Etwa 450 Teilnehmer debattierten heute im Rottacher Seeforum über die wirtschaftliche Zukunft Europas. Für einen Tag fanden sich hier Politiker, Unternehmer und Publizisten zum Erfahrungsaustausch zusammen. In der Hoffnung auf „gute Gespräche, gutes Netzwerken, politische Inspiration und einen Ausblick auf Europas Zukunft“, wie Wirtschaftsexpertin und Unternehmerin Kristina Tröger kurz vor Beginn des Gipfels sagt.
Heuer waren es mehr als 50 kooperierende Konzerne und Unternehmen sowie hochkarätige Redner, die an den Tegernsee kamen. Der Landkreis warb erstmals mit einem Stand. Ein Event, das mit der Unterstützung regionaler Sponsoren und Global-Playern wie Black Rock,, sowie Krauss-Maffei vom Tegernseer Verleger-Ehepaar Christiane Goetz-Weimer und Dr. Wolfram Weimer ins Leben gerufen wurde.
Tal-Prominenz im Gesprächsaustausch
Der Ludwig-Erhard-Gipfel soll für „lebhafte Debatten, Ehrlichkeit und Klartext “ sorgen. Das wiederum erklärt Verlegerin Christiane Goetz-Weimer. Die Freiheitsidee und den Demokratiegedanke von Ludwig Erhard, dem „Vater des Wirtschaftswunders“, dabei immer im Hinterkopf.
Erschienen waren neben den Tal-Bürgermeistern sowie Landrat Wolfgang Rzehak unter anderem Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, Ilse Aigner, Bayerische Wirtschaftsministerin, Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, Stefan Oschmann, CEO von Merck, Peter Scharl, Vorstand der BlackRock Asset Management Deutschland AG sowie Unternehmer Walter Kohl.
Eine Schlange hatte sich morgens vor allem vor der Garderobe gebildet. Die Teilnehmer des heutigen Gipfels warteten zunächst auf ihre Namensschilder, während sich der ein oder andere Gast angeregt beim Morgen-Kaffee unterhielt. Dann konfrontierte Christiane Goetz-Weimer die Anwesenden mit der fundamentalen Frage: „Wohin treibt die Republik?“
Das Land befände sich zwar in „bewegten Zeiten“, so die Verlegerin. „Die Gemütlichkeit ist vorbei, die Welt scheint aus den Fugen geraten.“ Die Krisenkanzlerin Merkel galt als „Fels in der Brandung“, so Goetz-Weimer. Seit heute wisse man, dass es auch „Felsen am Jamaika-Strand gibt“. Dennoch wolle man die „Chancen und Herausforderungen“ nutzen. Als optimistische Nachricht verkündete sie den nach langen Verhandlungen gelungenen GroKo-Durchbruch.
Professor Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen war der erste Redner, der den Gipfel einläutete. Götz-Weimer bezeichnete ihn als „wichtigsten und einflussreichsten Mann“ der Zukunftsforschung. Als „messerscharfes Nordlicht“ prognostizierte er humorvoll, dass die Frauen die Gewinner der Zukunft sein werden. Der Egoismus der heutigen Zeit müsse einem Einheitsdenken weichen. Verlässlichkeit, Vertrauen und Verantwortung seien die Werte der Zukunft, die jeder für sich selbst übernehmen müsse.
Walter Kohl setzt auf Souveränität
Der britische Staatsminister für Handel und Investitionen und Ex-Chefsekretär des Finanzministeriums, Greg Hands, betonte, dass Großbritannien trotz Brexit ein enger Partner Eurpas sein wolle. “Mit dem Austritt aus der EU habe man nicht beschlossen, Europa zu verlassen.“ Den Handel, die Sicherheit und die Strafverfolgungen wolle man aufrechterhalten. Man kämpfe weiter für die Liberalisierung des Freihandels. Großbritannien teile mit Deutschland Werte wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.“ Dafür müsse man sich mit ganzer Kraft einsetzen.
Viel Applaus bekam Unternehmer Walter Kohl, Sohn des im vergangenen Jahr verstorbenen Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl. Trotz des „enormen Medienhypes“ habe er seinen Frieden gefunden, sagte er heute. Man brauche einen klaren Kurs. Einen einzigen 30-minütigen Auftritt habe er in einer Talkshow von Markus Lanz gehabt. „Ich bekomme nur sieben Minuten“, konterte Wolfram Weimer. „Sie hatten auch keinen Todesfall“, entgegnete ein sichtlich gut gelaunter und entspannter Walter Kohl.
Manchen Leuten wolle er eben nicht „Lufthoheit über seine Seele“ geben, deshalb nehme er sie lieber selbst in die Hand, brachte der Unternehmer seine Vorstellung vom Leben auf den Punkt. Souveränität sei die Grundlage einer Gesellschaft. Und die brauche Mut und Risikobereitschaft. Den amerikanischen Präsidenten Donald Trump sehe er nicht als „Ursache“, sondern als „Wirkung“ auf ein politisches Versagen in Washington. Bravo-Rufe erhielt Kohl für seine Aussage, man müsse wieder einen Kampfgeist entwickeln und die Bequemlichkeit ablegen. Man sollte „aufstehen und auf die Straße gehen und sich denen stellen, die dummes Zeug erzählen“.
