
Nicht selten sind sich die Behörden in Bebauungsvorhaben uneins. Jüngstes Beispiel ist der Biergartenausschank auf Gut Kaltenbrunn: Die Gemeinde Gmund lehnte das Vorhaben ab, das Landratsamt genehmigte es. Oft sind es aber auch Privatpersonen, über deren Vorhaben teilweise sogar gerichtlich entschieden werden muss.
Es ist ein Szenario, das sich nicht selten am Tegernsee ereignet: ein kleines, altes Wohnhaus mit viel Grund drumherum und möglicherweise sogar mit Blick auf den See wird abgerissen. „Auftraggeber ist oft ein Bauträger, der durch eine neue Bebauung – oft sind es Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage – eine Nachverdichtung und eine Gewinnmaximierung erreichen will“, beschreibt es Landratsamt-Pressesprecher Birger Nemitz.
‘Wir fallen den Kommunen nicht in den Rücken’
Über solche Bauvorhaben zu entscheiden, fällt oft nicht leicht. Kommunen lehnen diese zum Schutze des Ortsbildes oft ab. „In der öffentlichen Darstellung wird manchmal bedauerlicherweise der Eindruck erweckt, es sei ausschließlich das Bestreben der Gemeinde, das historische gewachsene Ortsbild zu erhalten“, so Nemitz. Das Landratamt Miesbach hingegen falle ‘den Kommunen in den Rücken’, ‚habe den schwarzen Peter’ oder ‚torpediere mit seinen Entscheidungen die Bemühungen der Städte, Märkte und Gemeinden.’
Explizit weist man nun darauf hin, dass dem nicht so ist. An welchen Vorgaben sich neue Bebauungen orientieren müssen, sei per Gesetz festgelegt, heißt es in einem aktuellen Schreiben des Landratsamts. Grundlage und Rechtsnorm sei der Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Darauf beruft sich auch Landrat Wolfgang Rzehak:
Der Schwarze Peter liegt nicht bei uns, denn wir müssen uns für unser rechtsstaatliches Handeln nicht rechtfertigen!
Falls die Gemeinde ihr Einvernehmen zu einem geplanten Vorhaben verweigere, so Rzehak, müsse das Landratsamt dieses Einvernehmen ersetzen. Vorausgesetzt, die Bestimmungen des Baugesetzbuches sind erfüllt. Das Vorhaben kann dann verwirklicht werden. Die Entscheidung treffen immer dabei drei Mitarbeiter gemeinsam: Der Leiter des Staatlichen Bauamts, Stefan Deingruber; der Verwaltungsdirektor des Landratsamtes Miesbach und Abteilungsleiter Bauen, Martin Pemler und Kreisbaumeister Werner Pawlovsky.
Letzterer entschied auch im Falle Kaltenbrunn, dass das geplant Ausschankgebäude alle Forderungen erfüllt. Doch die Gemeinde sah das anders, sodass Michael Käfer und Geschäftsführer Maximilian Hartberger sich gemeinsam mit den Gemeinderäten trafen und einen Kompromiss aushandelten. „Eine Genhmigung nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches ist kein Gnadenakt, den wir willkürlich erlassen können“, verteidigt auch Kreisbaumeister Pawlovsky solche Entscheidungen. „Der Bauherr hat darauf einen Rechtsanspruch.“
Gemeinden haben zu spät reagiert
Verwaltungsdirektor Martin Pemler weist darauf hin, dass die Gemeinden die kommunale Planungshoheit hätten. Bebauungspläne für bestimmte Gebiete seien dabei ein wichtiges Steuerungsinstrument. Doch vielerorts würden diese einfach fehlen:
Die Versäumnisse der Vergangenheit holen die Gemeinden ein. Als der Siedlungsdruck im Landkreis noch nicht so hoch war wie heute, wurde die Chance verpasst, Bebauungspläne aufzustellen. Heute ist es in nahezu lückenlos bebauten Ortsteilen oft sehr schwierig, die für die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderliche städtebauliche Rechtfertigung noch rechtssicher zu begründen.
Ein Beispiel hierfür liefert auch die Gemeinde Rottach-Egern. Erst kürzlich wurde für das Gebiet Karl-Theodor-/Baumgarten-/Dr.-Scheid- und Risserkogelstraße ein Bebauungsplan aufgestellt. Daraufhin wurden die Anwohner durch einen anonymen Breif aufgefordert, sich dagegen zu wehren. Denn der Bebauungsplan komme einer Enteignung gleich und bedeute eine drastische Wertminderung für die bestehenden Häuser.
Falls eine Gemeinde jedoch rechtswidrig die Zustimmung zu einem Bauprojekt versagt, so muss das Landratsamt Miesbach das Einvernehmen ersetzen und die Genehmigung auch noch aus einem anderen Grund erteilen: Schadenersatzforderungen bleiben beim Landratsamt hängen, nicht bei der Gemeinde. „Eindeutig rechtswidrige Beschlüsse müssen wir zunächst beanstanden“, erklärt Kreisbaumeister Pawlovsky, „in einem zweiten Schritt müssen wir sie dann notfalls ersetzen. Anderenfalls machen wir uns
schadenersatzpflichtig.“
Kommunen sollen sich an Gesetze halten
„Entscheidungen werden nicht nach Gutsherrenart getroffen“, betont Landrat Rzehak. Er verweist auf ein grundsätzliches Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 16. September 2010 (III ZR 29/10). Darin heißt es: ‘Im Falle der rechtswidrigen Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde besteht eine Rechtspflicht der Baugenehmigungsbehörde, das Einvernehmen zu ersetzen. (…) Daher kommt allein der Rechtsträger der Baugenehmigungsbehörde für eine Amtshaftung in Betracht. (…) Der Bauherr hat ein grundrechtlich geschützten Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung.’
Schlussendlich sieht Rzehak die Verantwortung bei den Gemeinden selbst: „Die Bürgermeister und die Bauamtsleiter kennen sich doch gut mit dem Bauplanungsrecht aus. Sie müssen in ihren Gremien für Entscheidungen sorgen, die mit dem Bauplanungsrecht konform sind.“
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