Seit Jahren versuchen die Kreuther, „Bergsteigerdorf“ zu werden. Ein Titel, der vor allem eines bezwecken soll: Mehr Touristen anlocken. Touristen, die – wenn die Vermarktung funktioniert – in Scharen durch eine intakte Bergwelt wandern. Ein Widerspruch? Nicht für den deutschen Alpenverein (DAV).
Ein Kommentar von Nicole Kleim:
Die Worte von DAV-Projektleiter Tobias Hipp klingen so sanft wie der Tourismus, den er propagiert. „Die Schönheit der Natur muss durch einen naturverträglichen, nachhaltigen Bergtourismus erhalten werden.“ Klingt gut in einer Gemeinde wie Kreuth, in der die Übernachtungen durch die Schließung von Wildbad Kreuth gerade erst einen dramatischen Einbruch erlitten hatten.
3.637 Einwohner zählt Kreuth. Zuviel für das Qualitätssiegel „Bergsteigerdorf“. Zuwenig, um im Kampf um die Urlauber ohne große Attraktionen punkten zu können. Nur diejenigen finden hierher, die das Ursprüngliche suchen, die Ruhe und Erholung wollen. Eine Nische, die der DAV zusammen mit der Gemeinde zu nutzen weiß. Kreuths landschaftliche Schönheit samt dörflichem Charakter als Markenzeichen und Touristenmagnet – darauf spekuliert und hofft man.
Kriterien sind ein Keulenschlag
Dafür stülpt man dem geschützten Mangfallgebirge und den Weißachauen einfach das Gütesiegel „Bergsteigerdorf“ über, lässt die Bewohner eine Broschüre entwickeln, und verordnet den Partnerbetrieben des Bergsteigerdorfes eine Mitgliedschaft beim DAV. Das Versprechen: die Nutzung der DAV-Vermarktungsplattform. Die Kriterien: ein Keulenschlag.
Denn der Entwicklungshilfe liegt so mancher Stolperstein im Weg. Partnerbetriebe braucht’s. Und ohne die ist der Titel „Bergsteigerdorf“ schneller wieder den Abhang hinuntergestürzt als gedacht. Deshalb legt der DAV dem Partnerbetrieb das Kletterseil über die Schultern. Damit er sich an die Philosophie des Alpenvereins ketten und eigene Interessen über Schlucht werfen kann.
Wenige zahlen, viele profitieren
Dafür darf er dann auch schön brav als neues Mitglied beim DAV einen Obulus für den guten Zweck leisten, bevor er mit dem Bergsteigerlogo werben darf. Ganz zu schweigen von den Übernachtungsrabatten, die er gezwungen ist, zu gewähren.
Trinkt man also aus diesem dargereichten Marketing-Strohhalm, kann man sich schon einmal am ersten Zug verschlucken. Bevor dann aus der vom DAV geforderten „Alpinkompetenz“ schnell ein chronischer Schluckauf wird. Sicher, eine ökologische Schiene zu fahren und sich auf die Natur zu konzentrieren, mag ein ehrenwertes Ziel sein, aber es ist eines, für das vorab in den Geldbeutel gegriffen werden muss.
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