Kennen- und schätzen gelernt haben sich der Holzkirchner Wolfgang Sappl und der Ohlstädter Hubert Poschenrieder in ihrer gemeinsamen Zeit beim Holzkirchner Oberbräu – und sich auch während der Meisterschule für Brauer nicht aus den Augen verloren.
Dabei verband sie nicht nur die Leidenschaft für die eine oder andere Feierabendhalbe – sondern der beharrliche Plan, eines Tages eine eigene Brauerei auf die Beine zu stellen. Und die Einigkeit darin, an einem Traditionsstandort wie Holzkirchen einem zeitlosen Brauereigedanken zu folgen. Dabei lehnen Sappl und Poschenrieder die Dynamik der Craft-Beer-Szene keineswegs ab:
Die wilden Brauer und Bierrebellen der Craft-Beer-Szene haben viel für die Sortenvielfalt und Wertschätzung des Bieres erreicht. In der Summe haben es die vielen kleinen Brauereien geschafft, den großen Fernsehbieren etwas entgegen zu setzen.
Für das eigene Brauerei-Leitbild grenzen sich die beiden Mittzwanziger jedoch deutlich von der Craft-Bier-Szene ab:
Es hat sich über weite Strecken sehr zergliedert und ist ein ‘noch gehopfter, noch stärker, noch ausgefallener’ geworden. Als ich vom ersten Bier mit Ziegenhirn als Zutat gehört habe, wusste ich, das ist nicht mehr meine Welt.
Sie nennen ihr Helles “Feiramdhoibe” – und das meinen sie auch so. “Wir möchten ein Bier für unsere Leut’ machen. Ein süffiges, einwandfreies Helles, das wir nicht sonstwohin exportieren wollen. Aber wenn es die Vereine in der Umgebung auf ihren Festln ausschenken werden oder es das Bier der Wahl zum Grillen auf der Terrasse wird – das wäre unser Traum.”
Bei dem -im Übrigen nach altem und zeitaufwändigerem Dekoktionsverfahren hergestellten – Hellen merkt man bekanntlich jeden Braufehler, der sich anders als bei manchen Craft-Beeren nicht mit Hopfengaben oder einem “Schauen-wir-mal, was rauskommt” kaschieren lässt.
Daneben ist gerade noch der erste Sud des Weißbieres in der Mache. Die “Frühschoppenhalbe” soll es heißen und wird gerade in den Anlagen des Grafinger Wildbräus eingebraut. Dort, eine halbe Autostunde von Holzkirchen entfernt, habe man vorübergehend die beste Anlagentechnik für eine einwandfreie und gleichbleibende Qualität gefunden.
Holzkirchen wird’s
Dennoch schielen beide auf den Standort Holzkirchen, der es langfristig werden soll. Ein erster Gehversuch auf dem familieneigenen Grundstück am “Sappl-Stadl” im Gewerbegebiet ist bereits terminiert: Am 10. Juni wird dort ab dem Vormittag das erste Biergartenfest steigen- und das handwerklich hervorragende Helle den Holzkirchnern zur Verkostung angeboten.
Das Sortiment wird im Übrigen bald Zuwachs bekommen: Im Rezeptordner warten noch das Sappl-Märzen, vielleicht ein Export und saisonale Biere wie ein Bock oder eine Leichte Weiße darauf, in die von der Dietramszellerin Laura Wolf hervorragend gestalteten Flaschen abgefüllt zu werden. Namenspatron wurde nach sachlicher Argumentation Wolfgang Sappl, das Emblem der Brauerei ist aber wiederum dem Wappen der Poschenrieders entleht, erklären die beiden Inhaber, die sich des Erfolges wegen ganz einer faktenbasierten Entscheidungskultur hingegeben haben – nicht immer selbstverständlich in einer GbR.
Konzept, das auf durstigen Boden fällt
Mit ihrem dezidiert traditionellen, aber unverstaubten Anspruch ist dem Sappl Bräu zuzutrauen, eine Punktlandung in Holzkirchen hinzulegen. Der eigene Bierstolz in der Marktgemeinde darbt etwas, seit die bekannten Holzkirchner Traditionsmarken dem neuen Weltkonzern allenfalls noch eine Randnotiz wert sind.
Alt- und Neubürger warten seit gut 15 Jahren wieder auf einen echten Biergarten – Sappl und Poschenrieder könnten die Pioniere einer neuen Bier-Ära für Holzkirchen werden – und dabei ganz auf alte Werte in neuem Glanz setzen: Ein regionales Bier mit starker Identität. Ein ‘Bier für unsere Leid’ eben, das ironischerweise seine gastronomische Premiere nicht in Holzkirchen feiern wird, sondern im Gasthof der Poschenrieders im Landkreis Garmisch-Partenkirchen.
Das “Bier für unsere Leid”, also das Feierabendhelle ist nun in einer Premierenauflage von 4000 Litern bereit für die Zeit ums Fest, weckt aber unter der Hand scheinbar vorher schon Begehrlichkeiten:
Ein bissl aufbassn müss ma scho, dass sie’s uns ned scho vorher ois zammtrinken.
So san’s, unsere Leid.
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