Waakirchens Plan B: Ein Kurztunnel für 13 Millionen Euro

Der Verkehr soll raus aus Waakirchen. Nur wie? Eine Umgehungsstraße steht zwar kurz vor der Umsetzung, ist von der Mehrheit der Bürger aber nicht gewollt. Die Alternative: ein Tunnel. Zwei mögliche Varianten gab es bisher. Gestern Abend im Pfarrheim dann die Überraschung.

Überraschung gestern im Waakirchner Pfarrheim: Es gebe noch eine Alternative zur Südumfahrung: Ein Kurztunnel. / Foto: N. Kleim

Seit Jahren wollen die Waakirchner den Verkehr aus ihrem Ort lenken. Einen ersten Erfolg, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen, erzielten sie, als eine Umgehungsstraße als „vordringlichen Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplans (BVWP) eingetragen wurde. Dann aber stellten sie fest, dass es wohl doch besser wäre, die landwirtschaftlichen Flächen nicht zu versiegeln. Ein Tunnel kam ins Spiel.

Für einen Ortstunnel kämpft der Waakirchner Lars Hülsmann mit seinem Verein „Entlastung der B472“. 3.500 Unterschriften hatte er gesammelt, um den Willen der Bürger für diese Lösung zum Ausdruck zu bringen. „Eine Ortsumfahrung ist viel schrecklicher als wir gedacht haben“, betonte er gestern Abend im Waakirchner Pfarrheim. Etwa 80 Zuhörer waren auf Initiative seiner Bürgerbewegung gekommen, um über die vom Straßenbauamt Rosenheim am 3. Juli vorgestellte „Machbarkeitsstudie“ zu diskutieren.

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„Eine Tunnellösung ist machbar“

Acht alternative Trassenvorschläge zur im BVWP eingetragenen Umfahrung hatten die Waakirchner beim Straßenbauamt eingereicht. Darunter zwei Tunnel-Varianten (wir berichteten). Auch der von der Bürgerbewegung „Entlastung der B472“ eingereichte Tunnelvorschlag wurde als „technisch umsetzbar“ eingeschätzt. Allerdings wären die Bau- und Instandhaltungskosten sehr hoch. Außerdem müsste eine solche Lösung vom Bund neu bewertet werden.

Hülsmann machte bei der gestrigen Veranstaltung deutlich, dass nichtsdestotrotz „ein Tunnel machbar“ sei. „Das Beste kostet nun mal was“, ließ er die Zuhörer wissen. Ein Ortstunnel sei seiner Ansicht nach die „umwelt- und verkehrsfreundlichste Lösung. Sie habe die meisten Vorteile, ohne dass Mensch, Natur und Gebäude zu Schaden kommen“.

Der Vorstand der Bürgerbewegung “Entlastung der B472”. Ganz links im Bild: Vereinsvorsitzender Lars Hülsmann. / Foto: N. Kleim

Hülsmann stellte die Vor- und Nachteile aller neun Trassenvarianten gegenüber. Jetzt komme es „auf deren Gewichtung und Bewertung an“, sagte er. Zwar habe das Straßenbauamt eine solche Bewertung bei seiner Präsentation der „Machbarkeitsstudie“ vornehmen wollen, aber darauf verzichtet, so Hülsmann. Für ihn ist klar: Rechtssicher ist eine Nord- oder Südumfahrung von Waakirchen schon deshalb nicht, weil sie der Alpenkonvention widerspricht. Heißt: Da es „noch nie eine Straße durch ein Landschaftsschutzgebiet gegeben hat“, werde eine solche auch nicht kommen.

„Eine Umgehungsstraße kriegen Sie nicht!“

Seine Alternative: ein Ortstunnel. Da es dem Straßenbauamt vorrangig um einen „zügigen Verkehrsfluss“ gehe und nicht darum, den „Wert der Natur“ – möglichst gering zu halten, wie Hülsmann gestern erklärte, lägen die Vorteile eines Tunnels auf der Hand: a) eine Beschleunigung des Verkehrsflusses bei kurzer Streckenführung, b) eine geringe Umweltbelastung und c) der Eingriff in die Natur wäre ebenso wie der Flächenverbrauch minimal.

Lediglich für die „Tunnelportale“ müsste man Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet herausnehmen. Aber auch hier seien die Risiken insgesamt „genauestens“ zu prüfen, so Hülsmann gestern Abend. Die Bauzeit wäre um einiges länger als die einer Umfahrung, und die enorme Menge an Bauabfall müsste irgendwo gelagert werden. Und auch die Kosten in Höhe von 116,8 Millionen seien kein Pappenstiel.

Die Überraschung: Ein Kurztunnel

Natürlich sei das Ziel dabei, möglichst wenig Häuser zu „untertunneln“, betonte Hülsmann. Denn eine Entschädigung für Grundstückseigentümer, die über einem Tunnel wohnen, gebe es nicht. Der bei der Machbarkeitsstudie ins Spiel gebrachte Südtunnel, der ähnlich der Südumfahrung Waakirchen im südlichen Gelände passieren würde, koste zwar „nur“ rund 69 Millionen Euro, hätte aber eventuell „irreparable“ Auswirkungen auf die Natur und bedinge eine Herausnahme der Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet.

