Im Eilverfahren versuchte Pagenberg im September die vom Landratsamt einen Monat zuvor erteilte Baugenehmigung für eine Splitt-Lagerhalle zu verhindern. Sie soll mit einer Grundfläche von 330 Quadratmetern und einer Höhe von 6,80 Metern im Quellgebiet und Auwald-Komplex der Ringseebucht errichtet werden. Antragstellerin ist Elisabeth Dießl als Eigentümerin des 6.900 Quadratmeter großen Areals zwischen der B318 und dem Biotop Grünes Wasserl. Damit Dießls Baupläne „im öffentlichen Interesse“ realisiert werden können, sprang Rzehaks Behörde über ihren Schatten. Es erteilte Befreiungen von der Landschaftsschutzverordnung, vom Bauverbot an Gewässern und vom gesetzlichen Biotopschutz.
Noch im Jahr 2013 sah dies Rzehaks CSU-Vorgänger als Landrat, Jakob Kreidl, anders. Sein Haus erließ damals eine Beseitigungsanordnung für die Lagerung von Kies und Abraum im Landschaftsschutzgebiet des Ringsee-Ufers und untersagte jegliche gewerbliche Tätigkeit auf dem Areal. Das Landratsamt begründete diese Entscheidung, dass die „Flussachse Weissach – Mangfall“ wie auch der „Tegernsee und dessen Uferbereiche“ eine „Biotopachse von überregionaler Bedeutung“ sei.
Diese Flächen seien auch in der amtlichen Biotopkartierung erfasst und erfüllten die Kriterien des Bundesnaturschutzgesetzes, erwidert nun Pagenberg in seiner Stellungnahme an die Tegernseer Stimme und zitiert nochmals das Landratsamt von 2013: „Eine Befreiung von der Landschaftsschutzgebietsverordnung werde daher für einen Lagerplatz an dieser naturschutzfachlich wertvollen Stelle nicht gewährt“. Der Lagerplatz beeinträchtige auch das Landschaftsbild.
Die Lagerhalle als „Einklang von Ökologie und Ökonomie“
Als sei es der Schnee von gestern, änderte das Landratsamt seine Einschätzung grundlegend. Nun überwiege das „Einzelinteresse“. Dies führte dazu, dass ein Teil der Lagerfläche mit Aushub bedeckt und das Biotop mit etwa 600 Kubikmetern Abraum aufgefüllt wurde. „Das sinnlose Verfüllen des Grünwassers, das einhergeht mit der Vernichtung aller Pflanzen und Lebewesen in diesem Bereich, war die erste fundamentale, von Ihnen zugelassene Umweltsünde, in diesem Fall und in Bezug auf unser Grundstück zugleich eine Straftat. Ein Strafverfahren läuft“, schrieb Pagenberg in einem offenen Brief im Oktober an Rzehak. Dessen Naturschutzbehörde sieht darin kein Problem: „Die Erweiterungen des Biotops sind nach zwei Wachstumsperioden vollständig eingewachsen“.
Wie Hohn klingt es für Pagenberg, wenn das Landratsamt sein „Gesamtkonzept“ als „wertvollen Beitrag zum Naturschutz“ im Landkreis einstuft. Zumal es „ein gelungenes Konzept“ sei, „Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen“. Es lässt offenbar außer Acht, dass die Fläche unter der Schotter-Aufschüttung im Flächennutzungsplan der Gemeinde Kreuth noch immer offiziell als “Grünfläche” geführt und in Rottach-Egern als Naturdenkmal „Beim grünen Wasserl“ bezeichnet wird.
Ungehinderter Flächenfraß im Landkreis
Pagenberg fordert Rzehaks Behörde nun auf, „die Meinungsänderung zur Entscheidung von 2013 zu erklären“. Außerdem will er dargelegt wissen, wieso in einer Demokratie das „Einzelinteresse vor dem Allgemeininteresse“ stehe. Deshalb hat Pagenberg bereits Rechtsmittel gegen die Entscheidung der 9. Kammer von Richterin Dürig-Friedl eingelegt. „Zudem muss auch im Hauptsacheverfahren noch über die Sache entschieden werden“, so das Landratsamt zuletzt. Pagenberg, der alle rechtlichen Mittel ausschöpfen will, trägt sich auch mit dem Gedanken einer Petition an den Landtag. Unterstützung erhält er von Naturschützern im Landkreis.
In der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) sind Mitglieder befremdet darüber, dass das Gericht Pagenbergs Klage „als Streit unter Nachbarn“ eingestuft habe. Hauptsächlich seien „nachbarschaftliche Auswirkungen auf den Immissionsschutz, optische Beeinträchtigungen und der Hochwasserschutz“ bewertet worden. Völlig außen vor sei das einstige Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet gelassen worden, das bereits mit der Teil-Ausbaggerung des Biotop-Grundes und der Aufschüttung „künstlicher Inseln“ umgangen worden sei.
Was das Landratsamt als „Retentions-Maßnahme“ wertet, sieht man bei der SGT als „massive Aushebelung“ von Naturschutz-Vorschriften. Der frühere Miesbacher SPD-Stadtrat Karl Brutscher, ein kämpferischer Naturschützer, forderte in seinem Brief vom Freitag das Verwaltungsgericht auf, die erteilte Baugenehmigung „ersatzlos aufzuheben“. Weiter will der pensionierte Finanzbeamte das „Grüne Wasserl sorgfältigst renaturiert“ wissen. Außerdem bittet er Dürig-Friedl „dringend“, die „Vorschriften der Alpenkonvention“ einzuhalten. „Denn der Flächenfraß selbst bei Landschaftsschutzgebieten geht in unserem Landkreis munter weiter“.
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