Heimat, du bist zu teuer!

Das Tal ist cool – und zieht vor allem Reiche an. Unsere Kommentatorin fragt sich daher, wo sie sonntags hingehen und wo sie künftig wohnen soll. Doch wer behauptet, der Charme des Tals komme von der Oberschicht, setzt der Frechheit die Krone auf.

Heimat, du bist wunderschön – aber zu teuer …

„Natur ist cool. Berge sind cool. Selbst Dirndl sind cool. So schaffte das Tal sein Comeback.“ Das hat die FAZ vor einem Jahr in ihrem Beitrag zu den Reichen und Schönen, die das Tegernseer Tal fluten, recht schön auf den Punkt gebracht. Ja, Natur scheint gerade „cool“ zu sein – aber für die Einheimischen ist das alles andere als „schön“.

An so manchem Sonntag frage ich mich, wo ich überhaupt noch hingehen kann, ohne Hinz und Kunz über den Weg zu laufen. Als Einheimischer traut man sich am Wochenende ja kaum noch vor die Tür – schon gar nicht mit dem Auto. Mittlerweile wird jedes noch so kleine Fleckchen Wiese, unbekannte Berglein oder traditionelle Feste überschwemmt – von Münchnern, von Sport-Fanatikern samt Säuglingen auf dem Rücken oder von generell im Rudel auftretenden Nordic Walking-Gruppen.

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Wo ist denn diese “Lässigkeit”?

Das ist die eine Seite. Dass man als Tal-Bürger den Sonntag entweder im Bett oder möglichst weit weg vom Heimatort verbringen muss, ist ja eigentlich schon schlimm genug. Aber es bleiben ja noch sechs weitere Wochentage – möchte man meinen. Die FAZ erklärte wohlwissend: „Die Dinge laufen etwas anders auf diesem begnadeten Flecken Erde. Eine tiefe Zufriedenheit liegt in der Luft. Wer es hierher geschafft hat, muss nichts mehr beweisen. Das verleiht Lässigkeit.“ Ist das so, ja?

Ich spüre keine „Lässigkeit“, wenn ich daran denke, wo ich in zehn Jahren leben werde. Ich spüre keine „Lässigkeit“, wenn ich mir Gedanken über eine Zukunft in meinem Heimatort mache. Ich verspüre eher Resignation. Viele von uns „Jungen“ haben sich damit abgefunden, ihre Zukunft außerhalb des Tegernseer Tals zu planen. Leisten kann es sich ja doch keiner mehr. Schließlich gehören wir – Otto-Normal-Tegernseer – nicht zu den kaufkräftigen Jungen, die raus ins Tal wollen, wie es die FAZ beschreibt.

Kein Neid – eher Sorge

Aber naja was soll’s, wie es scheint braucht uns – die einheimische Jugend – hier keiner. Jedenfalls wenn man Sätze liest wie: Den Charme des Tals mache die Oberschicht aus. Ernsthaft? Der Charme der Oberschicht, was soll das sein? Das hier hat nichts mit Neid zu tun – wie es ebenfalls in der FAZ angesprochen wird. Hier spricht jemand, der im Tal aufgewachsen ist.

In einem Tal, das für Kinder zu meiner Zeit noch ein Paradies war und auch heute noch an vielen Stellen ist – irgendwann aber nicht mehr sein wird, wenn Prunkvillen den See verbauen. Für manche mag dieser Kommentar naiv klingen – für mich sind es genau die Gedanken, die sich ein Großteil der Nachkommen tagtäglich macht oder machen muss.

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