Mit Spannung wurde der Tagesordnungspunkt des Tegernseer Stadtrats erwartet. Entsprechend dicht gedrängt waren die Zuschauerreihen. Es ging um den Bebauungsplan „Sanatorium und Klinik“ in der Perronstraße. Seit langem sorgt das Gelände des ehemaligen Hypovereinsheims für Zündstoff.
Ein Sturm der Entrüstung entbrannte, als dort ein überdimensioniertes a-ja-Hotel entstehen sollte. Nicht minder sind die Vorbehalte bei den Anwohnern über das geplante Vorhaben des Bauherrn Klaus Dieter Burkhart, der das Geschehen mit seinem Team verfolgte. Als Chef des Deutschen Zentrums für Frischzellentherapie will er für sich in Tegernsee-Süd ein Sanatorium inklusive zweier Klinikgebäude errichten (wir berichteten).
Kein neuer Betreiber in Sicht
Diesen Klinik-Komplex sollte einmal der Wiesseer Privat-Klinik-Chef Dr. Martin Marianowicz betreiben, doch der sprang im April überraschend ab. Noch gibt es keinen neuen Betreiber, wie nun am Dienstagabend am Ratstisch bekannt wurde. Und dies bereitete vielen Stadträten wegen der ungewissen Nutzung der beiden Kliniktrakte erhebliche Sorgen.
Vorausgegangen waren der Diskussion Stellungnahmen und Einwände von Behörden, der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) und der Interessengemeinschaft Perronstraße. Während die Gemeinde Rottach-Egern die „massive Bebauung des schönen Hanggrundstückes bedauert“, wird die SGT deutlicher: „Von a-ja nichts gelernt – schlimmer geht’s nicht“.
Die Anwohner kritisieren über ihre Interessengemeinschaft die „viel zu massive Bebauung“. Sie entspreche dem 6-fachen des bisherigen Baukörpers. Und da die Stellplätze nicht ausreichen würden, „Wird ein wildes Parken in der Nachbarschaft befürchtet“. Zudem werde das Konzept mit der Frischzellentherapie in Frage gestellt. Insgesamt sind 121 Klinikzimmer, sieben Wohnungen für Mitarbbeiter, eine Tiefgarage mit 59 Stellplätzen sowie 26 oberirdische Parkplätze vorgesehen.
Stadt trägt Frischzellenkonzept des Bauherrn
Friedrich Peter Sieben (FWG) fragte sich, was sei, wenn das vorgelegte Konzept nicht so klappen würde. Wenn es eine ganz normale Klinik wäre, dann hätte er kein Problem. Aber hier würde es sich bei einem Teil der Klinik um „ein maßgeschneidertes Nutzungskonzept“ handeln, die Nutzung des anderen Teils würde man noch gar nicht kennen. Wenn man etwas beschließe, müsse man auch wissen, wie es in den nächsten 20-30 Jahren genutzt werden könne. „Wenn wir dort aber eine Klinik hinstellen, die nur so und nicht anders betrieben werden kann, dann macht mir dies Angst“, so Sieben.
Nur darauf zu vertrauen, „dass alles gut gehen werde, genüge nicht“. Als Rechtsanwalt der Stadt Tegernsee erwiderte Gerhard Spieß darauf, dass der Stadtrat mit dem Aufstellungsbeschluss entschieden habe, dieses Konzept der Frischzellentherapie mitzutragen. Zudem biete der vorhabenbezogene Bebauungsplan die größte Sicherheit, dass es so komme, wie es von dem „Bauherrn vorgestellt wurde“.
Wenn der Stadtrat Angst habe, dass etwas komme, was er nicht wolle, dann bedürfe es auch keiner weiteren Planungen. Kein Mediziner könne in die Zukunft blicken. Diese Ungewissheit sei Kennzeichen jeder Planung. „Wenn sie dies aber so wollen, dann können wir einpacken und sie brauchen gar nichts zu machen“. Dies gelte für jeden Bebauungsplan, jedes Hotel oder jedem Kindergarten. Aber gerade hier an der Perronstraße sei rechtlich gar keine andere Nutzung zulässig.
Statt Ruhe nun Verkehrsaufkommen
Schützenhilfe kam auch von Stadtrat Norbert Schußmann (CSU). Diese Spekulationen darüber, was wann irgendeinmal kommen könne, „führen letztlich zu nichts“. Der Bauherr, der viel Geld in die Hand nehme, werde sich dies „schon genau überlegt“ haben. Die Einwendungen gegen das Projekt habe man gut abgewogen. Man solle auch bedenken, dass dort durch den jahrelangen Leerstand des Hypovereinheims ziemliche Ruhe geherrscht habe und so nun jede Veränderung „negativ“ auffalle. „Es ist halt mal so mit dem Verkehrsaufkommen“, mit dem andere Bewohner im Tal auch leben müssten, so das Fazit von Schußmann, der mit den „vorgestellten Abwägungen gut leben kann“.
