Hitler ist seine letzte Hoffnung

Wenn alles nach Plan läuft, wird der Lederer-Komplex an der Wiesseer Seepromenade noch diesen Herbst abgerissen. Doch Ex-Hotelier Josef Lederer kämpft weiter mit allen Mitteln gegen die Gemeinde und die Strüngmann-Pläne. Nun setzt er seine letzte Hoffnung in Hitler und Röhm.
Er gibt nicht auf: Josef Lederer kämpft weiter um seinen ehemaligen Familienbesitz.

Der riesige Lederer-Komplex, das Haus des Gastes und das Hotel Wittelsbach – all diese Gebäude sollen einem Hotel sowie fünf Wohn- und Geschäftshäusern weichen. Geht es nach Investor Thomas Strüngmann und nach der Gemeindeverwaltung soll der Abriss noch in diesem Herbst starten. Allerdings könnte dieser Zeitplan ins Wanken geraten.

„Es ist nicht so, als ob man einfach ein Kartenhaus einstürzen lässt“, erklärt nun Andreas Göbel, Sprecher vom Strüngmann-Büro, gegenüber dem Merkur. Der Abriss sei äußerst kompliziert, das Team arbeite mit Hochdruck an einem Konzept. „Nächste Woche können wir mehr sagen“, so Göbel. Aber aktuell sei die Frage noch offen, ob der Abriss wie geplant im Herbst starten kann.

Lederer klagt weiter

Während Andere Pläne für den Abriss und den Neubau eines Luxus-Hotels schmieden, kämpft Ex-Hotelier Josef Lederer immer noch um seinen einstigen Besitz. Er sieht sich als Opfer einer Intrige und fordert drei Millionen Euro Schadensersatz. Laut Lederer habe die Gemeinde den Verkauf des in die Jahre gekommenen Hotels sabotiert und ihn so schließlich in den Ruin getrieben.

Um seine Klage aufrechtzuerhalten, braucht Lederer allerdings Prozesskostenhilfe. Wie berichtet, wurde die allerdings erneut sowohl vom Landgericht München I als auch vom Oberlandesgericht abgelehnt. Daher reichte er im Januar eine Anhörungsbeschwerde bei den Gerichten sowie eine Beschwerde beim Verfassungsgericht ein.

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Der Führer verhaftet seinen Rivalen in Wiessee

Die Gesundheit des 78-jährigen Wiesseers macht ihm zu schaffen und doch kämpft er weiter. Nun soll ihm die Vergangenheit helfen. Adolf Hitler und Ernst Röhm sind seine letzte Hoffnung. Lederer selbst hat nichts mit den Nazis am Hut, die im Jahr seiner Geburt den Zweiten Weltkrieg starteten. Doch bevor Röhm auf Hitlers Befehl am 1. Juli 1934 erschossen wurde, hatte der ‘Führer’ seinen Rivalen zuvor persönlich in Wiessee verhaftet: Im ersten Stock des Hotels an der Seepromenade.

Zu diesem Zeitpunkt hieß das Hotel noch Kurheim Hanselbauer. Zwei Jahre später übernahm es Lederers Vater. Geschichten gibt es viele über diesen Ort. Lederer selbst hat sie viele Male erzählt, meist beim Gästeempfang im Salon des Hotels. Auch den jüdischen Gästen habe er sie laut Süddeutsche nicht verschwiegen. Viele von ihnen sind in der Nachkriegszeit zu Erholungsurlauben nach Wiessee gekommen.

Der Lederer-Komplex soll für Strüngmanns Hotel-Pläne an der Wiesseer Seepromenade weichen.

Manch einer von ihnen wurde sogar zu Lederers Freund. So wie Dixi Heim, der ihm einst eine schwarze Ledertasche schenkte, die der 78-jährige Ex-Hotelier nun jeden Tag zu seinen Behandlungen ins Krankenhaus mitnimmt. Lederer sieht auch Sergeant Major Gordon noch vor sich, der als britischer Soldat das Kommando führte, als das Hotel Lederer britischen Soldaten als Erholungsheim diente.

Hitler lässt Hotelzimmer stürmen

Lederer hat viele Anekdoten parat. Doch die Geschehnisse zwischen Hitler und Röhm sind reale Geschichte, wie die Süddeutsche in einem ausführlichen Artikel berichtet. Röhm und seine bewaffnete SA waren ein großer Machtfaktor und wurden immer mehr zur Belastung für Hitlers Regime. Röhm war am Juni 1934 zur Kur am Tegernsee. Er und andere SA-Granden wohnten samt Liebhabern im damaligen Hanselbauer.

Hitler beraumte eine Konferenz an und ließ größtenteils gefälschte Beweise für einen ‘Röhm-Putsch’ sammeln. Am Morgen des 30. Juni machte er sich mit einer kleinen Gruppe von SS-Leuten auf den Weg nach Wiessee und überraschte seinen Rivalen in seinem Hotelzimmer. In den Betten vieler SA-Leuten lagen junge Männer – was Goebbels später genüsslich ausschlachtete. Viele Gefangene wurden noch am selben Abend erschossen. Röhm selbst wurde erst am nächsten Tag ermordet. Hitler ließ ihn dann in Stadelheim eine Pistole auf den Tisch legen und als er sich nicht selbst umbrachte, ließ er ihn erschießen.

Bei den Hotel-Gästen war das geschichtsträchtige Zimmer 335 im Lederer nicht unbedingt beliebter. Nur Luchino Visconti hätte es gerne gemietet, doch das war Lederer den Trubel nicht wert. Der italienische Regisseur musste das Melodram „Die Verdammten“ von 1969 dann woanders drehen. Er inszenierte die Nacht von Bad Wiessee übrigens als Schwulen-Orgie, bei der nicht alle SA-Leute noch ihre Braunhemden trugen. Die SS rückte dann zu Dutzenden an und mähte die Rivalen mit Maschinengewehren nieder.

Amerikaner, Briten und Fußballer

Auch an die Amerikaner in der Nachkriegszeit erinnert sich Lederer. Es gab „viel Whiskey, Weiber, Jazzmusik und Krawall“. Bis 1951 waren eben dann die Briten da, danach waren es ‘normale’ Hotel-Gäste – wie zum Beispiel 1974 die brasilianische Fußballmannschaft oder immer mal wieder der FC Bayern.

Nun gehört der gesamte Komplex dem Hexal-Gründer Strüngmann. Und dennoch kämpft Lederer weiter um seinen ehemaligen Familienbesitz. Bis zum Abriss dürfen er, seine 85-jährige Haushälterin und die vier Pferde im Waschhaus auf dem Grundstück bleiben. Lederers Wut ist groß – alles wurde ihm genommen. Doch auch die Vergangenheit scheint ihm nicht zu helfen. Denkmalschützer wollen nicht viel wissen von Hitler und Röhm. Das Gebäude wird deswegen nicht vor dem Abriss bewahrt. Rollen im Herbst die Bagger an, dann wird der geschichtsträchtige Ort bald selbst Geschichte sein.

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