Stark begonnen, dann abgeflacht, einige sehr nachdenkliche Sätze zur Zukunft des Tals eingewoben und nach rund 80 Minuten mit ein paar gefälligen Gstanzln abgeschlossen. Die gestrige Fastenpredigt von Nico Schifferer als Bruder Barnabas war eine der schwächeren. In der von Starkbier durchtränkten Atmosphäre des Bräustüberl sorgte das dennoch für reichlich Applaus.
Dabei hatte Schifferer auch gestern wieder seine besten Momente, wenn er entweder spontan wurde oder seine wortgewaltigen Ideengebilde vor dem mehr oder weniger prominenten Publikum ausbreitete. Eine Wanderung – “mal trabend, mal schleichend” – durch das politische Tal, das sich in der heutigen Zeit hauptsächlich mit Bauprojekten und Investoren auseinandersetzt.
Live-Stream aus dem Bräustüberl
Der Abend begann wie immer mit einer kurzen Ansprache von Bräustüberl-Wirt Peter Hubert. Fotografen drängten sich beim Anstich, ein Kamerateam war da, diverse Mikrofone nahmen jedes Wort auf und übertrugen es auf die in den vier Räumen verteilten Fernseher.
Wie schon die Jahre zuvor hatte Hubert einen Live-Stream eingerichtet, für die, die nicht vor Ort sein konnten. “Im letzten Jahr waren es etwa 1.800 Zuschauer, in diesem Jahr ganz genau 2.330″, so ein zufriedener Bräustüberl-Wirt, der sich nur ein wenig wunderte, dass einige geladene Gäste bei der fünften Ausgabe des Starkbieranstichs kurzentschlossen abgesagt hatten.
Unter den Nichtanwesenden war auch Bürgermeister Peter Janssen, dessen Frau Geburtstag hatte. Dabei hätte Janssen gar nicht so viel einstecken müssen. Barnabas war gnädig mit den Tegernseer Politikern – den Steg oder das Parkhaus riss er nur kurz an.
Die Gmunder haben es schwer
Mehr einstecken mussten dagegen die Gmunder und dessen Bürgermeister Georg von Preysing. Das “Ruinendorf”, so Barnabas, muss sogar seine Fastenprediger importieren. Der großartige Florian “Flickä” Oberlechner war eigens aus Kreuth in den Gasthof Köck gekommen, um zusammen mit seinen zwei Schauspielerkollegen Anian Roth und Silvester Leo aufzuspielen. Barnabas nahm das zum Anlass, um bei seiner Wanderung auch gleich dort zu beginnen. Und die Gmunder, so die erste Breitseite, “führen sich einerseits auf, wie das kleine gallische Dorf von Asterix und Obelix, dass sich jedweder Veränderung verschließt, andererseits hauen sie grantig auf den Putz und mucken hochmodern auf.”
Vieles davon sei aber gar nicht ihre eigene Leistung. Die Realschule baut der Landkreis und die Abfüllanlage der Brauerei ist nur ein “gewerbesteuerlicher Glücksfall”. Ein Fastenprediger hat es nicht leicht, das machte Barnabas klar. Vor fünf Jahren habe er bereits gefragt, was denn beim Maximilian, dem Ludwig-Erhard-Platz und Gut Kaltenbrunn passiert. “Nach fünf Jahren stehe ich immer noch hier oben und frage, was damit ist.” Vor allem über Kaltenbrunn höre man nichts. “Die Realität schaut so aus: Zäune, Absperrungen, die alles zerstörende Trostlosigkeit. Das Gut sei zu, tot, dem Verfall preisgegeben.”
Und auch beim Maximilian hat Barnabas allergrößte Bedenken. Einem Investor, der nach 24 Monaten noch nicht weiß, was für eine Gastronomie da entstehen soll, müsse man ein Armutszeugnis ausstellen. Andererseits hätten die Gmunder plötzlich den Mut, ganze Bahnhöfe mit Grundstücken zu erwerben. „Preysing Girgl als Immobilienhai, der Donald Trump vom Nordufer.“
Von Gmund ging es weiter nach Tegernsee. Über das unweigerliche Dauerthema Schuhschachtelhaus hatte es Barnabas vor allem auf die vieldiskutierte CSU-Ortsvorsitzenden-Ablöse abgesehen. Hans Hagn, neuer Vorsitzender und „das vorösterliche Überraschungsei der Tegernseer CSU“ sollte sich kurz zeigen. „Als Sie gewählt wurden, dachte die Mehrheit der eigenen Partei noch, dass Sie zur Presse gehören“, so der Prediger. Und dem Vorstandsmitglied Friederike Enders gab er einen Tipp mit auf den Weg:
Wir hier im Tal bezeichnen die Mitglieder einer anderen Partei öffentlich nicht als Feinde, sondern allenfalls als politische Gegner. Die Dame bewirbt sich ganz energisch um politische Posten. Wenn Sie so weitermacht, empfiehlt sie sich, wenn überhaupt, nur als Entgleisungsmanagerin bei der BOB.
