Seit 19 Jahren soll das Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing vergrößert werden. Dreieinhalb Jahre ruhte das Verfahren. In einer am 20. September kurzfristig anberaunten Pressekonferenz erklärte Landrat Wolfgang Rzehak das Verfahren wieder für eröffnet.
Nach dreieinhalbjähriger Prüfung der sogenannten Altrechte und möglicher Alternativen zur Wassergewinnung sei man zu dem Schluss gekommen, so Rzehak, dass die „Altrechte“ noch immer Gültigkeit haben. Das heißt, die Stadt München bleibt weiterhin berechtigt, im Mangfallgebiet Wasser zu entnehmen.
Für Rzehak ein „Riesenerfolg“
Als „Riesenerfolg“ bezeichnete Rzehak den mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) ausgehandelten Kompromiss im Ringen um die Vergrößerung des Wasserschutzgebiets Thalham-Reisach-Gotzing. Und der lautet: Ein Drittel der Fläche bleibt Gewerbegebiet.
Damit werde die Wasserschutzfläche deutlich reduziert, so Rzehak vor knapp zwei Wochen. Die rund 30.000 Quadratmeter könnten nun als gewerbliche Fläche genutzt werden. Damit komme man der Gemeinde und den Gewerbetreibenden entgegen.
Für die Betroffenen ein „Desaster“
Ganz anders hingegen sehen es die Betroffenen. Die Münchner Stadtwerke hätten überhaupt nicht das Recht, im Mangfalltal die Trinkwassserversorgung zu betreiben, wie ein eigenes Gutachten belege. Die Altrechte seien somit ungültig. Zudem sehen sie „schwerwiegende Auswirkungen“ auf die Rechte der Grundstückseigentümer und Landwirte.
Die Bürgermeisterin der Stadt Miesbach, Ingrid Pongratz, sowie die Bürgermeister der Gemeinden Valley und Warngau riefen deshalb heute zu einer „Gegen-Pressekonferenz“ auf. Eingeladen waren die Vereine „Unser Wasser“, der „Verein der Wasserschutzzonengeschädigten“ sowie Vertreter der Landwirtschaft.
Landrat hat „Versprechen gebrochen“
Insbesondere über die „schnelle Vorgehensweise“ des Landrats zeigten sich die Betroffenen enttäuscht. Miesbachs Bürgermeisterin Ingrid Pongratz bemängelte, der gesamte Kreistag sei im Vorfeld nicht über die Prüfungsergebnisse informiert worden. Die Informationen habe man „aus der Zeitung erfahren.“
Einen ausreichend zeitlichen Vorlauf, noch vor der Fortsetzung des Ausweisungsverfahrens, und somit volle Transparenz hatte der Landrat jedoch sowohl dem Kreistag als auch den Betroffenen zugesichert, teilte man heute mit. Mit der Pressekonferenz am 20. September sei dieses Versprechen gebrochen worden.
Erst zwei Stunden vor dem Termin seien die Bürgermeister und Gemeindevertreter von dem Ergebnis in Kenntnis gesetzt und darüber informiert worden, dass die Ergebnisse noch am selben Tag an die Umweltministerin geschickt werden, hieß es heute.
Landwirt nicht mehr „Herr über sich selbst“
Unberücksichtigt der „erheblichen Auswirkungen“ auf den Landkreis habe der Landrat nun ohne Abstimmung mit den Betroffenen ein Verfahren in Gang gesetzt, das nur wenig zeitlichen Spielraum für eine rechtliche Prüfung – wie beispielsweise der angezweifelten Altrechte – zulasse.
Auch die neu gewählte Kreisbäuerin Marlene Hupfauer kritisierte den Grünen-Landrat, der „sich bei der letzten Schulveranstaltung noch mit dem Vieh auf der Wiese gerühmt hat“, und jetzt den Landwirten das „Recht nimmt, frei und unabhängig zu wirtschaften.“ Der Bauer habe keine finanzielle Absicherung, sei nicht mehr „Herr über sich selbst“ und müsse eine Wertminderung in Kauf nehmen. „Das kommt einer Enteignung gleich.“
Bauern müssen mit „Pantoffeln über ihre Wiesen gehen“
Dr. Alexander Bronisch vom Verein „Unser Wasser für Miesbach“ bestätigt den Wertverlust. In Wasserschutzgebieten läge dieser bei 50 Prozent. Bauern seien mittelfristig in ihrer Existenz bedroht, weil ein „Verbotskatalog sie zwinge, mit „Pantoffeln über ihre Wiesen zu gehen“.