Und dann verblüffte Hülsmann mit einer völlig neuen Tunnelvariante, die das Straßenbauamt in seiner Machbarkeitsstudie nicht veröffentlicht hatte: ein Kurztunnel. Diese Lösung hatte der Waakirchner Architekt Hans Hagleitner entworfen und eingereicht. Weil aber ein Teil der Strecke innerhalb des Ortes durchführt, und dort laut Straßenbauamt deshalb nicht „beschleunigt“ werden kann, wurde diese Idee zwar als „technisch machbar“ angesehen, aber wieder verworfen.

Acht Wohnhäuser betroffen

Laut Hülsmann sei das allerdings eine „interessante Alternative“, ein sogenannter „Plan B“, der „nicht so viele Auflagen“ zu erfüllen hätte und lediglich geschätzte 12,5 Millionen Euro kosten würde. Der Tunnel würde beim Autohaus Weingärtner beginnen, beim Pfarrheim unterirdisch verschwinden und nach dem Waakirchner Ortsschild wieder sichtbar werden.

„Eine deutlich kürzere Untertunnelung“, wie Hülsmann erklärt. Der Nachteil: Es gebe keine Entlastung für die etwa acht Wohnungseigentümer westlich vom Tunnel. Zudem müsste die Finanzierung geklärt werden, da diese Variante nicht im Einklang mit dem BVWP stehe. So oder so sei jetzt eine Entscheidung der Gemeinde gefordert, die sich aber dafür „alle Zeit der Welt“ nehmen sollte, wie Hülsmann klarmacht.

Der Waakirchner Architekt Hans Hagleitner erklärt den Zuhörern seinen “Kurztunnel”. / Foto: N. Kleim

Tunnel-Skeptiker Gerhard Voit, Vorsitzender der Bürgerinitiative Verkehr, meldete sich daraufhin zu Wort und erklärt: „Wir kriegen doch keinen Tunnel. Wer glaubt denn so etwas?“ Mit der Umfahrung bekomme man doch von der Politik „in relativ kurzer Zeit“, die einmalige Chance, Waakirchen „autofrei“ werden zu lassen. Quasi eine „Traumsituation für die Waakirchner“. Klatschen im Raum.

Doch Hülsmann kontert: „Die Chance, dass wir eine Umfahrung bekommen, ist gleich Null. Und wenn, würde sie durch ein Gewerbegebiet gehen. Wollen wir künftig auf Geschäftsleute im Ort verzichten?“ Unterstützung erhält er von Balthasar Brandhofer (ABV), selbst ein Betroffener einer möglichen Südumfahrung:

Heute ist doch deutlich geworden, welche Auswirkungen eine Umfahrung auf unsere Natur hat. Wir hätten einen deutlich höheren Flächenverbrauch als mit einem Tunnel.

Gerhard Voit überzeugt das nicht. Er wendet sich an Hülsmann: „Haben Sie einen Plan B, wenn gar nichts umgesetzt wird?“ Dessen Antwort: „Plan B haben Sie in zwei Tunnelvarianten gesehen“. Voit, keinesfalls von einem Tunnel begeistert, entgegnete: „Die Konsequenz ist also, dass der Verkehr in Waakirchen bleibt.“

Unterschriftenaktion nicht repräsentativ?

Ein Argument, dass einige Anwesende vom Tunnelgedanken abbringt: „Nur, weil es 3.500 Unterschriften gibt, heißt das nicht, dass 3.500 Leute gegen eine Umfahrung sind“, so einer der Anwesenden. Die Aktion sei so gewesen, als ob man jemanden gefragt hätte: Willst Du den Jackpot oder nicht? Zwar gebe es eine große Zustimmung der Bürger, aber repräsentativ sei das Ganze nicht. Zumal diejenigen, die unterschrieben hätten, „nicht alles Waakirchner“ gewesen seien.

Das räumt auch der sichtlich vor den Kopf gestoßene Hülsmann zwar ein, zweifelt die Aussagefähigkeit der Aktion jedoch nicht an. “Die Leute haben nicht nur für einen Tunnel gestimmt, sondern auch gegen eine Umfahrung”. Am Ende ist es Vereinsmitglied Xaver März, der zur Überraschung aller Anwesenden dann auch noch den Südtunnel in Frage stellt:

Das ist ein Eingriff in den Landschaftsschutz von 20 Hektar. Ich habe noch nie gehört, dass eine solche Fläche irgendwo herausgenommen wurde.

Außerdem hätte dieser Tunnel eine Tiefe von acht bis zehn Metern bei einer Gesamtbreite von 120 Metern. Der Humus müsste gesondert abgetragen werden, die Bauzeit wäre mindestens 16 Jahre …“ Schlussworte, die nachhallen werden. Versiegeln oder untertunneln? Eine Frage, die die Waakirchner wohl noch eine Zeitlang beschäftigen wird, sollte die Umfahrung mit der Entscheidung der Gemeinde tatsächlich kippen.

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