Cherno Jobatey über die Zukunft der Medienwelt
Fernsehmoderator und Herausgeber der Huffington Post, Cherno Jobatey, hielt eine Rede zum Thema „Wohin treibt die Medienrepublik?“ Der als „Wohlfühlgesicht“ angepriesene Redner machte klar: „Es geht in Richtung Digitalisierung“. Man schaue nicht mehr Nachrichten, sondern Google. Was einem nicht gefalle, werde nicht mehr geteilt. Wer also langweilig sei, der könne es gleich vergessen. Der Zukunftstrend seien Videos. Er schloss seine Rede mit den Worten: „Wenn sich die Medien verändern, ändert sich die Gesellschaft.“ Sein Motto: Minimaler Aufwand mit maximalem Erfolg.
Lindner und Weidmann erhälten „Freiheitspreis der Medien“
Im Anschluss wurde dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner in der Kategorie „Politik“ der „Freiheitspreis der Medien“ verliehen. Die Laudatio hielt Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Er pries Lindner als ein Multitalent an, das mit intellektueller und analytischer Schärfe agiere und alles ausprobiere, um Erfahrungen zu sammeln.
Sein Talent läge auf dem schwarzen Feld „Humor“. Das mache auch sein Charisma aus, deshalb sei er ein „charismatischer Erneuerer“, der überzeugen könne. Europa werde durch eine gelungene Balance stärker. Deutschland brauche mehr System im Sinne eines Koordinatensystems, damit es wieder durchatmen könne. Das sei Freiheit – und die verkörpere Lindner.
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Zudem habe Lindner, als einer der Hauptakteure der geplatzten Jamaika-Verhandlungen, den deutschen Liberalismus zurück ins Parlament geführt und auch jenseits des tagespolitischen Geschäfts der „Idee der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit einen großen Dienst erwiesen“, heißt es seitens der Jury.
In seinen Positionen, seiner Sprache und seinem Humor verkörpert er zudem einen selten werdenden Mut zu Haltung und Autonomie und bricht zuweilen bewusst die engen Grenzen der politischen Korrektheit.
Erstmals wurde heute auch ein zweiter Preisträger ausgezeichnet. In der Kategorie „Wirtschaft und Finanzen“ durfte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann am Abend den „Freiheitspreis der Medien“ entgegennehmen. Der oberste deutsche Notenbanker erhält den Preis für sein „mutigen Eintreten für Geldwertstabilität und die Verteidigung unabhängiger Zentralbanken vor dem Zugriff durch die Politik“. In der Begründung der Jury heißt es weiter:
Jens Weidmann hat sich als unabhängiger Geist und Gestalter erwiesen, der seine Positionen mit hoher Sachkompetenz, klaren Wertvorstellungen, Autorität und Glaubwürdigkeit vertritt.
Weidmann stieg 2011 zum bis dahin jüngsten Präsidenten der Deutschen Bundesbank auf. Seit dem 2015 ist er zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Die Laudatio hielt die Bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner.
Landkreis nutzt Elite-Plattform erstmals für Eigenwerbung
Erstmals unterstützte auch der Landkreis Miesbach das Event. Wie berichtet hatte man ursprünglich vor, die Veranstaltung mit 9.000 Euro zu bezuschussen, war dann aber schnell davon abgekommen. So entschieden sich die Kreisräte dafür, für lediglich 5.000 Euro beim Geschehen mitzuwirken – Werbe-Stand und Networking inklusive.
Eine solche „hochkarätige Veranstaltung“ müsse genutzt werden, um den Landkreis in den Fokus zu stellen, betonte Grünen-Landrat Wolfgang Rzehak im November. Schließlich hätte sich dieser zu einem der erfolgreichsten Wirtschaftsgipfel gemausert. Deshalb werde eine Kooperation als ein wichtiges Bekenntnis des Landkreises Miesbach zur Wirtschaftsregion verstanden.
Gipfeltickets doppelt so teuer
Die Kritik, man greife damit einer privaten Veranstaltungsagentur finanziell unter die Arme, die auf Gewinnoptimierung aus sei, wiegelte Rzehak damals ab. Es handele sich nicht um einen Finanzierungszuschuss, sondern um eine Werbeplattform. Die Veranstaltung würde sich auch „so tragen“.
Während die Besucher in letzten Jahr noch 250 Euro pro Ticket gezahlt hatten und nur derjenige, der am Gala-Abend und der Verleihung des Freiheitspreises teilnahm, 500 Euro auf den Tisch legen musste, so kostete das Gipfelticket heuer für alle Teilnehmer das Doppelte. Wer in den Genuss der Abendgala kommen wollte, legte weitere 175 Euro hin. Etwa 300 Teilnehmer sollen am heutigen Abend im Tegernseer Hotel Das Tegernsee dabei sein.
Noch ein paar Eindrücke:
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