Aktualisierung vom 27. August / 9:42 Uhr
Immer mehr Schauplätze und Gebäude am Tegernsee, die noch aus der Nazi-Zeit stammen, sind mittlerweile verlassen oder anderweitig bebaut.
Neben dem Hotel Lederer und dem Hotel Guggemos wird auch ein anderes historisches Grundstück bald verändert. So soll dort, wo das 7. Flugblatt der weißen Rose seinen Ursprung hatte, ein Hotel entstehen.
Die Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg wird nur allzu gerne ausgeblendet. Somit findet man heutzutage im Tegernseer Tal nur wenig Hinweise oder Zeugnisse dafür, dass sich hier ein gewisser Teil der Nazi-Geschichte abgespielt hat.
Was allerdings bleibt, sind die Gebäude und Plätze, die noch aus dieser Zeit stammen. Doch auch die werden immer rarer und werden vom Wandel schon bald „aufgefressen“ sein. Als erstes fällt einem da natürlich das Hotel Lederer ein.
Das Hotel Lederer
Der Schauplatz des sogenannten “Röhm Putsch” ist mittlerweile nur noch ein Schatten seiner selbst. Verwittert und verlassen steht es am Ufer des Tegernsees. Nur noch der ehemalige Besitzer, Josef Lederer, wohnt derzeit in dem einst großen Hotel.
Doch das Zimmer in dem Röhm verhaftet wurde gibt es immer noch. So erzählt Lederer bei der Verhandlung um die Maklerprovision, dass das Zimmer bei den Besichtigungen mit etwaigen Käufern immer eine Attraktion gewesen sei.
Die Tage des Baus sind allerdings gezählt. So steht Hexal-Gründer Thomas Strüngmann derzeit in Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer RDR. Er will das Gebäude abreißen und auf der Fläche ein neues Hotel errichten lassen.
GI’s im Guggemos
Doch auch andere Plätze aus der Nazi-Zeit könnten bald ihr altes Erscheinungsbild verändern. So beherbergte das Hotel Guggemos an der Hauptstraße in Tegernsee, die damals noch Adolf-Hitler-Straße hieß, die GI’s nach deren Einmarsch in Deutschland. Und glaubt man den Gerüchten, feierten diese ihren Sieg 1945 dort mit der ein oder anderen Tegernseer Dame.
Mittlerweile steht das Guggemos jedoch leer. Zwar ist die Zukunft des Hotels noch ungewiss, doch eins scheint klar: Umgebaut wird das Haus wohl in jedem Fall. Ob als Hotel, oder mit einer anderen Bestimmung.
Haus 187 1/4
Und auch auf einem anderen Grundstück in Tegernsee wird bald nichts mehr an die Vergangenheit erinnern. So soll in der Perronstraße 8, auf dem derzeit noch ein leerstehendes Erholungsheim der Hypo-Bank steht, bald ein Vier Sterne Hotel entstehen.
Dabei war auch dieses Grundstück neben dem heutigen Lidl ein Schauplatz der Geschichte. Denn genau dort, im Haus 187 ¼, schrieb Christoph Probst das siebte Flugblatt der „Weißen Rose“, für das er später hingerichtet werden sollte. Seine Frau und seine Kinder lebten in dem Gebäude noch einige Monate länger, ehe auch sie aus Angst vor Verfolgung fliehen mussten.
Ursprünglicher Artikel vom 24. Mai 2013 mit der Überschrift: “Das siebte Flugblatt der weißen Rose”
Den Tegernsee als Bastion des Widerstandes gegen das Dritte Reich zu bezeichnen, wäre vielleicht etwas weit hergeholt. Völlig aus der Luft gegriffen ist es allerdings auch nicht.
Denn in Tegernsee wurde in „einer verzweifelten Nacht“ das letzte und unveröffentlichte Flugblatt der studentischen Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ geschrieben.
