In der CSU Tegernsee ist der seit Langem schwelende interne Kampf zwischen dem Ortsvorsitzenden und einigen Stadträten offen ausgebrochen. Auf einer turbulenten Hauptversammlung wurde der bisherige Vorsitzende Peter Sieben zuerst fachlich entlastet und dann persönlich entmachtet.
Ein großer Teil des Vorstandes, unterstützt von mehreren Tegernseer Stadträten, hatte auf der Sitzung einen Gegenkandidaten zu Sieben präsentiert. Der bisher noch unbekannte Hans Hagn erreichte aus dem Stand die Mehrheit. Damit gilt Hagn nun als potentieller Kandidat auf den Bürgermeisterposten.
30 von 54 Stimmen – ein Ergebnis, über das sich der neue Vorsitzende trotz vieler Glückwünsche nur verhalten freute. Zu sehr steckte der vorherige “Wettkampf” ihm und seinem Kontrahenten Peter Sieben noch in den Knochen. Dabei war die Ausgangslage klar: Sieben hatte in den Jahren seiner Tätigkeit rein fachlich eine gute Leistung abgeliefert. Der Pressesprecher der Kreissparkasse konnte in seinem Rechenschaftsbericht aufzeigen, wie sich die Tegernseer CSU weiterentwickelt hatte. Mittlerweile habe der Ortsverband 100 Mitglieder, 31 neue Mitglieder seien in den letzten Jahren dazugekommen, so Sieben.
Und er zeigte sich kämpferisch: “Die CSU muss wieder stärkste Kraft im Stadtrat werden. Und sie muss vor allem wieder den Bürgermeister stellen.” Bei der letzten Kommunalwahl 2008 hatten die Christsozialen keinen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt und vom Wähler dafür die Quittung erhalten.
CSU ohne Profil
“Einigkeit nach innen, Einigkeit nach außen”, so Siebens Aufruf an die eigene Partei für die nächsten zwölf Wahlmonate, in denen neben der Landrats- und Bundestagswahl auch die Kommunalwahl in Tegernsee auf dem Programm steht. Doch mit seinem ganz persönlichen Wunsch nach Einigkeit stand der Ortsvorsitzende zumindest am gestrigen Abend relativ alleine da. Denn was folgte war eine Aussprache, die man aus öffentlichen Parteisitzungen eher selten kennt.
Bereits im ersten Wortbeitrag machte Stadtrat Norbert Schußmann an zwei Punkten klar, was ihm und einigen anderen gewählten CSU-Vertretern am Stil Siebens missfällt: die “katastrophale Außenwirkung der Partei” und der “Schmusekurs” mit den Freien Wählern. “Wir waren mal gestaltende Kraft”, so Schußmann. Nun sei die CSU profillos. “So können wir nicht stärkste Kraft in Tegernsee werden.”
Interna an den politischen Gegner?
Vor allem die Freien Wähler Tegernsee und ihr Vorsitzender Andreas Obermüller gerieten immer wieder ins Visier der Beiträge: “Die Freien Wähler spielen nicht mit offenen Karten, wir müssen aufpassen” (Friederike Enders) oder “Die bekämpfen die CSU und mit denen sprichst du. Das ist uneinsichtig von dir” – Stadtrat Anton Staudacher an Peter Sieben gewandt.
Sieben, so ein Vorwurf von Enders und Staudacher, lanciere Interna an den politischen Gegner. Zum Beweis las der Zweite Bürgermeister aus einer E-mail vor, die FWG-Sprecher Andreas Obermüller nur zwei Tage nach der letzten CSU-Vorstandssitzung scheinbar an Franz Bergmüller, einen früheren CSU-Gemeinderat aus Feldkirchen-Westerham geschickt hatte. Das Pikante daran: in der E-mail an den FWG-Spetzl war eine Bitte von Obermüller enthalten, man möge doch Sieben als seinen bevorzugten Kandidaten um das Amt des Ortsvorsitzenden mit Details über die Vorstandskollegin Friedrike Enders versorgen. Als mögliche Gegenkandidatin von Sieben hätte Enders so “ausspioniert” werden sollen.
