Bergsteigerdörfer wie in Kreuth sind eher eine Ausnahme. Immer mehr verkommen die Alpen zum Tummelplatz. Denn für den Massentourismus wie für Individualisten sind die Alpengipfel der Inbegriff des Glücks. In den vergangenen Jahren bekam der Alpenverein immer wieder zu hören, er sei eigentlich nichts anderes als ein “Alpen-ADAC” und fördere letztlich nur den Massentourismus.
Einen Vorwurf, den langjährige Kritiker heute so nicht mehr äußern, denn der DAV versucht den Interessenausgleich. Ein schwieriges Unterfangen, seit die unterschiedlichsten Bedürfnisse von Radlern, Wanderern, Naturschützern und anderer Nutzergruppen wie Alm- und Forstwirtschaft aufeinandertreffen.
Jüngst kam es bei der Hegeschau in Miesbach zur Diskussion um den Grundsatz, der nun sogar in den Abschlussbericht des „Runden Tisches“ zum Volksbegehren Einzug gehalten hat: „Wald vor Wild“, statt „Wald und Wild“. Offenbar, sagte ein Beobachter sarkastisch, ist die Gams doch kein so großer Sympathieträger wie die Biene. Denn für Rotwild, Gams und Steinböcke wird der Lebensraum immer beengter, da sich auch der Klimawandel laut DAV in unseren Alpen besonders bemerkbar macht. Die Erwärmung ist in den Bergen doppelt so stark.
Bergbewohner auf dem Weg nach oben
Berge bieten von ihrem Fuß im Tal bis zu ihren Gipfeln durch ihre verschiedenen Klimazonen ganz verschiedene Lebensräume – und die geraten durch den Klimawandel in Bewegung. Denn vielen, auf kühle Bergregionen spezialisierten Arten, wird es zu warm. Steigt die Temperatur in den Bergen, wandert ein alpiner Lebensraum um etliche Höhenmeter nach oben – etwa 200 Meter pro Grad. Viele seiner Bewohner müssen mit umziehen: Ganze Ökosysteme geraten so auf Wanderschaft.
Für den Klimaschutz sind die Alpen wie ein europäisches Frühwarnsystem: An ihnen zeigt sich, worauf sich der Rest des Globus einzustellen hat. In manchen Alpenregionen könnten die Trinkwasservorräte knapp werden. Wie im Sommer vergangenen Jahres, als auf so mancher Berggaststätte das Quellwasser knapp wurde oder ausging. Auch Hochwasser, Lawinen und Geröllmuren werden immer mehr zur Gefahr. Jedes Grad Temperaturveränderung hat zudem fatale Folgen für die stark an ihren extremen Lebensraum angepassten Pflanzen und Tiere, warnt Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Ökozone der Alpen geht verloren
Aber es wandern eben nicht alle gleich schnell. Der Steinbock kann vielleicht noch leicht umziehen. Aber sein Futter? Und die neue Wohnung in Hanglage hat vielleicht noch andere Nachteile. So ist die Humusschicht in höheren Alpenregionen beispielsweise nicht dick genug für einen winterfesten Bau der Murmeltiere.
Insektenlarven, die in Bergquellen leben, haben irgendwann gar keine Umzugsmöglichkeiten mehr: Ab einer bestimmten Höhe gibt es einfach keine Quellen mehr. Ab einer bestimmten Höhe gibt es auch kein weiter oben mehr: Die oberste Ökozone der Alpen geht gerade verloren, so Klimaforscher Lucht. “Hochgebirge und Polkappen sind aber die Fieberthermometer der Erde“.
Die Alpen, der gefährdete Raum
Deshalb ruft der DAV zum Handeln auf. Nicht nur Schneekanonen und Skilifte seien eine Gefahr für die Bergnatur, auch der Transitverkehr durch die Alpen und die Hotelburgen nehmen zu, warnt der DAV. Sein Vizepräsident Rudi Erlacher fordert klare Grenzen für den Ausbau von Energietechnologien und Verkehr in den Alpen. Wichtig seien die Entwicklung von nachhaltigem Tourismus und besserer Gewässerschutz. Besonders im Hinblick auf die Ressource Wasser ginge der Zustand der Alpen ganz Europa etwas an.
Erlacher: “Wie es den Alpen geht, ist für ganz Europa wichtig, schließlich wirkt sich ihr Zustand auf den gesamten Kontinent aus – und umgekehrt“. Zum 150. Jubiläum bietet der DAV dazu ab 16. Mai eine Vielzahl von Podiumsdiskussionen. Ein kleines Beispiel, wie es gehen könnte, sei Kreuth, sagte Erlacher bei der Ernennung zum Bergsteigerdorf im vergangenen Jahr: „Kreuth ist ein vorbildliches Bergsteigerdorf. Nicht zuletzt auch, weil die Gemeinde mit viel Motivation und Begeisterung an der nachhaltigen Tourismusentwicklung arbeitet.“
DAV-Kampagne: „Die Alpen sind schön. Noch. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen“.
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