Wenn man an den Tegernsee und das Dritte Reich denkt, verbindet das jeder sofort mit den Ereignissen rund um den so genannten Röhm-Putsch im ehemaligen Hotel Lederer in Bad Wiessee und damit Hitlers Festigung der Macht.
Widerstand am Tegernsee
Die Nachwirkungen dieser Geschichte reichen sogar soweit, dass die Menschen im Tegernseer Tal noch heute beschämt sind über die damaligen Ereignisse. Spricht man jemanden darauf an, erntet man selten mehr als mürrische Blicke und drückendes Schweigen.
Was die meisten dabei jedoch vergessen oder schlichtweg auch gar nicht wissen ist die Tatsache, dass der Tegernsee durchaus auch ein Ort des Widerstandes gegen das Naziregime war.
Erster Kontakt mit den Geschwistern Scholl
Es ist eine bewegende Geschichte die sich rund um den dreifachen Familienvater und Medizinstudenten Christoph Probst ereignet hat. Der 1919 in Murnau geborene Probst kommt schon sehr früh mit dem Antisemitismus der Nazizeit in Berührung.
Nachdem seine Eltern sich getrennt haben, heiratet sein Vater eine Jüdin. Und dies soll Probst bis in seine Jugendzeit prägen. Während seines späteren Studiums kommt Probst schließlich in Kontakt mit den Geschwistern Scholl und freundet sich mit ihnen an.
Durch seinen engen Kontakt ist er auch einer der Ersten, die von Flugblättern erfahren. Zusammen mit Alexander Schmorell, Professor Huber und den Scholl-Geschwistern bildet er später den engsten Kreis der „Weißen Rose“.
Familie am Tegernsee
Allerdings fassen die Freunde schon früh einen Beschluss: Probst soll nie an direkten Aktionen teilnehmen. Der Grund dafür ist einfach: Probst als Familienvater soll nichts passieren.
Die Familie ist es auch, die Probst nach Tegernsee führt. Den ersten Besuch des mittlerweile in Innsbruck lebenden Probst schildert sein Sohn Michael in einem späteren Interview einmal so: „Das erste Mal kam er mit dem Fahrrad. Zuerst musste er es über den Achenpass tragen und ist dann über Rottach-Egern nach Tegernsee gekommen.“
Das siebte, unveröffentlichte Flugblatt
Im Januar 1943 ist es dann soweit. In „einer verzweifelten Nacht“, als Probst mal wieder bei seiner Mutter und seiner Frau am Tegernsee zu Besuch weilt, schreibt er das siebte unveröffentlichte Flugblatt der „Weißen Rose“.
Inspiriert von den dramatischen Nachrichten aus Stalingrad, formuliert der überzeugte Widerstandskämpfer die verhängnisvollen Zeilen: „Hitler und sein Regime müssen fallen, damit Deutschland weiterlebt.“ Eine Aussage, auf der in seiner Zeit die Todesstrafe steht.
Und so kommt es dann auch. Auf seinem Heimweg nach Innsbruck übergibt Probst das letzte Flugblatt an Hans Scholl in dessen Wohnung. Drei Wochen später trägt dieser das Stück Papier noch in seiner Jackentasche, als er bei der Verteilung des sechsten Flugblattes mitsamt seiner Schwester festgenommen wird. Schnell ist auch Probst in den Fängen der Gestapo. Zusammen mit den Geschwistern Scholl wird er am 23.Februar 1943 in Stadelheim hingerichtet.
Zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung wissen seine Frau Hertha und seine Mutter noch gar nichts von den Aktivitäten ihres Sohnes. Erst am Abend des 23. Februar tauchen Freunde von Probst am Tegernsee auf und bitten Hertha ein Gnadengesuch für ihren Mann zu unterschreiben. Doch da ist es bereits zu spät.
Noch länger als ein Jahr lebt die Familie nach den Ereignissen des Winters 1943 weiter am Tegernsee, ehe sie in den letzten Kriegstagen vor den Nazihäschern fliehen muss.
Vielen Dank an Gerhard Brugger für die Mithilfe beim Entstehen dieses Artikels.
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