Das Landratsamt hätte, so Bronisch, die Bürgermeister und alle Beteiligten in die Entscheidungen mit einbeziehen müssen, damit „kein einseitiges Gutachen“ an die Umweltministerin geschickt werde. Geprüft werden müsse zudem, ob für die Ausweisung einer Wasserschutzzone auch eventuelle Risiken – wie beispielsweise Hochwasser – bei der Entscheidung mit eingeflossen seien.
Ein Landrat müsse seinen Landkreis in demokratischer Funktion vertreten, sagte Dr. Bronisch. „Das sehe ich hier nicht.“ Im Gegenteil. Im Vorfeld seien Diskussionen mit den betroffenen Landwirten und Bürgern sogar verweigert und Einblicke ins Gutachten verwehrt worden.
Landrat weist Vorwürfe zurück
„Es handelt sich hier um ein staatlichen Verfahren“, stellt Verwaltungsdirektor Martin Pemler klar. Das bedeutet: Das Landratsamt Miesbach handele als Untere Staatsbehörde, nicht als Verwaltungsorgan des Landkreises mit den zugehörigen politischen Institutionen.
Entsprechend trete der Landrat Wolfgang Rzehak nicht als politischer Vertreter des Landkreises, sondern als Leiter der Unteren Wasserbehörde in Erscheinung. Träger der Unteren Wasserbehörde sei der Freistaat Bayern und nicht der Landkreis Miesbach.
Eine Mitbestimmung durch Landkreisgremien – zum Beispiel eine Beschlussfassung durch den Kreistag – sei deshalb von vornherein nicht vorgesehen. Es handele sich außerdem um ein laufendes Verfahren, das bereits 2012 formell startete. Und im Rahmen dieses Verfahrens seien die Träger öffentlicher Belange schon vor Jahren gehört worden.
Landrat dementiert Vorwurf der Verschleppung
Deshalb hätte es von Amtsseite her keinen Grund gegeben, die Antwort an das Ministerium zu verzögern. Im Gegenteil: Wären die Ergebnisse nicht zeitnah weitergegeben und veröffentlicht worden, so hätte es den berechtigten Vorwurf der Verschleppung des Verfahrens gegeben. Transparenz habe man gezeigt, indem alle Prüfergebnisse auf der Homepage des Landratsamtes online gestellt wurden.
Dabei habe man sich an das Protokoll der öffentlichen Kreistagssitzung vom 20. Juli vergangenen Jahres gehalten. Daraus gehe hervor, dass „die Materialien zeitgleich mit der Versendung ans Umweltministerium vollumfänglich veröffentlicht und online gestellt werden.“
Es war nie vorgesehen, die Gemeinden, Bürgermeister oder den Kreistag in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen, da es sich wie beschrieben um ein staatliches Verfahren handelt.
„Wir brauchen ein Gespräch und mehr Zeit“
Das Verfahren werde deshalb zügig vorangetrieben, um das Ende der Auslegungsfrist nicht in die Weihnachtsferien fallen zu lassen. Eine Frist, die den Betroffenen nicht ausreicht. Wie soll man jetzt eine Sache prüfen, fragen sich die Vereine und Unternehmer, wofür die staatliche Behörde rund 30 Monate gebraucht hat?
Mit dieser viel zu knapp bemessenen Frist behindere der Landrat die Betroffenen massiv in der Möglichkeit, sich gegen die verheerenden Folgen aus dem geplanten Wasserschutzgebiet zu wehren. Damit habe sich der Landrat gegen seinen eigenen Landkreis positioniert. Das Ziel der verärgerten Wasserschutzzonen-Gegner: Mehr Zeit, um den Start des für Mitte Oktober angesetzten Verfahrens zu verhindern. Und ein Gespräch.
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