Nur eine schmale Zufahrt über das Grundstück davor führt zu der 1.144 Quadratmeter großen Immobilie. Inmitten alter Obstbäume steht ein kleines Holzhaus aus den 40er Jahren mit einer Garage. Es ist schon länger unbewohnt, die einstige Eigentümerin M. lebt mittlerweile in einem Augsburger Altenheim. Ihr Sohn, der inzwischen in Liechtenstein wohnt, hat dagegen Größeres im Sinn.
Schon vor drei Jahren war der Wiesseer Bauausschuss mit einem Vorbescheid befasst. Doch damals fiel die Baumasse mit 22 auf zwölf Metern für ein Mehrfamilienhaus noch viel zu groß aus. Das Bauamt verwehrte seine Zustimmung. Inzwischen hat M. seine Pläne abgespeckt, auch in der Höhe. Denn es wurde zwischenzeitlich ein „einfacher Bebauungsplan“ für das Gebiet mit den 45 Grundstücken festgelegt. So dürfen höchstens 18 Prozent eines Grundstücks mit einem Gebäude bebaut und maximal 50 Prozent des Grundes versiegelt sein, erklärte Bauamtsleiter Helmut Köckeis dem Gemeinderat.
Viel Entwicklungsmöglichkeiten
Und Köckeis ergänzte: „Die Wandhöhe darf nicht mehr als 6.70 Meter erreichen“. Antragsteller M. hielt sich daran. So könnte er nun in der Grundfläche von 18,30 auf 10,75 Metern fünf Wohneinheiten mit zehn Tiefgaragenplätzen unterbringen. Doch ob die Pläne so verwirklicht werden, bleibt offen. Denn derzeit wird es von Guiseppe P. und seinem Immo-Büro am Chiemsee mit genehmigtem Bauplan und einer „Bruttogeschoßfläche von 615 Quadratmetern“ für mehr als 1,5 Millionen Euro angeboten. Und der Makler wirbt:
Dieses Grundstück ist von allen im Plangebiet liegenden Grundstücken das mit der größten baulichen Entwicklungsmöglichkeit, das durch die Nachbarschaft eingebettet ist.
Doch die Nachbarschaft selbst prangert an, dass die Idylle nun einem Mehrfamilienhaus weichen soll. Allen voran Hartmut Huser, der von der „Goldgräberstimmung“, wie er sagt, unmittelbar betroffen ist. „Denn das Bauprojekt vor meiner Südterrasse mindert nicht nur den Wert des Grundstücks, es versperrt mir auch den Blick“, klagt der Wiesseer, dessen Sohn auch an dem Nachbargrundstück interessiert war. Doch beim geforderten Preis von 1,5 Millionen konnte er nicht mithalten, wie der Vater erklärt.
Auch sonst soll der Umgangston von Makler P. recht rüde gewesen sein, wie Huser betont. Als er P. seine Vorbehalte gegen den großen Baukörper vorbrachte, soll dieser gesagt haben:
Es ist mir scheißegal, was sie als Nachbar von dem Neubau halten.
Makler P. scheint ziemlich auf Krawall gebürstet zu sein, wie Huser erzählt. Beispielsweise, als es um das Stutzen der Hecke zwischen beiden Grundstücken für bessere Fotos ging. P. habe die Äste einfach am gemeinschaftlichen Zaun deponiert. Als Huser darum gebeten habe, den Abfall doch nicht vor seiner Terrasse zu lagern, soll Makler P. gesagt haben: „Daran müssen sie sich gewöhnen“.
Weitere Konflikte sind programmiert. Denn das Verkaufsobjekt ist nur über das Grundstuck von Hartmut Huser zu erreichen. Vor vielen Jahren wurde dafür im Grundbuch ein Geh- und Fahrtrecht eingetragen. Doch laut Huser sei dieses damals nur für ein Einfamilienhaus ausgestellt worden. Die Zufahrt sei deshalb auch nur drei Meter breit. Gewöhnlich habe ein Baufahrzeug aber eine Breite von 2,50 Metern, so Huser. Darüber hinaus brauche es eine Sondergenehmigung.
Schwere Fahrzeuge wie Betonmischer würden dort einsinken, befürchtet nun Huser. Darunter könnte auch seine Garage leiden, die unmittelbar an den Fahrweg grenzt. Daher fordert Huser von Eigentümer Wolfgang M. jetzt ein Beweissicherungsgutachten. Doch was letztlich aus dessen Grundstück wird, bleibt offen. Denn auch Wiessees Bauamtsleiter Helmut Köckeis weiß nicht, „was ein neuer Eigentümer damit macht“. Dennoch wurde der Bauantrag in der jüngsten Gemeinderatssitzung mit einer Gegenstimme befürwortet.
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