Nichts bleibt wie es ist oder wie Charles Darwin schrieb „Leben ist Veränderung“ – eine Binse, so alt wie die Menschheit selbst und vermutlich älter. Dass der Satz stimmt, war die Tage allerorts am Tegernsee zu sehen und zu hören, als der meterhohe Schnee anfing in Wasserform lautstark rauschend, plätschernd und tropfend dahin zu rinnen.
Dabei ist nicht alles unstet in unserer Zeit. Die 20-Cent-Waage oder der mit einem Schloss gesicherte Gas-Ofen im Warteraum des Gmunder Bahnhofs sind wahre Konstanten.
Dem Untergang geweiht
Dass selbst unsere Erde permanent in Bewegung ist und sich in jedem Moment verändert, und zwar nicht nur infolge des Wechsels der Gezeiten oder der Jahreszeiten sondern aufgrund von globaleren Veränderungen wie des Magnetfeldes und des Klimawandels ist bekannt.
Dass die Erde sogar untergehen soll, und zwar in genau vier Tagen 21.12.2012, ist ebenfalls allgemein bekannt, wird mancherorts von manchen Leuten mit Festen begangen und von den meisten Menschen ignoriert. Kein Grund zur Panik.
Bei all den zum Teil sich in schwindelerregenden Tempo vollziehenden Veränderungen fallen vor allem die Dinge wohltuend auf, die sich nicht verändern. Ein Beispiel fand ich kürzlich als ich eine Freundin zum Zug brachte im Warteraum des Gmunder Bahnhofs vor. Es war eiskalt. Minus zehn Grad. Wir schlüpften schnell in den Raum, in der Hoffnung, dass dieser geheizt ist. Er war es. In der Ecke stand ein für den großen Raum kleiner brauner Ofen, verschlossen mit einem Schloss, wie man sie an Kellertüren findet.
Der Ofen war warm und erinnerte mich an diese Dauerbrandöfen, die es in meiner Kindheit gab. Ich sah mich im Warteraum um. An der Tür war ein Schild, das ich mehrmals las und dennoch nicht verstand. Meine Freundin ebenfalls nicht. „Warteraum geöffnet von 8 bis 19 Uhr“, so begann der Text. Das war zu verstehen, aber dann wurde es schwierig.
Bei Unregelmäßigkeiten (Verstöße gegen das Rauchverbot usw.) auch in dieser Zeit geschlossen.
Wenn jemand also eine Zigarette im Warteraum raucht, dann wird dieser auch in dieser Zeit geschlossen. So weit so klar. Aber was bedeutet das genau? Kommt dann sofort jemand und schließt den Raum zu und für wie lange? Für einen Tag, für zwei Tage? Und gilt bereits eine Zigarette als Unregelmäßigkeit oder eher als die berühmte Ausnahme von der Regel, die ja bekanntlich erlaubt ist, weil sie die Regel bestätigt?
Doch was sind die anderen Unregelmäßigkeiten? Wir liefen im Warteraum auf und ab und disputierten über die Sätze auf dem Zettel. Plötzlich schrie meine Freundin laut auf: „Schau mal, was hier steht. Das gibt es doch gar nicht!“ Sie zeigte auf eine Personenwaage, so eine wie sie in den siebziger Jahren in Warteräumen auf Provinzbahnhöfen stand.
Man musste zehn Pfennig hineinstecken und heraus kam eine kleine rechteckige Pappkarte mit der Gewichtsangabe inklusive des Gewichts von Kleidung und Schuhen, die man trug.
Alles fließt
Die Waage in Gmund funktionierte offensichtlich. 20 Cent sollte man hineinstecken, stand geschrieben. Nur während es uns in Kindertagen großes Vergnügen bereitete sich auf so einer Waage zu wiegen und zwar gleich hintereinander in Abständen von nur wenigen Minuten, fand sich an diesem Tag niemand, der sich auf die Waage stellte. Meine Freundin lehnte ab. Sie wiege sich nie. Sie fühle ihr Gewicht.
Ich verstand das genauso wenig wie den Satz mit den Unregelmäßigkeiten an der Tür, ahnte aber intuitiv, dass es irgendwas mit dem Satz oder zumindest mit Veränderungen zu tun hatte. Wie war das noch mal: Nichts bleibt wie es ist. Alles verändert sich. Das Gewicht von Menschen. Das Wetter. Die Jahreszeiten. Seit einigen Jahren sogar das Klima. Nur die gute alte Personenwaage im Gmunder Bahnhof ist geblieben.
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