Rudolf Gritsch (CSU) „kann nicht nachvollziehen, warum wieder eine Grundsatzdiskussion losbricht“. Die Anzahl der Stellplätze könnte sich nur an einer konkreten Planung ausrichten. Der Schlüssel, der gefunden wurde, „weise in die Zukunft“. Auch der größere Pavillon in dem kleinen „verbliebenen Rest der Landschaft“ gefalle ihm. Denn ein Park werde erst dann „attraktiv“, wenn er genutzt werden könne. Die Bedenken der Anwohner wegen des Verkehrsaufkommens und des Parkplatzes sehe er, aber er sei durch die einschränkenden Maßnahmen „auch zumutbar“. Irgendwo werde es immer „einen Kompromiss“ brauchen, so Gritsch. Für ihn würden die Rahmenbedingungen nun passen.
Reichen 85 Stellplätze?
Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) verwies auf ein Gutachten, wonach Schallschutzmaßnahmen möglich seien. Aber diese seien „aufwendig und hässlich“. Er werde aber in dem Durchführungsvertrag festhalten lassen, wenn diese Schallschutzauflagen zwischen 22 und 6 Uhr nachweislich nicht eingehalten werden, dass dann die „Schutzmaßnahmen umgesetzt werden müssen“. Vorgesehen sei, dass die 26 oberirdischen Parkplätze in dieser Zeit nicht angefahren werden dürfen.
Auch für Heino von Hammerstein (BürgerListe) „fokussiert sich die Diskussion“ auf die Stellplatzfrage. Alle anderen Bereiche wie Naturschutz, Abstand und Höhenentwicklung, seien ausdiskutiert. Sie würden den Vorgaben entsprechen. Für ihn gebe es eine „Unsicherheit“ bei den Stellplätzen für die 121 Zimmer. Es sei nicht vorgegeben, dass pro Zimmer ein Stellplatz vorhanden sein müsse. Laut Bebauungsplan sei lediglich ein Stellplatz pro zwei Betten nötig. Damit bürge für ihn die Stellplatzfrage noch eine „Unsicherheit“.
Weiter sei das Personal mit 75 Mitarbeitern nicht berücksichtigt. „Was aber passiert, wenn der eine Teil der Klinik in die Insolvenz geht“, fragte Hammerstein. Bei den Stellplätzen sei keine Entwicklung mehr möglich. Deshalb schlage er vor, den Beschluss über den Bebauungsplan nochmals zurückzustellen, damit der Bauwerber die Möglichkeit habe, das Tiefgaragenkonzept „nachzuplanen“.
Hagn: “Ein zukünftiges Risiko kann man einem Investor nicht aufschultern”
Die Bauamtsleiterin bestand darauf, dass bei den Stellplätzen „nichts mehr offen ist“. Man sei mit einem Stellplatz für zwei Betten ohnehin unter den Stellplatz-Anforderungen für Kliniken. Dort sei für sechs Betten ein Stellplatz gefordert. „Wir gehen runter auf die Höchstgrenze“, so Koch, „da ist das Personal mit inbegriffen“. Florian Kohlers (BürgerListe) Einwand: „Was ist, wenn das Konzept mit der Frischzellentherapie nicht funktioniert?“
Mit der Kritik aus den Reihen des Stadtrats werde ausgedrückt, so Hagn, „dass Zweifel am Durchführungskonzept bestehen, wenn es nicht funktioniert“. Dies passe aber nicht zu dem Verfahren, „das wir gerade machen“. Mit dem Durchführungsvertrag aber liegen alle „Möglichkeiten“ bei der Stadt.
Wenn es mit dem Vertrag eines Tages nicht mehr funktioniere, dann entscheiden „die, die hier sitzen, ob das Ding abgerissen werden muss oder eine alternative Nutzung möglich ist“. Man könne aber ein zukünftiges Risiko nicht einem Investor aufschultern, wenn man jetzt nicht von dessen Konzept überzeugt sei. Dann müsse man ihm dies gleich sagen.
„Hosenscheißer“
Thomas Mandl (SPD): „Diese Klinik haben wir gewollt“. Sie bringe auch im Gegensatz zum einst geplanten a-ja-Hotel deutliche Verbesserungen. Das Problem aber heute sei, dass man mit der Hälfte der Gebäude „nicht wisse, was daraus wird“. Man könne nicht jetzt etwas genehmigen, wenn sicher dann herstellen würde, „dass sich der Investor verkalkuliert hat“. Wir haben eine riesige Baumasse und dagegen verhältnismäßig wenig Betten. Dieses Verhältnis sei nicht gut.
Einige am Tisch hegen die Befürchtung, dass wir in Zukunft deutlich nachbessern müssen.
Entscheidend sei die gesamte Nutzung der Klinikgebäude. Solange diese ungewiss sei, könne auch nichts über die Anzahl des Personals gesagt werden. „Dies ist ziemlich fahrlässig“, so Mandl. „Wie machen wir jetzt weiter“, fragte Bürgermeister Hagn ziemlich ratlos nach der zweieinhalbstündigen Diskussion. Die Mehrheit mit 10:7 Stimmen war für eine Aufschiebung und Nachbesserung des Bebauungsplanes.
Dies veranlasste Norbert Schußmann zum Spott „Hosenscheißer“. Diesen nahm er nach einer Aufforderung durch Andreas Obermüller (FWG) wieder zurück. Die Wogen waren wieder geglättet. Doch Bauherr Burkhart zog mit seinem Architektenteam ziemlich frustriert ab. Er war nicht zu Wort gekommen. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.
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