielsweise auf die Facebook-Seite der Gruppe “Blitzer im Tal”. Der Rest liest mit und ist gewarnt.
Schaut man sich die Staumeldungen des ADAC an, wird diese Entwicklung zur “Intelligenz der Masse” noch offensichtlicher. Über 100.000 Staumelder übermitteln dem ADAC inzwischen die aktuelle Verkehrslage über Smartphone-Apps. Beim ADAC geht man sogar noch einen Schritt weiter und testet Warnungen in Echtzeit.
Sobald mehrere Fahrzeuge ein auffälliges Verhalten zeigen, beispielsweise ungewöhnlich starkes Abbremsen auf der Autobahn, wird der nachfolgende Verkehr automatisch via Smartphone gewarnt. Natürlich ist dazu die Übermittlung der Ortsdaten nötig. Datenschützern sträuben sich dabei wahrscheinlich die Haare – auch wenn durch die Gemeinschaftsarbeit bei der Datensammlung die Sicherheit erhöht und der Verkehrsfluss verbessert werden könnte.
Bürger als Ordnungsamt der Gemeinde
Eine komplett andere Möglichkeit der “Gemeinschaftsarbeit” verfolgen die Initiatoren des Mängelmelders. Den Mängelmelder gibt es als Webseite und natürlich ebenfalls als App für Smartphones. Der Gedanke dahinter ist, dass jeder Einzelne die eigene Kommune und Gemeinde bei der Lösung von Problemen unterstützen kann, indem er auf offensichtliche Missstände, wie Schlaglöcher, kaputte Straßenlampen oder vermüllte Spielplätze, hinweist. Laut Selbstbeschreibung funktioniert das so:
Um einen Mangel zu melden, klicken Sie auf „Neue Meldung“. Anschließend positionieren Sie den Mangel auf der Karte und geben eine Beschreibung ab. Zusätzlich wählen Sie eine entsprechende Kategorie aus und können ein Foto hochladen.
Eine möglichst genaue Beschreibung des Mangels erleichtert es der Kommune, das Problem vor Ort zu identifizieren. Durch „Meldung abschicken“ wird Ihr Mangel an Mängelmelder.de gesendet, geprüft und an die entsprechende Kommune weitergeleitet.
Der Dienst funktioniert inzwischen bundesweit. Also auch Meldungen über überfüllte Mülleimer oder Schlaglöcher im Tegernseer Tal würden den richtigen Adressaten, nämlich die jeweilige Gemeinde, erreichen. Dort wüsste man direkt, wo es Probleme gibt, und könnte sich manch unnötigen Kontrollgang sparen.
Täglich neue Ideen für Gemeinschaftsarbeit
Crowdsourcing – das Verteilen verschiedenster Aufgaben auf mehrere Schultern – wird inzwischen in unzähligen Bereichen angewendet, und fast täglich kommen neue Ideen dazu. Längst gibt es “Crowdfunding“- Schwarmfinanzierungen, bei denen sich Unternehmen nicht 100.000 Euro von einer Bank oder einem Investor leihen, sondern stattdessen von vielen Menschen wenig Geld bekommen und diese im Gegenzug am Erfolg beteiligen.
Es gibt Plattformen, die versuchen, die Bürger als Kreditgeber für die eigene Gemeinde zu überzeugen und so günstige Kredite für die Gemeinden und mehr Mitspracherecht für die Bürger zu ermöglichen.
Es gibt Wissenschaftler, die die Suche nach neuen Stechmückenarten der Masse überlassen oder nervtötende Aufgaben ganz gezielt an eine große Menge von Menschen verteilen.
Crowdsourcing bei der Gmunder Bürgerwerkstatt
Selbst in den Gemeinden rund um den Tegernsee hat der Crowdsourcing-Gedanke längst Einzug gehalten. Wenn auch in der analogen statt in der digitalen Form. Die Gmunder Bürgerwerkstatt zum Maximilian war streng genommen nichts anderes. Anstatt den kleinen Kreis im Gmunder Rathaus, hat man ganz gezielt die 5.500 Gmunder nach ihren Ideen gefragt.
100 von ihnen wurde als “Crowd” aktiviert. Bei Bier und Häppchen im Neureuthsaal statt via Smartphone im Internet. Nur die Diskussionen im Nachgang, die hat man nicht mehr der Crowd überlassen, sondern – wie gewohnt – im kleinen Kreis im Rathaus hinter verschlossenen Türen fortgeführt. So viel neue Mode wollte man dann doch nicht im Tegernseer Tal.
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