Vor mehr als einem Jahr, im September 2016, hieß es aus dem Wiesseer Rathaus, dass das Jodbad bereits im Januar 2017 Geschichte sein sollte. Bürgermeister Peter Höß (Wiesseer Block): „Wenn nichts dazwischen kommt, kann mit dem Abriss im Januar (2017) begonnen werden“. Doch es kam etwas dazwischen: der Artenschutz.
Diesen hatte der Investor, die Sports Medicine Excellence Group (SME) aus der Schweiz, offenbar nicht auf der Rechnung. Denn der besage laut SME-Geschäftsführer Florian Kamelger, dass nur zwischen Oktober und Februar abgerissen werden dürfe. Obwohl die Gemeinde das Gebäude aus dem Jahr 1928 bereits im Dezember 2016 geräumt hatte, und die Jodbäder seitdem im Obergeschoss des Badeparks verabreicht werden, erfolgte der Abriss nicht.
Auf dem etwa 20.000 Quadratmeter großen Areal tat sich ein Jahr lang nichts. Auch die für den Sommer angekündigten Entkernungsarbeiten fanden nicht statt. Offiziell begründet wurde es damit, dass Abriss und Neubau Hand in Hand gehen sollen. Doch für das neue Luxushotel mit 119 Zimmern und Medizinzentrum fehlten noch „Bestätigungen einer Reihe von Behörden“, so Höß dann im vergangenen Oktober. „Leider ging das nicht so schnell, wie man es geplant hat. Deshalb liegt die vollziehbare Baugenehmigung noch nicht vor“.
Trotz Baugenehmigung bleiben die Millionen noch aus
Als dann einen Monat später die Baugenehmigung vorlag, hieß es aus dem Rathaus, dass die Arbeiten in enger Abstimmung mit den Schweizer Investoren geplant würden. Und die nehmen sich dafür offensichtlich viel Zeit, da sie das Tempo und damit die Fälligkeit des Kaufpreises von sieben Millionen Euro bestimmen, auf die die Gemeinde zur Schuldentilgung dringend wartet.
Schließlich hat Rathauschef Höß die Ausschreibung für die Abbrucharbeiten aus der Hand gegeben. SME vergibt laut Optionsvertrag den Auftrag an eine Abbruchfirma. Damit bestimmen die Schweizer, wer wann zu welchen Kosten abreißt. Diese geschätzte eine Million Euro an das Abbruchunternehmen aber „übernimmt die Gemeinde“, so Höß. Ein ungewöhnlicher Vertrag. Nicht die Gemeinde als Geldgeber sucht das günstige Angebot, sie überlässt es SME, wer zum Zug kommt. „Wer zahlt, schafft an“, diese Binsenweisheit ist eigentlich Usus im Geschäftsleben, nicht so offenbar in Bad Wiessee.
„Endverträge“ lassen auf sich warten
Ein weiterer Knackpunkt der Vereinbarung ist, dass sich SME das Areal vorerst nur reservieren ließ. Damit ist nicht sichergestellt, dass Florian Kamelger und sein Partner Andreas Bänziger die Kaufoption ab Eingang der Baugenehmigung Mitte November nach einer vierwöchigen Widerspruchsfrist auch wirklich ziehen werden, auch wenn sie und der Bürgermeister dies ständig beteuern.
„Die haben ja schon viel in die Planung investiert“, so Höß, deswegen gehe er davon aus, dass die Abbrucharbeiten „nach jetzigem Stand“ nun im Januar starten würden. “Selbstverständlich werden wir das Projekt realisieren“, erklärte Bänziger. Ein Optionsvertrag sei üblich, bevor dieser in einen Kaufvertrag umgewandelt werde. Man habe vorab “viel, viel Geld und Zeit in die Planung gesteckt” und man werde mit dem Abriss beginnen, sobald es zeitlich “perfekt passt”.
Bei einem Projekt in dieser Größenordnung werde es laut Bänziger aber “sicherlich noch ein paar Wochen dauern”, bis die Endverträge unterschrieben seien, sagte Bänziger Ende November. Fraglich ist somit, ob die Abbrucharbeiten nun im Januar starten können und ob sie bis Ende Februar zu schaffen sind. Denn zwischen März und Oktober darf kein Rückbau erfolgen.
Spiel auf Zeit
Derzeit kennt offenbar auch die Gemeinde keinen Abbruchtermin, wie deren Geschäftsleiter Hilmar Danzinger kurz vor Weihnachten der Tegernseer Stimme mitteilte. Bei Fragen zum aktuellen Stand solle man sich an SME wenden, „denn die Modalitäten zum Abbruch des alten Jod-Schwefelbades werden zwischen SME und dem/den Abbruchunternehmen vereinbart“. Dies klingt nicht so, als sei das enge Zeitfenster von zwei Monaten noch zu schaffen.
Auch bei der Frage nach dem Zeitpunkt des Zahlungseingangs der SME-Millionen bleibt Danzinger nebulös: „Themen, die im nicht-öffentlichen Teil von Gemeinderats-Sitzungen diskutiert und beschlossen werden, werden seitens der Gemeinde erst dann öffentlich gemacht, wenn der richtige Zeitpunkt hierfür gekommen ist. Dieser ist noch nicht gekommen“.
Damit bleibt der Öffentlichkeit und den Wiesseer Bürgern zunächst vorenthalten, ob die Millionen schon geflossen sind oder sie noch erwartet werden. So beherrschte das Spiel auf Zeit das vergangene Jahr beim Thema Jodbadabriss. Und zwar auf beiden Seiten. Der Ausgang ist bei dieser Informationspolitik nach wie vor offen.
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