Einmal in Fahrt, ging Barnabas auch auf die Diskussionskultur im Internet ein. Speziell seine Meinung zu anonymen Kommentaren wolle er loswerden. Als lokales Beispiel hatte er sich die Tegernseer Stimme auserkoren. Dabei durften wir ein wenig leiden: „Anonym veröffentlichte verbale Verunglimpfungen und geistigen Dünnschiss“ müsse man bei uns lesen. „Jede noch so schräge und widerliche Meinung wird da veröffentlicht. Der anonyme Kommentator legt ein feiges Verhalten an den Tag und gehört verbannt.“ Die Kritik an der Tegernseer Stimme brachte Schifferer viel Applaus vonseiten der Zuhörer.
Zwar ein Projekt in Tegernsee, jedoch eine glanzvolle Fehlleistung des Landkreises, stand danach auf seinem Manuskript. 15 Jahre rühre sich beim Projekt Krankenhausareal nichts. Ein zentraler, genialer Platz, so Barnabas, der nicht mehr hergibt als ein zuverlässiger Stichwortlieferant für die Artikel der Zeitung: „Unter der Überschrift nächste Woche geht es zum Notar“ werde in der einen Woche berichtet, um in der darauffolgenden zu verkünden: „Und wieder ein Investor weg.“
Wenn man also bei uns mit dem Finger hämisch in Richtung Berlin zum Flughafen zeigt oder zur Katastrophen-Philharmonie nach Hamburg, dann sollte man ein wenig vom Gas gehen, denn „scheitern können wir hier ebenfalls sehr gut“.
„strong beer drinking event“
Ein grundsätzliches Problem hat Barnabas mit Anglizismen. Immer wieder, so seine Einschätzung, müsse man sich im Tal mit diesem Phänomen rumschlagen. Warum eine „Home and Garden“, wie im Rottacher Kurpark im Mai vergangenen Jahres veranstaltet, so heißen muss, weiß auch keiner. Denn die Menschen, die hier leben, haben kein Home und auch keinen Garden. Außerdem müsse man Obacht geben, denn sonst wird aus dem Starkbierfest ein „strong beer drinking event“ und „mary measures the light“ steht für Maria Lichtmess.
Über Rottach ging es nach Bad Wiessee. Und dort hatte Barnabas viel Lob zu verteilen, vor allem an die rührige Jugend um die Wiesseer Dorffestinitiatoren Markus Trinkl und Michi Herrmann, deren „Herzen und Gehirne noch nicht vom politischen Schwefeldampf vernebelt sind“. Innerhalb weniger Wochen hätten die ein Event auf die Beine gestellt, das bayernweit Beachtung gefunden hat. „Der Herr Siebach sollte sich fragen, ob er bei denen nicht mal eine Schnupperlehre machen darf.“
Doch die kleinen Themen verblassen bei den großen Veränderungen, die derzeit auf das Tal zurollen. Man könnte meinen, alles ist beim Alten, so die Einschätzung von Barnabas. „Der Janssen Peter streitet um den Steg, der Preysing Girgl fegt den Dorfplatz, der Hafner Franz plant die fünfte und letzte Einweihung des Seeforums.“ Doch in Wahrheit sei ein unhörbarer Startschuss für einen talweiten Bauboom erfolgt, der alle und alles erfasst habe. Und er verlas die unvollständige Liste der anstehenden Bauvorhaben, die einen mulmig werden lässt.
Jod-Schwefelbad mit Therme Bad Wiessee, Hotelkomplex Strüngmann-Bau, Almdorf an der Neureuthstraße, Stegbau an der Länd, Parkhaus Horngelände, Rottacher Seeperle, Westerhof-Erweiterung, Feichtnerhof-Erweiterung, Realschule Gmund, Volksschule Gmund, Brenner Park Abwinkl, Tegernseer Krankenhausgelände, Erweiterung der Papierfabrik Louisenthal, Vergrößerung Orthopädische Klinik Tegernsee, Stieler-Haus, Hotel Lederer und Erweiterung Brauhaus Tegernsee.
Dabei sind Gigantomie und Maßlosigkeit ein fast schon inhärenter Bestandteil des Tals. Als Beispiel nannte Barnabas den Tegernseelauf – eine „Gratwanderung zwischen super Ansatz und grenzwertiger Zumutung“. Warum die Veranstalter da jetzt unbedingt von 4.000 Läufern auf 10.000 wachsen wollen, obwohl die Massen schon jetzt im räumlich begrenzten Tal nicht bewältigt werden könnten, das sei, so der Prediger, unverständlich. „Alles muss noch poppiger, größer und moderner werden. Manche haben immer noch nicht kapiert, dass es im Tal nur eine Straße gibt, die um den See führt.“
Barnabas` Fazit lautete dann auch ganz einfach und auf den Punkt gebracht: Bei allen Vorhaben gehe es immer nur ums Geld. Und so gäbe es viele Zeichen dafür, dass im Tal eigentlich alles beim Alten sei.
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Der Uli Hoeness kauft Kaltenbrunn und macht eine Würstelfabrik drausUnd wenn wir das alles verkraftet haben, dann sehen wir uns im nächsten Jahr wieder …
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