Ende Januar soll der vereinbarte Kaufpreis von 7 Millionen Euro vollständig auf dem Konto der Gemeinde eingegangen sein, hieß es aus dem Rathaus. Eine knappe Million muss die Gemeinde allerdings gleich wieder in den Abriss stecken. Denn den muss Bad Wiessee noch finanzieren. Letztlich bleiben dem Ort für das verkaufte knapp 20.000 Quadratmeter große Areal nur etwa 6 Millionen Euro. Ein Schnäppchen sei das für SME, wie Branchenkenner äußern. Doch der eigentlich finanzielle Kraftakt für SME kommt noch, der Neubau eines Aktivitätshotels.
Es soll mit 119 Zimmern, einer gehobenen Gastronomie und einem medizinischen Funktionsgebäude auf dem ehemaligen Jodbad-Areal aufwarten. In der Planungsphase verwendeten die Geschäftsführer von SME, Florian Kamelger und Andreas Bänziger, beides Ärzte, noch den Begriff Sportsclinic, mit dem sie auch auf ihrer Homepage hausieren gingen. Überall hätten sie Dependancen, auch in Deutschland und Österreich. Dies veranlasste wohl Bürgermeister Peter Höß im Jahr 2014, sich ein genaueres Bild über die Sportsclinic Austria in Innsbruck zu machen. Gegenüber der Heimatzeitung schwärmte er jüngst, dass er von der „fachlichen Kompetenz“ von SME überzeugt sei, da er deren Praxis selbst besucht und eine Reihe von Rückfragen „getätigt“ habe.
Dies genügte Höß offenbar als Referenz für das Großprojekt in seiner Heimatgemeinde, obwohl er in Innsbruck keine Klinik in Augenschein nehmen konnte, wie es der Begriff Sportsclinic suggeriert. Die gab es auch nie, wie nun ein einstiger Weggefährte von Kamelger der Tegernseer Stimme anvertraut.
Keine Klinik, keine Infrastruktur
Der renommierte Orthopäde Prof. Dr. Christian Fink, der derzeit auch die österreichischen Olympioniken in Südkorea betreut, war nach eigenen Angaben 2007 Mitbegründer einer Sportsclinic Austria. „Es gibt aber keine Klinik, wie es auch in keinem anderen Land eine Klinik gibt, es gibt nur einen Namen“, so Fink. „Es gibt seit drei Jahren keine aktive Praxis mehr von SME oder der Sportsclinic Austria. Dort werden Sie nichts mehr finden, was mit SME zu tun hat“.
Bei der Gründung eines Netzwerkes sei am Anfang Bänziger dabei gewesen. Kamelger habe es damals noch nicht gegeben. Die Idee war laut Fink damals, bestehende Praxen, die gewisse Leistungskriterien erfüllen, zusammenzuführen und mit ihnen gemeinsam etwas zu machen, um gewisse Synergien zu nutzen. „Die Sportsclinic Austria besaß nie eine Infrastruktur. Man hat nur einer Praxis den Namen gegeben. Das war mehr eine Franchise-Geschichte. Über die unterschiedlichen Ansichten zu diesem Konstrukt haben wir uns dann getrennt. Von der Sportsclinic Austria gebe es nur einen Internetauftritt und noch einen Briefkasten an der einstigen Adresse.
Wie also hat sich Höß vor über drei Jahren von der Plausibilität einer Sportsclinic, wie das Wiesseer Projekt seinerzeit noch hieß, überzeugen können? Weil er nur eine Praxis zu Gesicht bekam?
SME: „Erfolgreich, aber nicht nachhaltig genug“
Laut Kamelger wollte sich Höß selbst ein Bild von der Sportsclinic Austria machen und sie einer „sorgfältigen Überprüfung unterziehen“. Jedoch ein Jahr danach verschwand die Innsbrucker Praxis von der Bildfläche. „2015 wurde der Kooperationsvertrag der Sports Medicine Excellence AG mit den Ärzten in Innsbruck und den anderen Standorten aufgehoben und die Organisationssetups den Ärzten verkauft, weil die strategische Ausrichtung des Unternehmens mit der der Kooperationspartner nicht mehr zusammenpasste“, so Kamelger auf Nachfrage. Dennoch sei SME „hoch erfolgreich, aber langfristig nicht nachhaltig genug“ gewesen.
Ähnlich erging es offenbar auch der Sportsclinic Germany in Hannover. Dort hatten sich beteiligte Orthopäden auch Ende 2014 von SME getrennt, denn die Schweizer hatten lediglich „reine Management-Aufgaben“. Kamelgers Firmenphilosophie lautete damals, „ein Konzept als Management-Franchise-Geber für niedergelassene Orthopäden“ zu verfolgen. Die Marke Sportsclinic habe weder eine Infrastruktur noch eine „Klinik“ besessen, räumt Kamelger ein.
Sie soll für höchste medizinische Qualität, effiziente und patientenorientierte Abläufe im Behandlungsprozess und kostenorientiertes Arbeiten gestanden haben, schildert Kamelger bereitwillig längst vergangene Aktivitäten, die Höß offenbar in Innsbruck gezeigt wurden. Doch der schweigt bis heute auf konkrete Fragen der Tegernseer Stimme. Die Antwort kann Kamelger liefern, wenn er sein Hotelprojekt wie vereinbart realisiert.
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