Vor allem dieser letzte Vorwurf war es, der dem Vorsitzenden das politische Genick brach. Ob Sieben nun tatsächlich Interna an den Gegner weitergereicht hat oder nur ein vertrauensvolles Verhältnis mit Obermüller pflegt, war da schon zweitrangig. Dass Enders von “einer zerissenen Vorstandschaft” sprach und sich einen anderen Vorsitzenden wünschte, verstärkte die Rufe nach einem Neuanfang. Nun war es offensichtlich: die beschworene Einigkeit würde in der bisherigen Konstellation nicht funktionieren.
Neuanfang light
Und so konnte Hans Hagn in einer souveränen und nicht unsympathischen Bewerbungsrede viele Zweifler überzeugen: 47 Jahre alt, Zollamtsrat am Flughafen München mit 230 direkt unterstellten Mitarbeitern, seit acht Generationen in Tegernsee, lange Jahre in München gelebt, erst seit Kurzem Mitglied bei der CSU, dafür aber unverbraucht und neu, so Hagns Vita in Stichworten. Dabei machte er unmissverständlich klar, warum die derzeit so zerrissene CSU einen ausgleichenden Ortsvorsitzenden wie ihn braucht:
Eine der wichtigsten zukünftigen Aufgaben wird es sein, den Vorstand und den Stadtrat zusammenzuführen. Ich stehe ganz einfach für einen Neuanfang und weiß alle Vertreter des Vorstandes und die Mehrheit der Beisitzer hinter mir.
Damit traf Hagn auch den Nerv der Mehrheit der anwesenden CSU-Mitglieder. 30 stimmten für ihn. Der bisherige Ortsvorsitzende Peter Sieben erreichte nur 24 Stimmen. Damit hat sich die CSU für eine Art kleinen Neuanfang entschieden. Denn außer dem Ortsvorsitzenden bleibt alles beim Alten. Die bisherigen Stellvertreter Hanni Lorenz, Bernhard Mayer und Friederike Enders wurden in ihren bisherigen Positionen bestätigt.
Allerdings gab es bei der Stellvertreterwahl 15 ungültige Stimmen – ein klares Zeichen einiger CSU-Mitglieder, die mit dem gestrigen Ausgang und möglicherweise auch der Art des offen ausgetragenen “Gefechts” offensichtlich nicht einverstanden waren.
Gute Chancen für Hagn auf Kandidatur
So wie auch Peter Sieben, der die turbulente Versammlung als “Machtkampf zwischen den unterschiedlichen Lagern” bezeichnete. Zwar akzeptiere er die demokratische Entscheidung, rein fachlich jedoch habe er sich nichts vorzuwerfen. Ob und wie es für ihn nun politisch weitergeht, dazu wollte er sich gestern nicht äußern. Doch Siebens Aussichten für die im Juni oder Juli anstehende Nominierung eines CSU-Bürgermeisterkandidaten sind nach der empfindlichen Niederlage deutlich gesunken.
Wie berichtet standen bisher neben Peter Sieben und Hans Hagn auch der Stadtrat und Juwelier Jakob Atzl auf den internen Nominierungslisten der CSU. Durch das offizielle Mandat und die Unterstützung in den Machtzirkeln der Partei hat Hagn als bisher politisch unerfahrener Anwärter trotz allem die besten Chancen sich in Parteikreisen wie auch in der Bevölkerung zu präsentieren und so für sich zu werben.
Nach dem gestrigen Sieg würde es nicht überraschen, wenn der 47-jährige nun auch im kommenden Jahr für die CSU ins Rennen um die Nachfolge von Peter Janssen geht. Die Unterstützung von Janssens Bürgerliste hätte der Wunschkandidat des amtierenden Bürgermeisters dann sicher.
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