Ingrid Versen ist seit 28 Jahren Gemeinderätin in Bad Wiessee. Unterlagen zur Gemeinderatssitzung hatte sie immer per Post erhalten. Das änderte sich auch nicht, als es im Juni 2014 die Möglichkeit gab, die Informationen auf elektronischem Wege zu erhalten.
Wie kürzlich berichtet lehnte Versen eine Teilnahme am Ratsinformationssystem der Gemeinde mit der Begründung ab, die Schrift auf dem von der Gemeinde dafür zur Verfügung gestellten Tablet sei zu klein. Vom Lesen bekäme sie Kopfschmerzen, so die CSU-Gemeinderätin.
Gemeinde dokumentiert Briefeinwurf per Handy
Ärgerlich wurde Versen, als sie für die Sitzung am vergangenen Donnerstag lediglich Informationen für zwei von insgesamt acht nichtöffentlichen Tagesordnungspunkten erhielt. Die restlichen Unterlagen fehlten. Während ihre Ratskollegen bei der vorangegangenen Fraktionssitzung am Dienstag bestens informiert und gut vorbereitet waren, sei sie dagestanden „wie der letzte Depp“.
Wiessees Geschäftsleiter Hilmar Danzinger hingegen erklärte daraufhin, die Unterlagen seien zusammengestellt und zur Poststelle gebracht worden und konterte, dass Frau Versen mindestens jedes dritte Mal behaupte, sie habe die Unterlagen nicht erhalten. Deshalb sei man sogar dazu übergegangen, den Briefeinwurf mit einem Handyfoto zu dokumentieren.
Danzinger kommt persönlich vorbei
Scheinbar war der Umschlag verloren gegangen. Tatsache sei, so Versen, dass bereits öfter Anlagen zu Tagesordnungspunkten fehlten. Als sie daraufhin ankündigte, der Sitzung fernzubleiben, wenn sie vorab nicht ausreichend informiert sei, gab Danzinger ihr zu verstehen, dass ein unentschuldigtes Fehlen ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 Euro bedeute.
Um des lieben Friedens Willen versprach der Geschäftsleiter, ihr die fehlenden Unterlagen am Abend vor der Sitzung persönlich vorbeizubringen. Wie Versen auf Nachfrage berichtet hat er dies auch getan, wenn auch unangemeldet. Eine Stunde lang habe man ein „gemütliches Gespräch“ geführt. Ein Techniker installierte Versen am anderen Morgen einen Code auf ihren Computer, mit dem sie jetzt auf das Informationssystem der Gemeinde zugreifen kann.
Versen revolutioniert “Geheimhaltung”
So habe sie „den ganzen Zirkus“ lesen können, wie sich die streitbare CSU-Rätin ausdrückt. Es gab für sie also keinen Grund mehr, der Gemeinderatssitzung fernzubleiben. Als sie an besagtem Abend zur Sitzung erschien, sei es totenstill gewesen, sagt sie. Niemand habe sie auf den Vorfall angesprochen. Geändert hat sich allerdings sehr viel.
Seit Versen den Code auf ihrem Rechner hat, hat die Gemeindeverwaltung reagieren und den anderen Ratsmitgliedern die gleichen Rechte einräumen müssen. Seit ungefähr 14 Tagen sind in Bad Wiessee erstmals Unterlagen zu nichtöffentlichen Sitzungen online abrufbar. Versen ist zufrieden: „Ich war der Auslöser für etwas, das schon vor vier Jahren hätte passieren müssen.“ Manchmal müsse man eben „die Klappe“ aufmachen, sagt sie. Jetzt sei alles „wunderbar und in Butter“.
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