Wenn künftig Wanderer ständig in ihr Smartphone blicken, dann ist das so gewollt. Sie erwandern eine virtuelle App mit literarischen Kulturschätzen am Ursprung. „Wir sind hier in einer der ältesten Kulturlandschaft Bayerns“, sagte der Leiter des Projekts bei einer Pressekonferenz im Tegernseer Rathaus. Für Prof. Klaus Wolf der Universität Augsburg wurde seit dem 6. Jahrhundert mit den Agilolfingern am Tegernsee Kultur und Literatur zum Wohle von ganz Bayern geschaffen.
Dies soll künftig auch touristisch ein“ bisschen mehr erschlossen“ werden, jenseits von Ganghofer und Thoma. „Denn es gibt sehr viel mehr, beispielsweise eine uralte Klostermedizin“. Dies ist ein Kulturschatz und zugleich Literaturpfad von zwölf, die im Rahmen der „LiteraTouren“ mit einer App zu den Hörstationen auf Spazier- und Wanderwegen sowie Radtouren erlebbar gemacht werden sollen.
Weitere sind: Schreibende Frauen am Tegernsee (Carry Brachvogel, Hedwig Courths-Mahler, Dora Stieler, Elisabeth Braun, Frieda Birkner und Grete Weil), auf den Spuren ritterlichen Lebens am Tegernsee (Ruodlieb, der erste Ritterroman), Theater am Tegernsee: Vom Mittelalter bis zum Brandner Kaspar, Mystk am Tegernsee, auf den Spuren des heiligen Qurinus (unter anderem Herstellung des Quirinus-Öls), Orte der Sommerfrische von Literaten und Künstlern, jüdisches Schrifttum am Tegernsee, den Verbrechern auf der Spur: Tod und Mord am Tegernsee (unter anderem mit Martin Calsow), Sagen und Mythen (mit der Dracula-Überlieferung aus dem Kloster) und Entstehungsorte berühmter Werke am Tegernsee (von Ludus de Antichristo über das Liebeskonzil bis heute).
Weniger Schnee, mehr Best Ager
Gefördert wird das Projekt mit 100.000 Euro vom Bundeslandwirtschaftsministerium im Rahmen des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung (BULE). Ziel des Programms ist es, ländliche Regionen durch die Unterstützung von Initiativen und innovativen Ansätzen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Verein Schwäbisches Literaturschloss Edelstetten e.V. unter Leitung von Wolf möchte mit dem Projekt „TELITO“ die kulturelle Identität im ländlichen Raum sowie das Geschichtsbewusstsein und die Erinnerungskultur stärken.
Mit den Fördermitteln soll zum einen auch das Tegernseer Museum ertüchtigt und eine zertifizierte Fortbildung für Fremdenführer angeboten werden. Ziel sei es, „das Ganze noch attraktiver zu machen“, so Wolf. Vor allem für die Best Ager, die immer mehr werden, aber der Schnee hier immer weniger. „Skifahren können wir nicht mehr, aber kulturell geht noch was“. Diese Klientel sei auch „nicht so geizig“, die würden für ein biologisches Essen auch mehr ausgeben. „Das ist eine Win-Win-Situation für alle“, prophezeite Wolf als Lehrstuhlinhaber für bayerische Literatur. „Das ist weltweite der einzige“, meinte er schmunzelnd.
„Wir bringen die Beutekunst zurück“
Für ihn und sein Team als Germanisten sei dies auch Neuland, „wenn wir mehr in die Praxis gehen und nicht nur theoretische Texte produzieren“. Langfristig will Wolf auch seine Studenten an das Projekt heranführen, damit sie sehen, was man mit Germanistik alles anfangen könne. Die Projekte werden jetzt schon virtuell über die Homepage präsentiert. Erscheinen werde über die Arbeit aber auch ein Buch in der Reihe Bavarica. Wolf: „Wir bringen sozusagen die Beutekunst (der Säkularisation im Kurfürstentum Bayern, die Red.) von 1803 wieder hierher.
„Wir nehmen das Thema sehr dankbar an“, meinte TTT-Chef Christian Kausch, denn man finde es nicht nur spannend. Es passe auch „perfekt“ zu den jeweiligen Jahresthemen wie Gesundheit und Kultur. Als Mentor dieses Projekts ist wohl Alexander Radwan zu sehen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete sieht die Intention des Landwirtschaftsministeriums darin, „das ländliche Selbstwertgefühl ein Stück weit zu stärken“. Wissenschaft und Kultur finde wunderbar in den Städten statt, „aber der ländliche Raum verliert weiter an Bedeutung“. Doch die Kultur, die sich in den Großstädten abspiele, komme vielfach aus einer ländlichen Gegend wie dem Tegernseer Tal. Es gelte hier, „die Wurzeln darzustellen“. Nicht nur in den Metropolen gebe es glänzende Sterne, viele auch auf dem Land.
Profitieren soll das Museum Tegernseer Tal. Dessen Leiter Hans-Herbert Perlinger soll nicht nur eine LED-Lichtanlage für die Ausstellungsräume als Spende bekommen, sondern auch „aufbereitete Exponate“. Perlinger: „Wir werden voll integriert und sind Kooperationspartner“. Kulturzeit am Tegernsee.
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