Seit zwölf Jahren betreibt die Familie Giorno ihre Trattoria Pizzeria „Rusticale“ an der Münchner Straße. Zuletzt fiel das Lokal durch den Anbau einer verglasten Terrasse auf. Doch dies hat nicht Giorno als Pächter veranlasst, wie gestern im Gemeinderat bekannt wurde, sondern die neuen Eigentümer – die AFH-Group in München. Laut Bauamtsleiter Helmut Köckeis soll das Grundstück im vergangenen Jahr den Besitzer gewechselt haben. Die Münchner Firma ist aber nicht in der Immobilienbranche zuhause, sondern im Kfz-Gewerbe.
Auf ihrer Homepage bietet die AFH-Group „zahlreiche Dienstleistung rund um Straßenverkehr und Mobilität aus einer Hand“ an. Vermutlich deswegen sind die Firmeninhaber noch nicht so mit den Gepflogenheiten im Baugewerbe vertraut. Nicht anders lässt sich ihr „unverschämtes Vorgehen“ erklären, wie es Markus Trinkl (FWG) gestern formulierte. Denn sie sollen nicht nur Pächter Giorno „fristlos gekündigt“ haben, wie Köckeis den Gemeinderat informierte, die Eigentümer wollten auch den Parkplatz pflastern und einige Alleebäume entfernen. Dies gehe auf keinen Fall, habe er den Antragstellern gesagt, denn die Bäume seien „ortsbildprägend“.
„Unwürdige Baugestaltung“
In der Vorweihnachtszeit seien die neuen Besitzer wieder bei ihm auf der Matte gestanden und hätten um eine Vergrößerung und Verglasung der Terrasse nachgefragt. Ohne Bauantrag gehe dies nicht, soll Köckeis erwidert haben. Ohne jegliche Baugenehmigung sei dann die Maßnahme „blitzschnell durchgezogen“ worden. Und die Gemeinde wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Wind davon habe auch das Landratsamt bekommen, das den Bau laut Köckeis sofort einstellen ließ.
Klarstellen wollte Köckeis, dass der Anbau nicht vom derzeitigen Pächter Giorno veranlasst wurde, sondern von der AFH-Group, die hier „relativ forsch zugange“ war. In dem nun vorliegenden Bauantrag seien zwei Punkte besonders zu prüfen, so Köckeis, die Gestaltung und vor allem die Stellplätze. Durch Erweiterung der Terrasse in der Tiefe von knapp drei auf 6,80 Meter fallen einige Stellplätze weg, doch zusätzliche würden durch die Vergrößerung der verglasten Veranda eigentlich benötigt. Insgesamt seien nun 26 Stellplätze erforderlich, aber 19 könnten nur nachgewiesen werden.
Ob diese in der Realität alle benutzt werden können, sei ohnehin fraglich. Gleichzeitig mit dem Anbau sei an der rechten Seite auch ein zweiter Abgang zu einer Bar errichtet worden. Nun gebe es im Untergeschoß des einstigen Cabarets „Zur schwarzen Katze“ neben der Bar „Kairo“ noch eine weitere.
Gestaltungswirrwarr
Was aus dem Restaurant künftig werden soll, sei dem Bauamt nicht mitgeteilt worden. Köckeis missfiel zudem die „unwürdige“ Baugestaltung mit Sattel-, Pult- und Flachdach. „Unbeeindruckt von behördlichen Vorschriften“, werde auch im Obergeschoß „weitergebastelt“ und ein Balkon abgerissen. „Ungeschickter geht es nicht“, urteilte Robert Huber (SPD). So etwas im Nachhinein zu genehmigen, gehe überhaupt nicht. Und sein Fraktionskollege Bernd Kuntze-Fechner pflichtete Huber bei.
Wenn die mit diesem Plan gekommen wären, hätte dieser niemals genehmigt werden dürfen, denn hier werde gegen alles verstoßen.
Hier müssten wieder ordnungsgemäße Zustände hergestellt werden. „Ich habe keinen Bock auf solche Immobilien-Cowboys“, schimpfte Tinkl. Man sei hier nicht im Wilden Westen, nahm Klaudia Martini (SPD) das Bild auf. Sie forderte für diesen Schwarzbau eine schnellstmögliche Beseitigungsanordnung durch das Landratsamt.
Entsprechend fiel der Beschlussvorschlag aus. Da mindestens sieben Stellplätze fehlen, könne das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt werden. Des Weiteren sei die künftige Nutzung des Lokals und der zweiten Kellerbar unklar. Auch aus gestalterischen Gründen sei der „Gestaltungswirrwarr“ abzulehnen. Einstimmig entschied sich der Wiesseer Gemeinderat auch für die unverzügliche Beseitigung der ungenehmigten Glasveranda.
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